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Ultraleicht Trekking

Schaden Navigationsgeräte dem Orientierungssinn?


nats

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Im aktuellen Journal der Universität Zürich 3/2015 findet sich auf S. 16 in der regelmäßigen Rubrik "Stimmt es, dass..." diesmal die auch für uns hier wichtige Frage:

 

"Stimmt es dass... Navigationsgeräte unseren Orientierungssinn beeinflussen?"

 

Die Antwort kommt von Sara Irina Fabrikant, Professorin für Geographic Information Visualization & Analysis (GIVA). Kurze Antwort: Ja! Vor allem laufende Routen-Anweisungen von Navis nur passiv auszuführen beeinflußt die Fähigkeit zu selbständigen Entscheidungen für die Wegfindung und auch das räumliche Erinnerungsvermögen. Die schädlichen Auswirkungen zeigen sich selbst bei jüngeren Inuit-Jägern in Nordkanada.

 

Wird die meisten hier nicht wirklich überraschen, ist aber trotzdem interessant, wie ich finde. Wer mehr wissen will, kann den genannten Kurzbeitrag als Ausgangspunkt nehmen. (Keine Angst, allgemeinverständlich und leicht zu lesen!) Ich habe auf die Ausgangsseite des Journals verlinkt, weil man dann je nach Vorliebe das PDF herunterladen kann oder online lesen.

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Interessantes Thema, beschäftigt mich auch häufiger. Es mag ja in empirisch-statistischen Untersuchungen durchaus ein nachweisbarer Effekt sein, dass Navi-Nutzung das Orientierungsvermögen beeinträchtigt. Ich kann mir auf jeden Fall zwanglos negative Effekte durch reinen Anweisungskonsum vorstellen.

 

Selbst erlebe ich das allerdings etwas anders. Ich traue mich mit Navi viel eher, eine wenig bis nicht bekannte Gegend zu erkunden. Da füllen sich durch Betrachtung der Umgebung auch noch vorhandene weiße Flecken. Gleichzeitig sehe ich auf einer mindestens rudimentären bis detaillierten Karte (Oruxmaps, z. B.), wie die Umgebung des sichtbaren befahrenen/erwanderten Bereichs aussieht. ("Ach so, neben der Autobahn, das ist ein großer See!") Insbesondere hat sich bei mir eine bessere Vorstellung der Lage von mir eigentlich bekannten Orten zueinander eingestellt. Meine persönlichen Vorstellungen werden also vollständiger und differenzierter.

 

Wenn ich im jeweiligen Navigationssystem (Wandern oder Autofahren) eine Kartendarstellung sehe und sie mit der Umgebung abgleiche, dann stellt das ja auch eine kognitive Leistung dar, eine Erfahrung wird mehrfach verankert, sozusagen. Wenn ich jetzt noch an eine Wanderroute denke, die ich ja oft aktiv plane, dann sind meine Synapsen doch eher angeregt...

 

Noch sehe ich für mich also eher positive Effekte. Die Sorge, die ich selbst gelegentlich habe, dass ich ohne Navi hilflos wäre (der Technik ausgeliefert), relativiert sich für mich dann doch immer wieder. Auch früher hätte ich ja zur Orientierung eine Karte mit Kompass oder einen Autoatlas benötigt, was aber weit weniger komfortabel ist.

 

(Etwas OT: Ein weiteres Positivum bei Navis ist, dass für mich das Autofahren sicherer wird, weil ich mich auf den Verkehr oder andere Dinge konzentrieren kann und der Fahrbahnverlauf in Kurven vorhersagbar wird. Die elektronischen Hilfen können also durchaus auch andere Ressourcen freisetzen. Wenn ich dann noch Mozart höre, stelle ich den Hirnabbau auf jeden Fall für mich persönlich in Frage;-)

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in diesem zusammenhang wäre es sicher auch interessant zu erforschen, inwiefern wegmarkierungen unserem orientierungssinn schaden. sprich, wenn man auf einer tour ganz ohne oder nur mit auf briefmarkengrösse verkleinerten kartenausschnitten quasi "blind" den wegmarkierungen nachläuft, wie das ja auf den grossen (amerikanischen) trekking-trails der normalfall ist. wie gut weiss man da im notfall noch, wo man eigentlich durchgelaufen ist. was sich links und rechts des weges befindet?

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Ich denke, letztlich ist das Problem das gleiche: Nutze ich Hilfsmittel allein als solche? Oder lasse ich diese faktisch für mich entscheiden, begebe ich mich meiner Eigenverantwortung? Wenn ich das tue, ist vorprogrammiert, daß meine Fähigkeiten abnehmen. Wenn ich umgekehrt Hilfsmittel zu eigenständigen Eigenscheidungen nutze, dann können sie durchaus das Gegenteil bewirken und meine Fähigkeiten wachsen lassen. Vermutlich werden sich alle Mitglieder dieses Forums immer wieder wundern, wenn wieder einmal ein Navi-Nutzer völlig hirnlos irgendwelchen Anweisungen gefolgt ist und sich in irgendwelchen Flüssen oder ähnlichen Situationen findet (und mit einer Notiz in der Zeitung). Nichtsdestotrotz fand ich interessant, daß Effekte von abnehmendem Orientierungssinn eben auch auftreten, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde: z. B. bei den angeführten jagenden Inuit in Nordkanada.

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  • 7 Monate später...

Definitiv eine interessante Frage! 

Meiner Meinung nach ist diese aber im Speziellen auch mit der pädagogischen Brille zu betrachten, denn Orientierung ist (so meine These) zuallererst etwas Erlerntes (jaja, bin vom Fach ;) ). Will behaupten, dass selbst Angehörige der Inuit nicht mit einem Kompass im Kopf auf die Welt kommen. So weit reicht denke ich die genetische Determination beim Menschen eben doch nicht.

Zur Sache: Zuerst wäre zu Fragen wie wir uns zu Orientieren gelernt haben. In unserem Kulturkreis durch Verkehrsschilder, wie Straßenschilder und dergleichen. In Folge kamen dann Karte, Kompass etc. dazu. Vertieft dann bei uns, die wir gern draußen sind, noch durch unser Outdoorhobby. Von klein auf mit dem GPS wird von uns (noch) keiner seine Umwelt erkundet haben. 

Wir haben also auf eine bestimmte Art gelernt unsere Umwelt in kodierter Form (Karte) zu verstehen bzw. zu deuten und Karte und Umgebung aufeinander zu beziehen. Der Umgang mit Navigationsgeräten benötigt diese Abstraktionsleistung nicht. Das Gerät entbindet uns dieser Aufgabe. Die Veränderung die wir dann an uns feststellen können ist ein (auch kollektives) Verlernen. Es fehlt uns dann schlicht die Übung uns korrekt mit Karte und Kompass zu orientieren. Soweit meine These.

Ob kommende Generationen, welche von klein auf mit GPS und Co. aufwachsen, hierdurch Nachteile in ihrer Orientierungsleistung haben werden werden wir sehen.

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Wenn ich den Gedanken von harztrekker mal weiterspinne, ist dieses Verlernen von Karte/ Kompass zugunsten von GPS wohl ähnlich wie das Verlernen von Lesen von natürlichen Landmarken und Sternenbildern etc. zugunsten von künstlichen Wegweisern. Es wird eine Orientierungsmöglichkeit durch eine vermeidlich fortschrittlichere abgelöst.

Grundsätzlich ist das auch kein Problem. In der Regel sinkt die Lernkurve und die Orientierung ist effizienter und zuverlässiger/ präziser.

Problematisch wird es nur dann, wenn diese neue Möglichkeit wegfällt und wir auf eine andere zurück greifen müssen, die wir nicht erlernt haben.

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@Basti Genau so könnte man das sehen! Aber ich würde, weil ich selbst nochmal nachgedacht habe, im Speziellen das kollektive Verlernen in den Vordergrund rücken wollen. Zwar nehme ich an, dass eine Person durch das stete Nutzen von elektronischen Navigationshilfen sich mehr und mehr auf diese verlässt und analoge Navigation verlernt. Gesamtgesellschaftlich jedoch greift dieser Effekt vielleicht doch signifikanter. Erworbenes Wissen um die (ich bleibe mal bei der Formulierung) analoge Navigation (bspw. durch Wegmarken, Sternbilder etc.) wird durch vereinfachte Navigation mit GPS usw. "verdrängt". Einfach, weil es einfacher und nicht derart aufwendig zu erlernen ist wie das komplexere analoge Navigieren.

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Bei den Bushcraftern gibt es aber Versuche, mit möglichst wenig Technik auszukommen: zum Beispiel üben manche das Feuerbohren.

Der Verzicht auf GPS wird vielleicht bald eine eigenständige Sportart werden. Während die Masse der Bevölkerung immer abhängiger vom GPS wird, kann das gesellschaftliche Wissen über herkömmliche oder natürliche Orientierungsmethoden vielleicht trotzdem gesteigert werden.

Bearbeitet von ALF
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Am 18.1.2016 at 20:06 schrieb harztrekker:

Zuerst wäre zu Fragen wie wir uns zu Orientieren gelernt haben. In unserem Kulturkreis durch Verkehrsschilder, wie Straßenschilder und dergleichen

sehe ich nicht so. die erste orientierung erfolgt wohl nach "landmarken", denn auf dem weg zum kindergarten kann der junge mensch ja noch nicht lesen, was auf den verkehrs- und strassenschildern steht. wobei heutzutage immer öfter die mama den nachwuchs mit dem SUV bis genau vors loch chauffiert.

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@dani tatsächlich eine interessante Frage. Was kam zu erst? Landmarken oder Schilder? Ich stimme dir insofern zu, dass das lesen von Verkehrsschildern eine Kenntnis über deren Bedeutung voraussetzt. Dein Beispiel des Wegs zum Kindergarten verdeutlicht das nochmal und ich kann mir das gut vorstellen. Aber! Verkehrsschilder können in gewisser Weise auch Landmarken sein, oder? Zumal sie genuiner Bestandteil unserer kultürlich geprägten urbanen Umwelt sind.

Generell würde ich mal sagen, dass die visuelle Wahrnehmung unserer Umwelt wohl der Schlüssel zu einer Annäherung zu der eingangs gestellten Frage seien könnte. Die direkte ästhetische Erfahrung von Welt macht Orientierung erst möglich. Auf dem Weg zum Kindergarten sehen wir unsere Umwelt, nehmen sie war und merken uns bspw. "am großen Baum da lang" oder "das gelbe Schild und dann in diese Richtung". 

Diese Art der Annäherung oder Aneignung von Welt entfällt natürlich, wenn Kinder "mit dem SUV bis genau vors loch chauffiert" werden oder zu früh an digitale Angebote der Orientierung (Smartphone, GoogleMaps & Co.) herangeführt werden. Kurzum, digitale Welten verunmöglichen (vermutlich) die ästhetische Annäherung und die Orientierung in der realen Welt.

Das liese sich womöglich auch auf das Erwachsenenalter übertragen. Lassen wir uns von Iphone und GPS überformen entfernen wir uns von einer "natürlichen" Annäherung an unsere Umwelt.

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natürlich sind verkehrsschilder auch landmarken. nur spielts bei analphabethen keine rolle was genau draufsteht.

probleme mit gps, navi etc. gibts eigentlich erst, wenn die dinger mal nicht (mehr) richtig funktionieren. sei das, weil die batterie alle ist oder weil das gps-system vom amerikanischen militär betrieben wird und die aus irgend einem grund nicht mehr wollen, das hänsel und gretel den nachhauseweg finden. oder aber dass die achse des bösen die signale jamt, was zum selben resultat führt, neben einigen flugzeugabstürzen und anderen "collateral damages".

aus dem selben grund wurden z.b. im 2. weltkrieg verkehrsschilder abmontiert, da die lokale bevölkerung ja auch ohne deren hilfe wusste, wos durchging. der von weit her gereiste böse feind aber nicht.

Bearbeitet von dani
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Der böse Feind ist auch ohne Wegweiser weitergekommen. Notfalls hat er halt nach dem Weg gefragt. 

Das erinnert mich daran, dass die Kultur des Nach-dem-Weg-Fragens auch am abnehmen ist. Wenn jeder ein GPS dabei hat, das den Weg zeigt und ein Smartphone, das für Unterhaltung sorgt, braucht man nicht mehr mit den Leuten zu reden.

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nach-dem-weg-fragen ist eine sehr zweischneidige sache, denn sie setzt voraus, dass der angesprochene selbst eine ahnung von orientierung hat und sich nicht einfach auf sein navi verlässt oder falls es sich dabei um einen (ortsfremden) wandersmann handelt, dieser selbst "blind" irgendwelchen wegmarkierungen folgt.

hinzu kommt, dass man in den zeiten des automobils oft lange umwege mit einberechnen muss, da selbst die lokale bevölkerung meist keine ahnung mehr hat, welche fusswege es gibt.

so schon in allen möglichen gegenden erlebt.

Bearbeitet von dani
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@ nats: thanx 4 link on frau fabrikant, alles sehr spannend! - aber bin ich zu blöd oder gips die ganze studie woanders?

 

@ edwin: ja, geht mir ähnlich, aber ich nutze gps auch nur, um auf der karte nachzugucken, wo ich grade bin oder nen punkt fürn abstieg zu finden. gebraucht hab ich das bisher nur in island (loensoeraefi und sonst abseits). ansonsten is mir schlicht das display zu klein, das gerät zu langsam, und die batterie zu schnell leer.

 

ähnliches orientierungsproblem: letzten dienstag mittags in ner bisher unbekannten gegend angekommen, 15 km durch den schnee gelaufen bis zur online für die nacht gebuchten hütte und als "karte" nur die unmittelbare hüttenumgebung aufm neuen dummphone offline abgesafed (bis dahin: "schwarzer weg" bis aufn kamm, dann "blauer weg" und -dummphone- nen guten kilometer hinters dorf. ging prima bis zum "ziel", da wars dunkel und kühle -24° kalt und keine hütte weit und breit. es stellte sich heraus, dass die hüttenbetreiberin ihre hütte online leider um 4 km versetzt markiert hatte, die wir noch durch den wald laufen mussten, ohne spur, aber "weg" erkennbar "immer am bach lang" (der aber eingeschneit war) :-). hätt ich auf die karte geguckt, wär das nicht passiert. immerhin gabs empfang und wir brauchten "nur" vier anrufe bei der betreiberin, bis wir glaubten, wie weit und wo lang wir noch müssen. auf halbem weg gabs dann nochn paar freibier bei netten leuten und von dort aus nen lift mit scooter.

 

 

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Schwere Orientierungsprobleme hatte ich mal bei einem Bahnhof in einem Ort bei Rostock: Alles war irgendwie anders als auf Google Maps. Am Ende einer langen Odyssee stellte sich heraus, dass der Bahnhof vor einiger Zeit versetzt worden war.

Bearbeitet von ALF
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