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Ultraleicht Trekking

lelo

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  1. Gefällt mir!
    lelo reagierte auf Jones in Im Sommer '21 auf dem GR11   
    Die Landschaften wurden immer schroffer, dafür (und gerade deshalb) schöner. Es ging näher Richtung Ordesa Tal. Eins der bekanntesten Highlights in den Pyrenäen und folglich auf dem GR11. Davor galt es jedoch noch die „Autobahn“ hoch zum Tal hinter mir zu lassen. Insgesamt hat der Anstieg 2 – 2 ½ h gedauert. Horden an Menschengruppen auf einer ca. 3-4 Meter breiten „Straße“, welche in Serpentinen durch ein dicht bewachsenes Waldgebiet verläuft. Schön ist was anderes. Nach 1h ging mir das Grüßen auf die Nerven und ich ließ es einfach direkt bleiben. Das Durchqueren des Tals war natürlich spektakulär. Von weitem sah ich das spanische Pärchen und den Holländer bereits den Anstieg machen, Richtung Refugio Goriz. Dort ist es möglich, sein Zelt in der Nähe der Hütte aufzuschlagen, was wir sowie viele weitere Wanderer machten.

    Ordesa Tal & Camp neben Refugio Goriz
    Das Refugio selber bietet sogar freistehende Zelte zum mieten an. Wir gönnten uns ein ordentliches Abendessen. Der Campspot war definitiv einer der spektakulärsten auf der ganzen Route. Wohlgenährt legten wir uns alle in unseren Zelten ab. Am nächsten Morgen sind wir ahnungslos in das benachbarte und mindestens genauso atemberaubende Tal neben Ordesa gewandert. Und zu allem Augenschmaus gabs sogar ein Canyon - Canyó d'Añisclo. Dort flogen Adler auf Augenhöhe und runter ins Tal. Wir wunderten uns noch, dass dieser Ort eher weniger besucht wurde und alle Ordesa stürmten. Naja, ruhiger für uns

    Im nachfolgenden Abschnitt musste ein doch eher steiler Schornstein erklommen werden. Danach folgte eine steile und rutschige Passage. Diesen Teil hätte man auch locker als den „schwersten“ der Route verwechseln können. Danach folgten weitere atemberaubende Ausblicke ins gegenüberliegende Tal. Der Abstieg zum Refugio de Pineta war steil, lang, anstrengend aber spaßig.

    Unsere Gruppe zerstreute sich den darauffolgenden Tag ein wenig – der Holländer zog alleine weiter und ich legte ebenfalls einen Zahn zu. Zwischenzeitlich schloss sich uns noch ein Israeli an. Wir waren uns jedoch sicher, dass wir uns am nächsten Camp wieder treffen würden…
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    lelo reagierte auf fool in (FR) Grande Traversée des Alpes/ GR5 Genfer See -> Mittelmeer 2021   
    Tag 24 - Samstag 14.8.: St Dalmas - Lac de Trecolpas 
    Die Nacht war nicht nur warm, sondern auch laut, wegen Party im Dorf. Entsprechend schlecht hab ich geschlafen. Also nicht die besten Startbedingungen für einen langen Wandertag. Aber nützt ja nix. Der erste Aufstieg steht an. Im Wald höre ich ca. 50m entfernt von mir plötzlich ein lautes Grunzen, dann stürmt eine Horde Wildschweine davon. Blick zurück Richtung Tal: 
    Im weiteren Aufstieg quere ich mehrfach eine Straße - und es stehen überall Camper und Vans in den Haltebuchten.

    Und nicht nur dort ... Hier haben es sich welche gleich auf dem Wanderweg gemütlich gemacht. 
     
    Warm ist es schon wieder. Dann kommt auch schon wieder der Bremer angewetzt. Ein ulkiger Typ irgendwie. Er heißt übrigens Walter, erzählt er mir heute, oder „Voltaire“, wie ihn die Franzosen nennen :-D
    Der Pass des Tages heute heißt Col du Barn.


     Blicke zurück:

    Und voraus...


    Der Abstieg ist zum Glück halbwegs schattig. Es sind eine Menge Auswirkungen eines Sturms aus dem Herbst 2020 zu sehen, der hier einiges verwüstet und zerstört hat. Ganze Berghänge sind runtergerutscht und Brücken wurden zerstört.

    Meine Stimmung sinkt irgendwie, mag daran liegen, dass die Nacht doof war. Oder der Weg gerade recht langweilig, weil entlang der Straße. 
    Ich mache Pause an der Gite d‘ Etape in Le Boreon, das sind ein paar Häuser an gleichnamigem See. Bald treffen auch der Bremer und seine Freunde, wie er immer sie immer nennt, ein Pärchen aus der Schweiz, ein. Sie sind scheinbar jeden Tag in der gleichen Unterkunft und treffen sich dort dann immer.
    Ich gönne mir in der Gite einen Apfelsaft, regionales Produkt, wie es heißt (und sehr lecker), und will ein paar Wegnews erfragen. Wegen des Sturms sind nämlich einige Teile des Weges gesperrt und es gibt Umleitungen, allerdings ist nicht immer ganz klar, wann und wo. 
    Mein Ziel des Tages heißt Lac de Trecolpas. Der Herr an der Gite bestätigt mir, dass ich eine Umgehung nehmen muss und nach einer Stunde Pause und nem halben Liter Apfelsaft ist auch meine Laune wieder ganz ausgezeichnet. 
    Auf dem Weg häufen sich dann auch noch Hinweise auf Käseverkauf ganz in der Nähe - das muss ich mir natürlich genauer ansehen.

    Tatsächlich, direkt von einer kleinen Käserei wird hier verkauft- ich nehme natürlich was mit. Es folgen die letzten zwei Stunden Aufstieg, die Tagestouristen kommen gerade alle vom Berg runter, also ist wieder mal Bonjour-Marathon angesagt.
    Es scheint nett da oben.

    Es stellt sich heraus, nett ist stark untertrieben. Es ist traumhaft schön!!

     
    Es sind einige Leute da, viele scheinen einfach den Tag am See zu verbringen und abends dann einfach da zu zelten (auch hier ist das Biwakieren nur von 19-9h erlaubt). Ich finde einen Platz mit super Blick auf den See und chille noch die Zeit bis 19h. Dann geht es ans aufbauen, kochen, essen und bald auch schon schlafen. 

     
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    lelo reagierte auf Jäger in Arizona Trail 2019 - Desert Diaries Teil 1   
    Patagonia – Mexico (82km)
    Nach einer schlaflosen Nacht am Wegesrand einer hochfrequentierten Landstraße ging es weiter gen Süden. Der Schlafmangel verflog schnell und wurde durch Euphorie ersetzt. Nur noch 80 Kilometer bis zum südlichen Terminus. Die Stimmung wurde lediglich durch den wohl schlechtesten Resupply des gesamten Trips runtergezogen. Ich hatte eine Tüte Fritos, zirka 40 Nature Valley Bars in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und ein Bier, das für mein Eintreffen am Terminus gedacht war, mit dabei(Spoiler: Es hat es nicht zur Grenze geschafft).
    Hot Sauce war an diesem Morgen ausnahmsweise etwas flinker unterwegs als ich und wurde prompt mit einer Schwarzbärensichtung belohnt von der sie mir stolz erzählte, als ich sie eingeholt hatte. Wir verbrachten den Rest des Tages miteinander und ließen die letzten Wochen Revue passieren. Der erste Tag endete relativ schnell und wir campten ein letztes Mal gemeinsam.
    Am nächsten Tag wartete der letzte bzw. für NOBOS erste Berg des Trail auf mich: Miller Peak. Der Aufstieg auf den verlief extrem geschmeidig und ich preschte die Serpentinen in windeseile hoch. Als ich an der Gabelung ankam, die zum Gipfel abzweigte, hinterließ ich eine Notiz für Hot Sauce und begann die letzten Höhenmeter abzuarbeiten. Als ich am Gipfel ankam, staunte ich nicht schlecht. Man hatte eine hervorragende Aussicht in alle Himmelsrichtungen. Natürlich galt meine volle Aufmerksamkeit zunächst der Landschaft, die sich im Süden meines Blickfeldes auftat. Nach fast sechs Wochen konnte ich zum ersten Mal sehen, wo meine Reise letztendlich ihr Ende nehmen würde. Ich genoss die Einsamkeit, das Rauschen des Windes und das Geräusch vom abrutschenden Schotter, den die Bergziegen beim herumtollen auf dem Hang in Bewegung setzten, während ich den Sonnenuntergang beobachtete. Noch nie hatte ich so viele und atemberaubende Sonnenuntergänge gewesen wie auf dem Arizona Trail, aber der letzte überragte die vorherigen um ein Vielfaches. Nachdem der rote Feuerball allmählich hinter dem Horizont verschwand, fing ich an abzusteigen. Ich wanderte noch eine gute Stunde bis ich eine hervorragende Stelle zum Zelten fand und wurde mit einem aufsteigenden Mond belohnt, der die Grenzstadt Sierra Vista in einem gespenstischen Weiß erhellte. Ich fing an mein Lager aufzubauen und musste beim Ausräumen meines Rucksacks leider feststellen, dass mein Bier ausgelaufen war und nun in meiner Foodbag vor sich hin schwappte. In echter Thruhiker-Manier setzte ich also meinen Mund am Rand meiner Foodbag an und ließ das lauwarme IPA in meinen Schlund laufen, bevor ich mich schlafen legte.
     Blick nach Mexiko





    Ich wachte vor Sonnenaufgang auf, da ich gehört hatte, dass der Terminus besonders schön sei, wenn man ihm im Morgengrauen erreicht. Ich begann mein Zelt abzubauen als mich plötzlich ein grelles Licht blendete. Plötzlich standen zwei dunkle Gestalten vor, die sich als Thruhiker entpuppten. Sie waren einige Tage nach mir gestartet und waren mir die letzten Tage über immer dicht auf den Fersen gewesen. Gemeinsam begannen wir mit dem finalen Abstieg Richtung Grenze. Nach einer Stunde erreichten wir den Terminus, der hinter einem Drahtzaun, der die Grenze markierte, hervorragte. Nachdem wir einige Minuten die von der Morgensonne besonders gekonnt in Szene gesetzte Landschaft genossen hatten, sprangen wir nacheinander auf die andere Seite des Zauns, um ein paar Erinnerungsfotos zu schießen. Leider hatte ich mich bezüglich des letzten Abstiegs zu früh gefreut, da wir nochmal 40 Minuten bergauf zum Montezuma Pass laufen mussten, wo ein alter Bekannter auf uns wartete, der uns nach Tucson fahren würde.


    Die nächsten Tage verbrachte ich bei einem Trailangel in Tucson, die ein Bungalow und einen ausrangierten AirStream-Wohnwagen für Hiker als Unterkunft in ihrem Garten hatte. Hot Sauce kam einen Tag nach mir an und hatte keinen geringeren im Schlepptau als Youtube-Darwin, der gerade an einem Film über den Arizona Trail arbeitete (mittlerweile erschienen und sehr empfehlenswert: Through The Great Southwest). 
    Rückblickend hat mich dieser Trail bis heute sehr geprägt. Die Wüste ist nach wie vor meine Lieblingslandschaft zum Wandern, der Hayduke steht ganz oben auf meiner Wishlist. Ich misse die farbenfrohen Sonnenuntergänge, das Zirpen von Grillen am Abend, den Geruch von Wachholder, die stockdunklen Nächte samt strahlendem Sternenhimmel und das Gefühl von Einsamkeit, Abgeschiedenheit, Wildnis und Abenteuer. Ich denke noch oft an die sorgenlosen Tagen auf dem Trail zurück und habe immer noch Kontakt mit vielen meiner damaligen Kumpanen. Jederzeit würde ich es erneut wagen.
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    lelo hat eine Reaktion von berghutze erhalten in Der „Kurze Frage, kurze Antwort“-Thread   
    @berghutze Ich mag die Lippenpflege von Blistex am liebsten, die hat Sonnenschutzfaktor 15. https://www.dm.de/blistex-lippenpflege-intensive-care-lippenbalsam-p4008455036717.html
    Wird bei hohen Temperaturen auch flüssiger bzw. fester bei Kälte, ist aber von vornherein ein Balsam, von daher nicht so ein großer Unterschied wie beim Fettstift, und hat außerdem einen Schraubdeckel. Ich find's sehr angenehm.
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    lelo reagierte auf berghutze in Wien - Nizza. In 78 Tagen durch die Alpen.   
    Tag 76 (29.08.) Sant'Anna di Vinadio bis Saint-Dalmas, 34 km
    Nachts war es ordentlich kalt und die Wetterseite meines Zeltes am nächsten Morgen gefroren. Aber dieses Mal war ich vorbereitet und war mit allen meinen Klamotten direkt nach dem Abendessen in den Schlafsack gekrochen, so dass es nachts kuschelig warm war. Morgens stieg ich die letzten Höhenmeter in Italien auf und sah dabei nochmal eine große Herde Gemsen (die natürlich vor mir flüchtete). In der Morgensonne ging es dann weiter über einen Bergrücken, an dem die Grenze zwischen Italien und Frankreich verläuft, zum Col de la Lombarde, wo ich die Grenze überquerte. An einem Imbisswagen kaufte ich einen Kaffee und wünschte mir sofort die italienischen Preise zurück. Dafür war der Internet-Empfang in Frankreich fantastisch.

    Da ich ein paar Serpentinen zu viel abgekürzt hatte, lief ich versehentlich in den Skiort (Isola 2000) hinunter, statt oberhalb am Hang zu queren – aber zum Zurücklaufen war ich zu faul. Über den Col Mercière ging es dann in den Mercantour-Nationalpark. Dort musste ich feststellen, dass es auch in Frankreich Bunker gibt.

    Der Weg durch den Mercantour-Nationalpark war ziemlich einfach, entlang von Forstwegen, aber schön.

    Etwas unterhalb des Col de Salèse stieß ich dann auf den GR 52, dem ich bis Saint-Dalmas de Valdeblore folgte (Achtung, Saint-Dalmas gibt es mehrere, das hat gelegentlich für Verwirrung gesorgt). Der Abstieg vom Col du Barn (2.452 m) bis nach Saint-Dalmas zog sich mal wieder ziemlich und eine Sicht war für mich leider nicht im Angebot, da mittags ziemlich dunkle Wolken aufgezogen waren. Ich kam in der Gîte d'Etappe in Saint-Dalmas unter. Die dortige Wirtin war die erste und einzige, die sich traute, ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck zu bringen, wie viel ich essen konnte (dürfte daran gelegen haben, dass ich ihr gesagt habe, sie solle die Schüsseln, in denen das Essen für alle auf den Tisch gestellt wurde, nicht abräumen – ich würde das alles aufessen).
     
    Tag 77 (30.08.) Saint-Dalmas bis Levens, 39 km
    An Tag 77 legte ich eine ordentliche Strecke entlang des GR 5 zurück (ich hätte ja gerne endlich mal die 40 km voll gemacht, aber irgendwie passte es von der Etappen-Aufteilung her nie), bis Nizza waren es nur noch 23 km. Das Wetter war auch nochmal toll. Morgens ging es den letzten größeren (mit 700 hm allerdings nicht wirklich ernst zu nehmenden) Aufstieg auf den Col des deux Caires hoch. Von dort konnte ich zwar das Meer und den Horizont nicht sehen, dazu war es zu diesig, aber Nizza und die Küstenlinie. Ich war also tatsächlich durch die Alpen gelaufen, bis die Berge zu Ende sind.
    Danach kommen keine Berge mehr...

    Naja, also fast. Noch war ich ja nicht angekommen. Und dann war tatsächlich der GR 5, der eigentlich den Hang nach dem Pass queren sollte wegen eines Erdrutschs gesperrt. Ich wollte dann auf den Weg über den Gipfel ausweichen, kam aber auch dort relativ bald an ein "interdit"-Schild. Da auf der Karte kein anderer naheliegender Weg ersichtlich war, hoffte ich inständig, dass der Weg wegen der zwei Erdrutsche, die ich sehen konnte, gesperrt war und nicht wegen eines auf der anderen Hangseite liegenden, unüberwindbaren Hindernisses und entschied mich, die Erdrutsche zu umgehen bzw zu queren, was gut (und m.E. gefahrlos) möglich war. Und so näherte ich mich Nizza weiter an.
    Ich lief stundenlang durch Wald und begegnete den ganzen Tag keinem einzigen anderen Wanderer. Unterwegs sah ich nur einen Esel und ein Eichhörnchen.

    Landschaftlich gefiel mir insbesondere das Wegstück bei der Brec de l'Utelle und dem Tête de l'Esandolier. Sonst fand ich vor allem interessant, wie sich die Wegführung von der gta unterschied. Während es auf der gta eigentlich immer nur hoch oder runter über Pässe oder Bergrücken ging, führte der GR 5 meistens um die Berge herum.



    Nur ganz zum Schluss musste ich leider noch die Vésubie überqueren. Da half alles nichts. Es ging auf 185 m runter und auf der anderen Seite wieder ein Stück hoch nach Levens. Im Supermarkt von Levens drehte ich ein bisschen durch und kaufte für eine halbe Kompanie ein und danach kam ich auch noch an einem sehr leckeren Bäcker vorbei – aber es kam alles weg.
     
    Tag 78 (31.08.) Levens bis Nizza, 23 km
    Sie haben ihr Ziel erreicht!
    Was soll ich zu diesem Tag sagen, außer: Ich bin angekommen. Ich bin kein sehr emotionaler Mensch und weder der erste Blick aufs Meer, noch der erste Schritt nach Nizza rein, haute mich um. Aber bei der Überquerung der Promenade des Anglais, bei der das Meer nun wirklich nur noch wenige Schritte entfernt war und türkisblau vor mir schimmerte, war ich doch ziemlich ergriffen.

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    lelo hat eine Reaktion von berghutze erhalten in Wien - Nizza. In 78 Tagen durch die Alpen.   
    Bei dem Bild, wo im Nebel die bedrohliche Kuh hinterm Fels auftaucht, habe ich laut gelacht. Sehr schöner Bericht, vielen Dank dafür!
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    lelo reagierte auf berghutze in Wien - Nizza. In 78 Tagen durch die Alpen.   
    Tag 52 (05.08.) Villadossola bis Bivacco Pian del Lago, 26 km (3.000 hm auf)
    Wandertechnisch ist der Tag schnell zusammengefasst: Ich stieg aus Villadossola zur Alpe della Colma auf und stieß dort auf die gta. Dann ging es direkt wieder ins Tal (beim Abstieg sammelte ich irgendwo zwei Zecken ein, die ich aber zum Glück gleich ertappte – eine sogar noch, bevor sie sich in mein Bein gebohrt hatte) und es folgte der nächste Aufstieg, erst gemütlich entlang eines Flusses/einer Schlucht, dann ordentlich steil durch den Wald den Berg hoch. Die eigentliche Sensation war aber: Ich hatte schönes Wetter! Den ganzen Tag! Beim Aufstieg aus Villadossola konnte ich sogar Teile des Monte Rosa Massivs sehen!


    Da ich mir nach dem Wetter der letzten Tage vorgenommen hatte, bei schönem Wetter so viel zu laufen, wie ich nur konnte, kam ich auf 9 bis 10 Stunden reine Gehzeit. Der Ertrag waren zwar nur 26 km, aber um die 3.000 hm Aufstieg. An einer ersten Selbstversorgerhütte (Alpe del Lago) machte ich eine kurze Pause. Dort traf ich, wie ich später feststellen konnte, @sja .

    Da ich allerdings dachte, dass ich es auch noch gut zur nächsten Hütte schaffe, lief ich weiter über den nächsten (namenlosen) Pass zum Bivacco Pian del Lago, in dem ich dann übernachtete. Die Alpenröschen waren zwischenzeitlich leider alle verblüht, aber am Wegesrand fanden sich Unmengen von Heidelbeeren, die inzwischen reif waren.
     
    Tag 53 (06.08.) Bivacco Pian del Lago bis Rifugio Alpe Baranca, 23 km
    Tag 53 startete ebenfalls mit blauem Himmel und Sonnenschein. Da ich morgens aber durch ziemlich hohes und feuchtes Gebüsch musste, holte ich mir trotzdem erstmal nasse Füße. Dann traf ich auf die zweite Aggro-Kuh auf meiner Wanderung. Obwohl ich nicht mal über die Weide lief, auf der die Kühe gerade grasten, machte sich dieses Mistvieh die Mühe, auf die gta abzusteigen und mich zu verfolgen. Und selbst als ich zum nächsten Pass (Colle dell´Usciolo, 2.037 m) aufstieg, kam mir dieses blöde Vieh hinterher. Zum Glück blieb sie immer wieder stehen, so dass immer ein gewisser Abstand zwischen uns bestand. Denn so schwer es mir fällt, das einzuräumen: ich habe zwar bestimmt die größere Ausdauer, aber die Kuh hat im Zweifel die höhere Beschleunigung. Die Kuh gab sich aber nicht damit zufrieden, zu schauen, dass ich auch wirklich weitergehe, sondern verfolgte mich am Schluss bis über den Pass - wo die nächste Kuhherde weidete. Diese Kühe brachten mir zum Glück maximales Desinteresse entgegen. Als ich sah, dass diese dämliche Kuh mir auch noch über den Pass folgte, wurde mir die Sache allmählich unheimlich und ich fing an, den Berg herunterzurennen. Zum Glück blieb die Kuh dann irgendwann oberhalb der anderen Herde stehen. Keine Ahnung, was mit diesem Vieh los war.
    In Ruhe stieg ich dann Richtung Campello Monti ab und es ging weiter über den nächsten Pass (Bocchetta di Campello, 1.924 m), an Rimella vorbei, ein Stück an der Straße entlang und schließlich zur Alpe Baranca. Die Landschaft war nett, aber nicht spektakulär, viel grün, viele Bäume. Gegen Mittag zogen leider schon wieder Wolken auf und spätestens abends war klar, dass das gute Wetter dann auch wieder vorbei ist. Auf der Alpe Baranca übernachtete ich mit drei Camino-Wanderern, denen die Idee der gta gut gefallen hatte – von denen aber mindestens einer nicht so recht gewusst hatte, worauf er sich da einlässt. Selbstkritisch räumte er ein, dass ihm Kraft, Ausdauer und Trittsicherheit fehlen und sah den nächsten Etappen mit Schrecken entgegen. Das Essen auf der Alpe war übrigens sehr gut, es wurde einfach alles in großen Töpfen auf den Tisch gestellt und war lecker und reichlich.

     
    Tag 54 (07.08.) Rifugio Alpe Baranca bis Rima, 18 km
    Morgens lief ich in dichtem Nebel los, der die Wegfindung auf zertrampelten Kuhweiden doch etwas erschwerte. Aber immerhin waren die Temperaturen angenehm zum wandern, es war nicht schwül und es regnete nicht (man lernt ja mit der Zeit seine Ansprüche herunterzuschrauben...).

    Über den Colle d´Egua (2.239 m) und nach Carcoforo schaffte ich es noch trocken.
    Von hier haben Sie die beste Aussicht auf alle neun Gipfel des Monte Rosa Massivs (sagt der Rother Wanderführer).

    Blick zurück nach Carcoforo

    Ich traf auf zahlreiche weitere gta-Wanderer, die teilweise aber auch nur faul auf dem Weg herumlagen.


    Kurz vor dem nächsten Pass, dem Colle di Termo (2.351 m), holte mich der Regen dann leider ein. Immerhin regnete es aber nicht stark und auch nicht durchgehend. In unendlich vielen Serpentinen, die im Nebel nicht zu enden schienen, stieg ich nach Rima ab. Dort beendete ich den Tag und trocknete alle meine nassen Sachen.
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    lelo reagierte auf ChristianS in Impressionen von Touren   
    Sonnige Grüße ins herbstliche Deutschland!
    Tour auf den Pico de la Zarza, 807m, Fuerteventura. 









    Einfach der absolute Wahnsinn, was für eine Aussicht...
  9. Witzig!
    lelo reagierte auf Kay in Was war die unnötigste Ausrüstung, die ihr je dabei hattet?   
    Ich habe einen Fön 20 Tage durch Nordschweden geschleppt. Schwarzer Fön, schwarzer Rucksackboden. Fiel mir erst auf, als ich wieder Zuhause war. Hatte den wohl nach der vorigen Citytour im Rucksack übersehen und nicht verräumt. 
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    lelo reagierte auf Lignius in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    Ja das Gewinde ist nicht 100% identisch mit dem Standard Sawyer Gewinde, aber es ist kein Problem den Filter aufzuschrauben und hält auch problemlos dicht. Ich habe aber nen Sawyer Micro, selbst unter den Sawyer Filtern gibt es wohl leichte Unterschiede in den Gewinden. Es gibt von CNOC da ne längere Erklärung zu: 
    https://cnocoutdoors.com/blogs/blog/lets-talk-about-threads
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    lelo reagierte auf Barbarix in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    Ich habe zerquetschte Flaschen wieder entknüllt, indem ich sie soweit wie möglich mit Wasser gefüllt habe und geknetet habe. Danach wieder Wasser nachfüllen und wieder kneten usw... 
    Ist natürlich lästig, aber als Notlösung evtl. hilfreich.
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    lelo reagierte auf cafeconleche in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    +1,
    als ich mir den Squeeze gekauft hatte, war im Lieferumfang ein blauer Adapterring dabei. Dann kann man sowohl oben als auch unten eine Platypus-Flasche dranschrauben und die Schwerkraft arbeiten lassen. Als untere, also saubere Flasche kann man auch eine nur ungefähr passende PET-Flasche nehmen, die auch nur locker aufgeschraubt werden darf, damit die Luft entweichen kann (sonst läuft das Wasser nicht). Das sieht dann so aus:

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    lelo reagierte auf Lignius in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    Ich hatte hier mal eine Menge an Flaschen verglichen, da gibts auch von einigen anderen Meinungen dazu welche Flaschen sich zum quetschen eignen. Ich persönlich schaue das die Flaschen nicht von dem Typ sind der knistert beim drücken sondern die etwas festeren. Dann faltet sich die Flasche auch von selbst wieder auf. Ich in persönlich aber auch bei Platypus Faltflaschen gelandet, die muss man nicht zwischendurch belüften.
     
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    lelo reagierte auf BitPoet in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    @fatrattrifft den Nagel auf den Kopf. Größere Mengen filtere ich immer mit Faltflasche bzw. stabiler Blase (bei mir die erwähnte CNOC, ich liebe es wie leicht sich die befüllen lässt). Je nach Tour lässt sich auch am Camp per Schwerkraft filtern, dann muss man gar nicht quetschen. Hier z.B. hängt die CNOC in passender Höhe, so dass die 0.5L-Flaschen direkt drunter stehen bleiben:

    Beim Sawyer Micro ist ein Rückspül-Adapter mit identischem Innengewinde wie auf der Schmutzwasserseite dabei, so dass sich die Flasche (oder Trinkblase) mit dem sauberen Wasser auch fest verbinden lässt (den Adapter hatte ich aber natürlich daheim vergessen).
    Wie @Marsschreibt, gibt es diverse Flaschengewinde, und sogar innerhalb einer Supermarktkette oder Marke kann da ein Teil der Flaschen passen, der andere nicht. Eine Marke kann auch regional unterschiedliche Flaschen verwenden. Also immer testen. Mit der Zeit entwickelt man auch ein Auge dafür.
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    lelo reagierte auf Mars in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    Es gibt eine ganze Menge Flaschen, die nicht das "Standart" Gewinde haben (da passt der Sawyer drauf). Bei einigen offensichtlich, z.b. Gatorade, anderen weniger. Beispiel Evian: Das Gewinde ist ein Tick zu breit.
    Ist zwar nicht orthodox UL, aber CNOC produziert mit dem Vecto einen Wasserbehälter mit Standart Gewinde unten und sehr grosser Falt-Öffnung oben. Wenig verwunderlich ist das Teil ein Must-have auf YT Gearvideos geworden, damit kann man Wasser durch den Sawyer Filter pressen, ohne dass man mit lästigen Geräuschen das halbe Camp weckt. Quasi eine Luxusvariante der Evernew, dieser fehlt die grosse Öffnung. Nachteil: Das Material ist porös, d.h. der Wasserbehälter sieht innert Kürze ziemlich muffelig aus. Dafür kann man ihn aber gut auswaschen, in Ländern ohne PET Recycling sicher besser für das LNT Karma.  
    Es gibt sogar eine Variante von CNOC für den BeFree, dieser soll eine wesentlich bessere Durchlaufleistung haben als Sawyer, bauart bedingt kann man ihn aber nicht mit Druck ausspülen. Katadyn sagt, er gehe kaput, wenn man da mit Druck arbeitet. Wenn er sich zugesetzt hat, ist daher Feierabend.    
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    lelo reagierte auf fatrat in Beste Flaschen für den Sawyer Squeeze   
    Wäre nicht so was wie die Evernew Water Carrier Faltflasche dafür besser geeignet auf Dauer? Zudem platzsparender wenn leer.
    https://evernew-global.com/products/waterstorage/index.html
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    lelo reagierte auf Jones in Fernwander-Spendenlauf für Sea-Eye   
    Hello! 
    Hab mich bisher sehr gedeckt gehalten damit, aber in nich mehr als 2 Tagen gehts für mich aufm Nord-Süd-Trail los. Unten, Richtung Österreich, hab ich die Route etwas abgewandelt und laufe auf "Min Weag" weiter Richtung Lechtaler Höhenweg...wenn denn alles so hinaut. An dieser Stelle wollt ich mich auch nochmal bei @Soulboyfür seine ganze Mühe bedanken. Geile Sache, ich freu mich sau drauf!
    Ich hab mir gedacht, dass ich mein Gelaufe auch mit ner Spende koppeln kann, daher auch nun der Spendenlauf. Würd mich natürlich freuen, wenn die/der ein/e oder andere etwas beisteuert! Hier der betterplace.org Link: 
    https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/37884-2000-kilometer-spendenlauf-fuer-sea-eye?utm_campaign=user_share&utm_medium=fepp_sticky&utm_source=Link Ansonsten überlass' ich ab jetzt alles meiner Intuition und dem Zufall - natürlich nich die Nahrungsaufnahme. Vielleicht treffen wir uns ja auch irgendwann & irgendwo Bin grad echt hippelig vor Vorfreude!!!
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    lelo reagierte auf effwee in Eingentlich eine Taunusdurchquerung... 157 km von Gießen nach Lorchhausen   
    Anm. Den Trail bin ich letzte Jahr im Oktober gelaufen...demnach mag es etwas irritierend wirken und das schmuddelhafte Wetter schafft vllt noch schlimmer erinnerungen an jene Zeit die mit den Neuentagen derr letzten Tage überwunden scheint - also disclaimer: Wer keinen Bock auf Nieselregen, Nebel, Kalt und so wetter hat...nicht lesen
    allen anderen viel Spass!
     
    „Aller Anfang ist schwer...“ oder „Viele Wege führen zum Ziel...“ oder einfach nur ein Schulter zucken und ein weglächelndes „Isso“, vielleicht eine Mischung aus allen dreien wären sicherlich adäquat gewesen... wenn ich cool gewesen wäre. Stattdessen tippte und scrollte und wischte ich hektisch auf dem Händy rum, dachte „scheiße“, „what the fuck“, „echt jetzt...?“ in variablen Reihenfolgen und sah mich rastlos auf dem Bahnhofsvorplatz um. Dachte daran, dass ich nun für so einen Blödsinn meine kostbare Akkulaufzeit verplempere, blickte mich wieder hektisch um. „Ah gerade aus, da vorne links...“. Mantra „Alles wird gut“. „Isso“. Dreimal tief durchatmen. „Ja ja, aller Anfang ist schwer, viele Wege führen zum Ziel...“ ein Lächeln, Schulterzucken, „Isso, dann biste halt länger unterwegs, musste schneller laufen...“. Ungefähr so sah es aus als aus der Taunusdurchquerung von Butzbach nach Lorch, eine Taunus-Wetterau-Tour von Gießen nach Lorchhausen wurde. Ein paar Kilometer mehr eben. „Isso“, Schulterzucken. Diesmal ein Lachen und Kopfschütteln.
    Ich starte morgens in Frankfurt und da meine Planung bei regionalen Strecken nie bestimmte Zugverbindungen anvisieren, sondern ich das ganz spontan entscheide, wie und welche ich mir zu meinem Ziel wähle, hat das Bahnroulette für mich entschieden. S-Bahn nach Friedberg und da in den Regio nach Butzbach. Schnellste Verbindung. Oder Warten, eine Stunde Frankfurt West. Entscheidung gefallen. In Friedberg umsteigen. Sollte nicht so schwer sein. Kann es aber. Also steige ich in den nächsten einrollenden Zug, der laut Anzeige, Fahrbahncheck, Durchsage – hmmmja, da fängt es schon an, der kongenial von Lars Eidinger gelesene mindestens genau so kongeniale Rohstoff von Jörg Fauser auf den Ohren, bin ich mir gar nicht so sicher ob ich die Durchsage wirklich gehört habe oder sie nur zur Kenntnis genommen habe – und aber das Zugschild geben mir Recht... der Zug fährt nach Gießen, meine geographischen Kenntnisse schlagen kurz die hessische Landkarte auf und nicken ab von Friedberg aus liegt Butzbach irgendwo dahinten, Richtung Gießen ist dieses Dahinten und auf halber Strecke muss ich raus. Das passt. 10 Minuten sagt der Fahrplan.
    Die 10 Minuten fühlten sich nach 20 Minuten sehr lange an, obgleich ich mir bei der Durchfahrt durch Langöns nichts dachte, als jedoch die Durchsage kam, nächster Halt Gießen. Wurde ich hektisch. Eben jene Hektik, die einerseits der Fehleranalyse geschuldet war, der Schuldabwehr wer nun für dieses Fehler verantwortlich war, sowie die Frage was dies nun für meine Tour bedeuten würde...
    Um es kurz zu machen: Meine Schuld. Ich bin in den falschen Zug gestiegen – das Eingeständnis hat mir gereicht, so habe ich die Frage wie dies geschehen ist nicht weiterverfolgt worden. Und ich laufe einfach von Gießen nach Butzbach. Das sind pie mal Daumen 10-15 Kilometer. Das verriet mir ein kurzer Blick auf die Karte – als ob just jene Pie-Mal-Daumen-Geographie nicht heute schonmal versagt hat, genügt mir das Wissen um erheitert durch Gießen zu laufen auf der Suche nach dem kürzesten Weg raus. Mein Notfallplan sieht vor, kürzester Weg gen Limeserlebnispfad, dieser soll mich nach Butzbach führen. Wie weit? Keine Ahnung. Ich werde es sehen. Ich visiere den Limespfad bei Pohlheim an.

    Die Uni Gießen – zumindest die geisteswissenschaftlichen Fakultäten - sind an den Waldrand gebaut, kaum habe ich den Campus verlassen stehe ich auch schon in etwas was den Charme von Stadtforst ausstrahlt, die geraden Schotterpisten sind bevölkert von Sporttreibenden und Spaziergehenden. Autobahn, Trimm-Dich-Pfad, Stromtrasse. Es wird ruhiger mit jedem Schritt den ich das Suburbia hinter mir lassen. Die Sonne scheint. Wolken jagen über den Himmel, der Wind ist frisch. Die Blätter rauschen. Wolken bäumen sich spektakulär in den Himmel. Weiß, Grau, Dunkel. Vom Wind zerstoben verteilen sie sich über die Fläche der weiten geschwungenen Hügellandschaft der Wetterau. Goldenen Lichtflecken werden über die Äcker, Streuobstwiesen und Felder geschoben. Bleigrau hängt der Himmel in der einen Ecke über Wäldern, in gleißendes Licht getaucht. Platzregen. Sonnenschein. Frogg Toggs raus. Frogg Toggs aus. Schurgerade Asphaltwege und ein breiter Horizont auf dem sich all das gleichzeitig abspielt. Es ist wahnsinnig schön. Und es ist genau nur deshalb schön – ansonsten überzeugt mich intensiv landwirtschaftliche genutzte Wetterau landschaftlich nicht immer. Diesmal ist das Gesamtensemble stimmig. Der Wind drückt mir eine frische Böe Regen ins Gesicht. Meine Hände sind kalt. Keine Handschuhe dabei. Stören eh beim Fotographieren. Ich habe sonst keine Probleme.

    Ich habe nach etwa 10 Kilometern mein erstes Ziel erreicht. Den Weg der mich nach Butzbach führen soll. Ein Radwanderwegschild informiert mich, dass es bis Butzbach noch 15 Km sind. „WTF?! 15!?“. Okay, das ist ein dreiviertel Tag. Zeitlich kein Problem. Meine Wasserplanung ist aber nicht darauf ausgelegt. Naja. Speicher sind noch voll und die Flasche auch. Um Butzbach herum werde ich was finden. Inshallah. Es folgen ein paar Minuten Ärgernis über mich und meine Verpeiltheit, bis.... „ooooh Kühe...“ Ich mag ja diese flauschihgen Pelzknäule auf Weiden. Sie sind für mich ein guter Indikator ob ich auf dem Trail angekommen bin: Immer wenn ich anfange mit ihnen zu reden, dann weiß ich dass ich genau das richtige entspannende Maß an Trail-Zen und -Stupidity erreicht habe die mich entspannt. Ich schaue sie nur an, inszeniere sie als netten, unscharfen Hintergrund für mein erstes Trailsign-Foto...“Macht's gut Ladies“ murmel ich dann doch und gehe...

    Ich überschlage das ich gegen 1-2 Stunden vor dunkel werden in in Butzbach bin, was mir genug Zeit gibt im Butzbacher Hinterland einen Pennplatz zu suchen. Passt alles dann doch irgendwie.
    Der Weg führt mich über Felder, Wald und Waldränder auf gerader Linie durch den Dicke Wald. Der Limes ist hier ein gerader Strich – der Weg folgt Bodendenkmal genauso gerade, einizig unterbrochen durch viermal Abbiegen um eine Bahnstrecke zu überqueren – aber damit bin ich schon fast bei Butzbach. „Yes!“ Dicke Traktoren drehen ihre Runden auf den brauen Äckern, Krähen kreisen, trockene Eicheln krachen unter meinen Schritten. Der Himmel schiebt sich wieder bleigrau zusammen, zieht eine akkurate Linie, ist Wolkenlos und Blau strahlend. Die Sonne tüncht die Wiesen in ein noch kräftigeres Goldgelb, dass gegen den dunklen Himmel sich irreal leuchtend sich abhebt. Wow!

    Hier und da eine Streuobstwiese. Birnen. Äpfel, Zwetschgen, Erstere hängen prall und saftig an den Bäumen. Letztere umweht der süßliche Geruch von vergorenem und die letzten Wespen und Hornissen der Saison krabbeln träge gammelnden Fallobst. Der letzte Drink vor dem Feierabend. Diese Streuobstwiese jedoch, voller Birnen. Gute Luise. Zwei finden direkt den Weg in mich. Süß und Saftig. Frisch und kalt. Ein Traum. Zwei weitere packe ich als Wegzehrung ein. Zwischen den Hügeln kündigen große Lagerhallen und erste Häuser Butzbach an.

    Deutsche Neubaugebiete sind meines Erachtens in ihrer eigentümlichen Trostlosigkeit an nur wenig zu überbieten. Große bunte Plastikspielgeräte der Provinienz Fisher Price oder ihr hölzerner Baumarktpendant künden von Familienglück, ebenso wie der gemauerte Grill steoretype Rollenbilder vermuten lässt. Frisch gemulchte Beete konkurrieren mit der Muffigkeit des Ensembles. Gebrochen oder besser vielleicht, ergänzt wird das Bild von jenen halbfertigen Rohputz-Kleinfamilien-Träumen, in denen sich unter dem improvisierten Carport Familienräder und Baumateriealien stapeln, die Terrassen-Lounge-Garnitur „Miami“ im trendige schiefergrau unter einer Olivgrünen Baumarktplane verschwunden,sommerlich-sonntägliches Urlaubsfeeling suggeriert, im Sand- und Kieshaufen das Schaufel und Eimerset von Bob der Baumeister neben dem Betonmischer vor Boels verloren wirkt und die Abraum- und Schuttberge mit erstem Distel- und Brennnesselbewuchs vom Ende der Gartensaison künden, noch bevor diese überhaupt angefangen hat. Ich schaue in das blaue Flackern jener Wohnzimmer, die sich noch nicht gegen die nahenden Dunkelheit oder den argwöhnischen Blicken von Hikertrash verschlossen haben und erfreue mich an dem mannigfalten nassen Rauschen des regenfeuchten Waldes, der mich zu meiner rechten begleitet und mich recht bald gänzlich umfängt. Sauge die tiefe modrig, feuchte Luft des Waldbodens ein. Immer noch kein Wasser. Noch nicht einmal ein Pfütze. Ironie des Schicksals. Ich begegne vereinzelten Spätspaziergehenden, die mit Hund oder verschränkten Armen durch den Wald flanieren, ab und an eine Gruppe Nordic Walkerinnen älteren Kalibers. Ich bin froh als der Weg noch zwei, drei Mal abbiegt und ich wieder alleine bin.

    Die Karte zeigt mir an das ich wenige Kilometer Wald zwischen mir und der nächsten Ortschaft Namens Hausen ist, dahinter ist auch noch mal etwas Wald und dann kommt sehr lange nichts waldiges mehr – in der Wetteraus heißt dies meist, Felder, Äcker, Streuobstwiesen. Nicht stealth-freundlich. Mein Uhr zeigt mir an dass ich das nächste Waldstück erst nach Dunkelheit erreichen würde. Also irgendwo um Hausen herum, soll mein Nachtlager sein. Zuerst finde ich aber einen Bachlauf, der mein Wasserproblem löst und meinen Brand löscht. Der Pennplatz ergibt sich kurz nach Hausen in einem dichten Buchenunterholz hinter einer Wanderhütte an einem festzeltgroßen Parkplatz. Mein inneres Landkind erinnert sich an den Geruch aus Frittenfett, Wein, Rauch und vielen Menschen, an ihre betrunkenen Kakophonie gegen die tapfer der Alleinunterhalter mit Keyboard und Potpourri anzuspielen versucht, die Nazis stehen vor dem Zelt und trinken Bier und wir Kinder kriechen unter den Bierbänken um her und Sammeln Weingläser für den Pfand – 50 Pfennig. Die tauschen wir gegen labberige Pommes, Süßigkeiten oder Nägel um sie in den Holzklotz vor dem Festzelt zu hauen. Unter dem Gelächter der Nazis in ihrem 90er Domestos-Jeans und Bomberjacken Skinhead-Chic...Ach ja, es läuft mir kalt den Rücken runter. 12,2% AFD in der Wetterau in der letzten Bundestagswahl. Das Tarp findet seinen Platz bevor ich wieder auf dem nächsten Querweg stehe. Ich kriech noch einmal durch das Unterholz und prüfe. Nichts zu sehen vom Weg aus. 12.2%. Diesmal ist es jedoch nur Wasser, welches das dichte Blattwerk der jungen Buchen großflächig auf mich verteilt, das mir kalt der Rücken runterläuft als ich zu meinem Tarp zurück bushwacke...

    Dichter Nebel. Hashtag moody Streuobstwiese. Wabert der Dunst seicht durch das nasse Gehölz, baut sich mit dem Ende des Waldes eine dichte weiße Wand kaum durchdringlich vor mir auf. Taubenetztes Gras trieft im transzulenten Nichts, schwarz tauchen im Weiß blattlose Obstbäume auf, Mistelbewuchtert. Totholz. Stoppelacker, Krähen steigen auf. Einige Rehe äsen auf einer Wiese in der Ferne. Die Morgenrunde mit dem Hund. „Guten Morgen“ oder Missachtung. Der Tag startet kalt.
    In Münster zapfe ich auf dem Friedhof Wasser. Unwirtliches, kaltes, milchiges Licht begleitet mich. Ich stelle in Wiesental fest, dass der Weg nur andeutete nach Butzbach in den Taunus zu schwenken, so verbleibt er weiterhin in der Wetterau, immer haarscharf am Taunus entlang. Es frustriert mich. Es ist gleichbedeutend mit Feld- und Wirtschaftswegen durch Äcker, Felder und Wiesen, sanft geschwungen, eiszeitliche Schluffablagerungen im Windschatten von Taunus und Rhön, ist die Wetterau die millionen Jahre alte geologische Müllkippe beider Nachbarmittelgebirge. Das Spektakulum des Taunus oder hinter mir der Rhön hat der Nebel verschluckt. Roadwalks, Vorgärten und die Erkenntnis, dass ich den Limeswanderweg dann doch von meiner Thruhikeliste streichen werde. Römischer Imperialismus ist nun mal nicht das deutsche Wanderinstitut und eben jenes kann die militärischen und geostrategischen Überlegungen zur Anlage einer Grenzanlage nicht in spektakuläre Landschaften umdeuten – Kultur 5/5 Sternen; Landschaft 1/5 Sternen. Ich mag die Wetterau einfach nicht so sehr – egal wie oft ich durch sie laufe, sie wird nicht schöner, sie ist der Transitionraum zwischen Rhön und Taunus. Was netter klingt als geologische Schutthalde der Erdgeschichte – mehr aber auch nicht.

    So mäandere ich zwischen der Grenzen zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen Fussbodenheizung und Ting, Weinbau und vergorenem Honig. Erquicke mich intellektuell an den dargebotenen Informationstafeln zur Archäologie, Germanentum und Römischen Reich – und mäandere Selbst zwischen den Gefühlen Dummheit und Langweile beim Lesen eben jener Tafeln, weil sie mir immer wieder vor Augen führen, dass deutsche Gründlichkeit zwar eine Tugend sein mag, sie ist aber meistens nicht unterhaltsam und sie bildet so gründlich dass es einem die Lust an Bildung vergeht oder ich mir trotz eines Hochschulabschlusses und einer leidlich guten
    Allgemeinbildung - Okayish würde ich sagen – mir oft einfach unendlich dumm vorkomme ob der ganzen Fachbegriffe und ihrer scheinbar wahllose Aneinanderreihung. Kleinkastelle. Turmrekonstruktionen, Kastellfundamente, Turmfundamente, Erdhügel, Palisadennachbildung. Deutschlands größtes Bodendenkmal gibt sich alle Mühe, sich selbst zu inszenieren. Vielleicht das nächste Mal Podcasts zu dem Thema (hat auf dem INT auch gut funktioniert).
    So gegen halb Eins schafft es die Sonne sich gegen den Nebel durch zu setzten und bricht, das erste Mal durch die weiße Suppe. Am Graueberg empfängt mich ein wunderschöner Fernblick gen Taunushauptkamm. Die Bergkuppe haben Havester, Borkenkäfer, Dürre und Sturm rasiert.Im Dunst erahne ich dass es dem Tanushauptkamm nicht anders ergangen ist – Spoiler: Ich weiß eh dass es so ist, vom Graueberg habe ich mir den Patchwork aus Wald, Brache und Totholz jedoch noch nicht angesehen. Erschreckend. Und schön. Ich summe „The destruction of everything is the beginning of something new“ von Refused, zugleich rauscht der Schlagzeilen Blätterwald der Lokalnachrichten durch mein Gedächtnis und mir wird mal wieder gewahr, dass ich den Taunus wahrscheinlich nie wieder komplett bewaldet sehen werden. Meine düsteren Gedanken schiebe ich darauf, dass ich in den letzten 25 Stunden beinahe 50 Kilometer gelaufen bin und beschließe an der Saalburg eine Pause zu machen.

    Das Römerkastell Saalburg gilt nicht nur als das besterforschteste und am vollständigsten rekonstruierte des obergermanisch-rätischen Limes, sondern habt auch ein leidliches gastronomisches Angebot, dass meinen Bedürfnissen simplerer Natur genügt: Ich bekomme einen Tee, mein Telefon etwas Strom – ich stelle fest, dass ich für Letzteres dem Nachbartisch die indirekte Beleuchtung klaue, dort wird irritiert geschaut, ich schaue möglichst unbeteiligt. Dann muss ich doch ob der slapstickhaftigkeit der Situation lachen.
    Frisch gestärkt erklimme ich den Taunus Hauptkamm. Breite Wege. Asphalt. Die Spaziergehenden haben sich auf die kurze Runde direkt um das Kastell konzentriert. Ein einsamer Biker überholt mich.

    Wogender Wald im Wind. Je höher ich steige verschwindet das Wogen und Rauschen. Metallisches Krachen, Dieseldröhnen. Knacken, Scharren verdrängt die Stille der kahlen Flächen. Harvester bei der Arbeit. Wie archetypische Metallraupen aus Dystopia schlagen sie scheppernd ihre Bäuche voll mit den Überschüssen des Borkenkäferfraß. Gestapelt und markiert liegen die Reste der Waldromantik am Wegesrand und formen mit den vereinsamten Inseln und alleingelassenen Einzelbäumen, den in Plastik eingepackten Neuaufforstungen und dem verwüsteten Waldboden zusammen ein völlig neues Arrangement von Landschaft. Ästhetik der Zerstörung. Ich genieße die neuen Aussichten in den Hintertaunus, schöne Blicke gen Feldberg und Altkönig, und hier und da die Frankfurter Skyline in der Ebene... es wäre zynisch zusagen, es ist nicht alles schlecht. Aber die Aussicht ist ganz schön...

    Die Spätnachmittagssonne, die dunklen Nadelwälder des Großen Feldbergs bieten ein ganze anderes Spektakel. Die goldenen Sonnenstrahlen werden vom Schwarz und Dunkelgrün der Fichten geschluckt, brechen gülden gleißend durch die dichtstehenden Stämme und punkten die üppigen Moosbänke hell. Ich bin begeistert.
    Dennoch merke ich das für heute die Luft raus ist. Ich hatte mich entschieden oben auf dem Hauptkamm zu bleiben und steige nun Richtung Pass Rotes Kreuz den Feldberg hinab. Fast 400 Höhenmeter bis zum Emsbach hinab. Gerade die Stichstraße ab dem Roten Kreuz ist eine helle Freude für bereits durchgenudelte Knie... Ich begutachte noch ein letztes spektakuläres Lichtspiel, dass Sonne und dichter Wald veranstalten können, krame in meinen Erinnerungen, was auf dem Weg noch folgt, komme zu keinem Ergebnis. Schaue auf die Karte. Glashütten. Kein Pennspot in Trailnähe auf die näxten paar Kilometer. Unten am Emsbach gibt es eine kleine Infostation zum Thema mittelalterliche Glasverhüttung in der Region. Mich interessiert freilich mehr, dass dort eine Bank ist und ein gerader Platz für mein Tarp. Es gibt lecker Tütenfutter und zum Nachtisch noch eine Birne von der Streuobstwiese. Es ist nicht alles schlecht an der Wetterau.

    Der nächste Morgen ist kalt, nass, verregnet und nebelig. Mir fällt diesen Morgen jedoch nichts dazu ein. Also laufe ich stur gen Glashütten. Direkt am Trail ein Supermarkt. Es fängt an zu regnen. Also verbummel ich den Schauer zwischen den Regalen und bin überfordert. Trage wie immer viel zu viel Essen aus dem Laden – und wie immer esse ich dann doch alles. Es ist schweinekalt. Grimmig. Der Wind schneidet im Gesicht und an den Händen. Ich bin müde und trotte durch die auch hier verwüsteten Wälder des Taunus.
    Der Abstieg ins Dattenbachtal. Vor mir eröffnet sich eine weite Wiesenlandschaft. Ein paar Pferde. Sanfte Hügel, Wälder - ohne Löcher drin -, Wiesen. Eine Holztafel informiert das es eine Alb ist. Mein inneres Assoziationsnetzwerk nickt zufrieden. Ich musst unwillkürlich an die Schweiz denken – was ich seit ich darum weiß dass viele deutsche Schweizen ein Marketingtrick des ausgehenden 19 Jahrhunderts sind, ist der assoziative Weg zwischen lieblicher Landschaft und Schweiz sehr kurz geworden, zum Schmunzeln auch.
    Heftricher Moor. „Kennste doch...?!“ Ich drehe mich zwei mal im Kreis. Komme nicht drauf. Und dann entdecke ich die E1 Markierung „Hah... du schon wieder“. Und wieder ein Schmuzeln. Ich nähere mich langsam der Idsteiner Senke, ungefährt dort wo sie an den Taunus stößt durchquere ich sie oberhalb von Idstein. Der sogenannten Goldene Grund liegt im trüben Licht.

    Der Rest des Tages ist leidlich gefällig. Kein Stimmungsaufheller. Ich laufe dennoch bis kurz vor Kemel. Verkalkuliere mich mit Zeit und Schlafplatzsuche und renne in einen Windpark bei Heidenrod. Bei dem Versuch zu retten was zu retten ist, mache ich es nicht besser. In dem letzten Wald vor Kemel, direkt neben einen Recylinghof zwischen Windrädern stelle ich mein Tarp. Podcast gegen den Frust und die Lautstärke. Wasn Scheißtag heute.

    Moody Morning. Die Windräder dröhnen. Die Oropax haben ihren Job vortrefflich erledigt. Ich habe tief und fest geschlafen. Etwas gerädert und mit einem fetten Pickel im Ohr laufe ich gen Kemel. Ein trauriges Dorf. Mit Nebel und Nieselregen sieht es noch etwas trauriger aus. Hier – und das macht Kemel spannend – beginnt nicht nur der Wispertaunus, ein wildes Stück Taunus in der letzten Ecke eben jenes Mittegebirges, sondern auch der recht neue Wisper-Taunus-Trail. Ein 44 Kilometer langer Weg durch... klar oder? Das war mein heimliches Ziel der ganzen Chose überhaupt und nach dem gestrigen Tag freue ich mich riesig auf den Trail.

    Ich finde den Trailhead zwischen Sportplatz und Vorgärten. Kaum zu verfehlen. Große Infortafel, Fähnchen und Wegweiser, plus kleiner Vorplatz fürs Trailhead-Posen...
    Ge- und entspannt laufe ich also los zur Wisperquelle, die von hier aus ein oder zwei Kilometer entfernt sein soll. Ich finde sie eingeklemmt zwischen Campingplatz und Picknicktischen und egal wie ich es drehe und wende, schick auf ein Bild bekomme ich sie nicht gebannt. Egal. Geht auch ohne. Was folgt gefällt aber. Klein und fein grugelt die Wisper zwischen Wiesen, Weiden und Wald durch das Tal, welchem ich weitläufig den Weidezäunen entlang folge. Ein Dunst wabert milchig über die nassen, satten Wiesen. Die ersten Bäume kleiden sich zaghaft in ihr Herbstgewand und tupfen den Wald hellgelblich und mit den ersten Rottönen. Schneidiger Wind drückt mir den Nieselregen ins Gesicht. Es ist kalt. Meine Kleidung ist klamm. Es ist egal. Es ist ist schön einfach.
    Ich erreiche recht bald den kleinen Ort Wisper. Hier laufen noch – ich glaube – zwei weitere Wege des Gesamtkonzepts den Wisper-Taunus als Wanderregion zu erschließen (und machen wir uns nichts vor, zu vermarkten) , demnach gibt es nicht nur einen schnöden Wegweiser hier, sondern auch noch ein kleinen Schiefergedeckten Unterstand, mit Bank drinnen und davor, eine kleine Infotafel und das Ganze schmiegt sich an eine schmuckes, schiefes historisches Backhaus mit kleinem Türmchen sowie einer efeuüberwucherten Backstein-Scheune mit großem Holztor – an denen in meiner Kindheit wahlweise die Großraumdisko der nächstgelegenen Kreisstadt in Neongelb oder -pink Werbung für den nächsten Event machte oder aber der örtliche Was-auch-immer-Verein zum nächsten Kaffee und Kuchen Spaziergang in den lokalen Forst lud... Der Regen und er graue Himmel liesen es Traurig wirken, war es vielleicht auch. Mir gefiel jedoch das Ensemble...
    Kurz hinter dem Ort Wisper, ist der Namensgebende Bach zu einem Angelteich aufgestaut. Unter dem windgeschützten Vordach packe ich meinen ganzen klammen und nassen Kram aus und hänge ihn zum lüften und vielleicht gar etwas trocken raus. Immerhin nieselt es nicht. YumYum, Hotsauce, Tee und Müsliriegel. Eine heiße Tasse in den kalten Händen zu haben und den Bauch mit etwas warmen zu füllen. Gold wert.

    Die Naurother Schweiz mit spekatakulären, moosüberwucherten und flechtengetünchten schwarzgeregneten Schieferformationen an. Singeltrails leiteten mich durch ein kleines und feines Gewirr an Felsen, satt grün und schwarz schimmernd im herbstlichenWald. Es ist still. Nur der Wind rauscht. Weht tröpfelnd die Nässe aus den Bäumen. Leise ist hier und da das Gurgeln der Wisper zu vernehmen. Hier und da raschelt eine Amsel durch das nasse Laub... Etwas matschig-rutschig sind die aufgweichten Wege. Wen stört das wenn ich 2 Kilometern der Wisper Canyon kommt... Ich imaginiere großartiges und vergesse dabei das ich im Taunus bin, werde durch ein recht ausladendes Tal auf geschottereten Forstwegen geführt – es stört mich nicht. Ich nutze die leichte Eintönigkeit um die ersten sieben Kilometer Begeisterung zu verdauen.
    Und so merkte ich gar nicht, dass dieser eine, durchaus pittoreske, Einschnitt im Tal mit einem kleinen Holzbrückchen und einem darauffolgenden steigen Anstieg bereits der Canyon war. Das ist mir jedoch erst sehr viel später gewahr geworden... egal. Vielleicht kein Grand Canyon. Aber nicht jede Klamm sieht auch aus wie eine Klamm und nicht jeder Hügel oder Feld macht etwas direkt zu einer Schweiz... so lang's schön ist.

    Es ist eine Achterbahn, der Trail hat auf seinen 44 Kilometetern 1100 Höhenmeter. Immer wieder führen die Wege auf die hohen Ebenen des Taunus – sofern Wind und Wolken es erlauben schweift der Blick bis zum Hunsrück – und über kleine Seitentäler mit vielen für mich namenlosen Bächen wieder hinab. Mal Steil, mal in sanft geschwungenen Serpentinen. Mal auf rutschigen Singletrails, mal auf breiten Forstpisten. Immer werde ich auf den Höhen von einem stürmischen Wind erfasst, der an mir und meiner Kleidung zerrt, mir die sofort die Wärme aus dem Körper drückt. Ich vergrabe meine Hände tiefer in den klammen Taschen, ziehe das Buff noch höher. Schaue in die Ferne und dort wo keine Ferne, in das was Dunst, Nebel, Wolken, Wind in ihrem Zusammenspiel an den Himmel arrangierne und ich bin glücklich...

    Dickerschied, Espenschied, Ransel. Rauf und Runter. Mit Blick auf die Uhr und die Karte entscheide ich mich nach Ransel auf den Suche nach einem Pennplatz zu machen. Hätte ich mir die Topographie genauer angesehen, hätte ich gewusst, dass es wahrscheinlich erst nach dem Ort Sauerthal sinnmacht sich mit der Pennplatz suche zu beschäftigen. Sauertal ist der einizige Ort im Wispertaunus den ich kenne, der in einem Tal liegt. Er wirkt immer etwas traurig auf mich. Vielleicht weil er in einem Tal liegt, vielleicht weil ich bisher nur bei verregnetem Herbstwetter hier war. Ich durchquere ihn der Länge nach – es zieht sich und am Ortsrand wird mir gewahr... und wieder Hoch... ich bin seit fast 38Kilometern unterwegs und der steile Anstieg durch ein weiteres enges, kleines Seitental der Wisper - bzw. hier ist es der Tiefenbach, welcher wiederum in die Wisper mündet – entnervt mich zusehends. Zudem es immer mehr dämmert und ich es vermeiden möchte Schlafplatz sowie Tarpaufbau im Dunkeln zu machen.

    Kurz hinter dem Sauerburgblick werde auch auf einer Art Bergrücken fündig. Leidlich gerade. Für den Wind etwa zu exponiert. Aber ich habe nix besseres gefunden – ich denke auch das es nicth besser werden wird. Also Windrichttung checken, aufbauen, alle Löcher abdichen und schwupps ist es recht muckelig warm. Asianudelsnack in den Topf. Mein Strommanagement erlaubt es mir Podcasts zu hören. Morgen sind es nur noch wenige Kilometer. Obleich ich nicht das offizielle Ende des Trails wählen möchte sondern noch jene Teile des Rhein-Wisper-Glück-Rundweges dranhängen, die mich vom Lorcher Nollig über das Retzbachtal und den Engweger Kopf nach Lorchhausen führen sollen.
    Ich packe mich satt in meinen Schlafsack und bin recht schnell eingeschlafen. Die Nacht überkommen mich Hitzewallung. Ich bin viel zu warm eingepackt. Der Wind ist weg und die nacht ist eigentümlich lau. Juche. Ich habe somit mehr Kissen und quetsche meine Puffy in meine abenteuerliche Kissenkonstruktiona aus Wasserblase, Buff und allen Klamotten die ich noch habe... das ist recht spartanisch...
    Ich schlafe sehr lange und baue ab. Auf den ersten Metern beschäftige ich mich etwas intensiver damit in meinen Fußknöchel hineinzuhorchen. Bei einem der Abstieg des gestrigen Tages bin ich umgeknickt und habe dabei eine Mutter zu Tode erschreckt. Weil ich direkt vor Ihr umgeknickt bin, sie sich aber gerade zu ihrem Sohn umgedreht hatte, sie mich somit nicht gesehen hat und mir dann in mein Schmerz verzerrtes Gesicht starrte und ich in ihr erschrockenes – ein Ausfallschritt der Verhinder sollte dass ich in sie reinstolperte hat zu der nicht minder schwierigen Sitation geführt, dass wir mehr oder minder direkt vor einander standen. Und ihr Sohn sagt noch Teenager-Cool „Ich hab doch gesagt da kommt jemand...“ Seine Mutter ringt nach Atem, ich nach Contenace. Sie ist so Ausser sich, und direkt mit ihrem Sohn und sich selber beschäftigt, dass es trotz aller Bemühungen zu ihr für eine Entschuldigung durchzudringen, also lasse ich sie stehen – ich hoffe das sie zumindest eine meiner mindestens drei Entschuldigungen gehört hat, aber ihre Selbstinszenierung als knapp dem Schreckenstode entronnen hat mich dann auch genervt, also humpelte ich von dannen. Die wenigen restlichen Kilometer hat mein Knöchel nicht protestiert. Heute morgen jedoch quittierte er jede Unebenheit mit einem leichten, mal stechenden Ziehen.... ich glaube noch 11km bis Lorchhausen. Einfach heute ein bisschen langsamer. Ich habe Zeit.
    ... Und dennoch erstaunlich schnell bin ich auf dem Nollig. Ein Bergrücken der zwischen Retzbachtal, Wisper- und Tiefenbachtal wie ein breite Zunge sich über dreihundert Meter hoch bis an Rhein schiebt und dort steil ins Mittelrheintal fällt.
    Ich verlasse die gefälligen Waldwege und stehe auf einer Wiese, die direkt Heideassoziationen in mir wecken. Neugierig verlasse ich den Weg und laufe nach links, da eine große Lichtung Fernsicht verspricht. Ich probiere es trotz den Wetters.
    Ich blicke in das Tal der Wisper das hier einen eigentümlichen Knick beschreibt und hier parallel zu Rhein verläuft. Dunkel, fast schwarz erheben sich Lehrener Kopf und Ranselberg rechts und links des weiten Tals. Aus den Wisperseitentäler, steigt der Dunst des Morgens, Gebrannterwald und Daumenwald verschwinden in Nebel und tiefhängenden grauen Wolken. Guten Morgen. Atemberaubend schön.

    Ich orientiere ich wieder zurück zum Trail und laufe auf einem breiten Trail übe einen ausladenende Rücken als zu meiner Linken das beinah weiß leuchtende Band des Rheins auftaucht. Majestätisch und rheinromatischst wie immer der alte Gevatter. Statt ihn zu besingen steige ich auf einen Jagdstand um ihn fotographisch besser in Szene setzten zu können. Oben verharre ich einen Moment und schaue das Mittelrheintal hinab. Niederheimbach ist zu sehen, Lorch zu erahnen und ob Trechtingshausen nun im Nebel verschwindet oder hinter der nächsten Flussbiegung vermag ich gar nicht zu sagen. Hier komme ich her. 15 Jahre meiner Kindheit und Jugend. Grundschule in Niederheimbach. Und nach einem wütenden Verlassen der Region, genügend räumlichen und zeitlichen Sicherheitsabstand komme ich seit geraumer Zeit wieder gerne hier her.
    Auf dem Gipfelplateau - 330meter immerhin – ist noch einmal ein kleiner Hügel aufgeschüttet... noch mehr und tiefere Einblicke ins Tal. Der Wind frischt auf, jagt Nieselregen und Nebelfetzen durch das Tal... Was war nochmal mit meinem Fussknöchel?

    Recht klassisch führ der Weg durch eine Mischung aus Weinbergen, Weinbergsbrachen und Wald, Steitental, nur Wald, und wieder eben jene Mischung. Rheinsteig at its best. Ein paar Höhenmeter dazwischen und für das Auge bricht noch eine Hirschkuh durch das Flechtenüberwucherte Hagbutten und Weißdorn-Unterholz am Retzbachtal. Herzklopfen.

    Ich erreiche den Engweger Kopf. Ein ebenso breiter wie ausladender Rücken, wiesenbewachsen gibt er hier und da den Blick auf den Rhein frei. Den Rest verschlucken die Wolken. Abstieg Richtung Wirbeley durch die mittelrheintaltypischen Eichenhänge und das langsame Abschiednehmen vom Trail. Ich bleibe auf der letzten Höhe noch einmal stehen, blicke lange sinnierend ins Tal und stelle mir alle Profaniäten des Posthikings vor: heiße Dusche, irgendwas perverses, süßes zu Essen mit viel Schokolade ist es diesmal, frische Kleidung, eine Jogginghose...; ich checke wann der nächste Zug von Lorchhausen fährt und mache mich auf den single trailigen Weg gen Bahnhof...

     
    157 statt der geplanten 124km sinds geworden, vom 12.-16. Oktober war ich unterwegs und mein baseweight hab ich nicht gewusst... 3800gr. vllt. kann ganz gut hinkommen... die heiße dusche war gut, die joggighose ein traum und die schokoperversion die ich in st. goat noch genossen habe, war mein persönliches persuit of happiness...
     

    tschüssi. bin ab dem 5.5.21 on trial 1223 km lowest to highest
     
     
     
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    lelo reagierte auf Jäger in Arizona Trail 2019 - Desert Diaries Teil 1   
    Am nächsten Morgen ging es auf der anderen Seite des Passes hinunter. Der nächste Berg wartete schon auf uns: Mount Mica. Doch davor mussten wir fast 25 Kilometer auf flachen Wegen zurücklegen, die sich durch die trockene Wüstenlandschaft räkelten.  Es war einer der heißesten Tage auf dem Trail und die 35 Grad machten mir sehr zu schaffen. Ich war vollkommen fertig als ich am späten Nachmittag die einzige Wasserquelle erreicht hatte, die es auf diesem Teil des Trails gab. Es handelte sich dabei um kleine Pools, die mit Regenwasser gefüllt waren. Ich ließ mich erschöpft daneben nieder und trank mir einen ungeheuren Wasserbauch an, bevor ich mich für einige Zeit ins Land der Träume verabschiedete.Nachdem ich eine gediegene Pause an den Pools gemacht hatte, schulterte ich mir meinen Exos über und begann erneut aufzusteigen. Nur einige hundert Höhenmeter von mir entfernt befand sich der wahrscheinlich schönste Zeltplatz des Trails, zumindest wenn man den Kommentaren auf Guthooks Glauben schenken konnte. Als ich dort ankam, wusste ich sofort, wieso so von diesem Spot geschwärmt wurde. Es handelte sich um eine kleine, ebene Fläche, die direkt an einem Felsvorsprung lag und einen unglaublichen Blick auf Mount Lemon und die Outskirts von Tucson offenbarte. Ich baute mein Zelt auf, hing meine durchgeschwitzten Klamotten zum Trocknen auf einen Ast auf und ließ meinen Blick in die Ferne schweifen. Eine Stunde später erreichte Hot Sauce den Platz und machte es sich neben mir bequem. Heute Nacht war zum ersten Mal Regen angesagt, aber sie ließ es drauf ankommen und schlief dennoch unter dem freien Nachthimmel. Als die Dunkelheit einbrach, zog ein Sturm auf und wir staunten nicht schlecht, als Blitze über den Horizont jagten und die umliegenden Hügel erhellten. Zusammen mit den Lichtern der Stadt und dem Abendrot, das an diesem Abend eine gefühlte Ewigkeit über dem Horizont hing, sah das Ganze aus wie ein surreales Gemälde.

    Am nächsten Morgen wollte ich zum ersten Mal nicht das Zelt verlassen. Regen prasselte auf die Außenhaut meines Lunar Solos und das Wetter schaute nicht gerade freundlich aus. Nach einer Stunde hatte ich keine Lust mehr länger auszuharren und auf Besserung zu warten. Ich packte meine sieben Sachen, zog die Frogg Toggs über und stampfte weiter Richtung Gipfel. Dabei schlich ich an Hot Sauce vorbei, die sich in ihr Ground Sheet eingewickelt hatte, um ihren Schlafsack trocken zu halten. Die Landschaft begann sich unglaublich schnell von Wüste in Hochebene zu verwandeln und es dauerte nicht lange, bis ich auf einzelne Schneepatches traf, die den Waldboden dekorierten. Ich hatte mittlerweile die Nationalparkgrenze des Saguaro NPs überquert. Nachdem ich den höchsten Punkt erreichte hatte und völlig durchnässt war, begann der Regen langsam nachzulassen. Ich trottete weiter gen Süden und begann wieder Richtung Wüste abzusteigen. Die Temperatur stieg, die Sonne schien und das Frieren wurde durch Schwitzen abgelöst. Die Landschaft wurde nun von Saguaros dominiert. Egal wo man hinschaute, diese riesigen Kakteen waren überall und kein Kaktus glich dem anderen (Fun-Facts am Rande: Saguaros werden während der Blütezeit von Fledermäusen bestäubt, die sich am Nektar bedienen. Es dauert 50-70 Jahre, in besonderen Trockenperioden bis zu 100 Jahre, bis der Kaktus seine typischen Auswüchse entwickelt. Die Durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 150-200 Jahre.). Ich marschierte den Rest des Tages durch den Park und fand mich am Ende an einer, einsamen Picknick-Area wieder, auf der ich mein Zelt aufschlug und mich mit stark nach Eisen schmeckenden Wasser volllaufen ließ.

    Der folgende Tag war der Letzte der Etappe und verlief relativ unspektakulär. Die Landschaft war weiterhin sehr abwechslungsreich und das Terrain erlaubte uns ein zügiges Vorankommen. Am Mittag trafen wir am Gabe Zimmerman Trailhead ein und hitchten nur zehn Minuten später einen Ride nach Vail. Der Farmer, der uns aufgegabelt hatte, setzte uns vor dem Safeway ab und wir begannen unmittelbar damit, unseren Einkaufswagen mit diversen Fressalien zu beladen. Wir entschieden uns dafür den Rest des Tages mit Freunden von Hot Sauce zu verbringen und am nächsten Tag einen Zero einzulegen, bevor wir uns auf den Weg in die vorerst letzte Trailtown Patagonia machten.

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    lelo reagierte auf wernator in Wainwright's Coast to Coast   
    4. Etappe (25km)
    Hier gibt es nicht viel zu schreiben, der Weg verläuft weiter durch Weideland. Nur hatte die größeren Distanzen der letzten beiden Tage ihre Spuren hinterlassen, ein eingeklemmter Nerv im Rücken machte das bücken und absetzen des Rucksacks fast unmöglich. An Zelt aufbauen geschweige denn hineinkriechen war nicht zu denken, deshalb endete der Tag bereits am frühen Nachmittag mit einem Bier und (dank Corona) dem größten Zimmer im Pub im wunderschönen Richmond.

     
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    lelo reagierte auf Jäger in Arizona Trail 2019 - Desert Diaries Teil 1   
    Kearny – Oracle (~110km)
    Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück mit Homeless Guy trennten sich unsere Wege. Sein Urlaub neigte sich dem Ende zu und wir verabschiedeten uns von ihm. Von unserer ursprünglich fünf Mann starken Truppe waren lediglich Hot Sauce und ich übriggeblieben. Homeless Guy überließ mir seine Wanderstöcke für den Rest des Trails, da meine faltbaren Carbonstöcke im letzten Abschnitt leider das Zeitliche gesegnet hatten. 
    Der Stretch nach Oracle war einer der trockensten auf dem Trail. Die Etappe begann mit einem 30 Meilen langen, beinahe wasserlosen Abschnitt, der uns zwang unsere Flüssigkeitseinnahme stark zu rationieren. Die einzige Möglichkeit im ersten Teil dieser Passage an Wasser zu kommen, war auch gleichzeitig die reudigste des gesamten Trails: ein ehemaliger Cowtank, der lediglich eine Pfütze mit stark verdreckten, mit toten Bienen und anderem Geziefer verseuchten, grünen Wasser enthielt. Getoppt wurde das Ganze noch von einem Kuhkadaver, der direkt vor dieser ominösen Quelle lag. Hot Sauce hat davon getrunken und lebt heute noch. What doesn't kill you makes you stronger!  

    Nach den ersten 30 Meilen gab es immer wieder Caches, die von Trail Angels bereitgestellt wurden, sodass wir uns keine Sorgen mehr um Wasser machen mussten. Zur Abwechslung war ein Großteil des Abschnitts flach und erlaubte es uns somit wieder längere Tagesdistanzen zurückzulegen. 
    Am Nachmittag des ersten Tages vernahm ich ein Rauschen, dass immer lauter wurde. Ich drehte mich um und zuckte zusammen, als plötzlich ein Jet wenige hundert Meter über meinem Kopf vorbeisauste. Der Schall der Triebwerke donnerte durch den Canyon. Ich beobachtete wenige Augenblicke später einen zweiten Jet, der dem ersten hinterherjagte während dieser Flares abfeuerte, um seinen Verfolger hinter sich zu lassen. Wie ich später erfuhr, befindet sich im nahegelegenen Tucson ein wichtiger Stützpunkt der Air Force, die ihre Piloten zum Üben strategischer Manöver in die umgebende Landschaft aussendet.
    Am Folgetag machte ich meine erste Begegnung mit einer Klapperschlange, die ich beim Wasserlassen bemerkte. Sie beobachte mich, schien dabei jedoch kein Interesse an mir zu haben, und trat nach einiger Zeit ihren Rückzug in ein nahegelegenes Erdloch an. Einige Zeit später traf ich auf einen weiteren, für Arizona typischen, Wüstenbewohner: Eine riesige Tarantel kroch langsam über den Weg. Ich hatte lange nach einem großem Exemplar Ausschau gehalten und staunte nicht schlecht, als diese Riesenspinne meinen Weg kreuzte.


    Nach einer stürmischen Nacht auf einer Ebene, auf der wir dem heulenden Wind schutzlos ausgeliefert waren, räumte ich mein Camp zusammen und brach sofort auf, um meine frierenden Gliedmaßen aufzuwärmen. Dabei kam ich an Hot Sauce’s Zelt vorbei, das durch die starken Böen jegliche Form verloren hatte und wie sich wie zerknülltes Blatt Papier an den Wüstenboden schmiegte. Ich legte fast 30 Meilen zurück und errichtete mein Lager direkt neben einer Dirtroad. In der Ferne konnte ich Mount Lemon, den wir auf dem Weg nach Tucson überschreiten würden, sehen. Per Inreach reservierte ich für den morgigen Tag ein Motelzimmer in Oracle und organisierte eine Abholung am Trailhead, bevor ich sanft ins Land der Träume glitt.


    Um 12 Uhr vormittags erreichte ich den am Vortag ausgemachten Treffpunkt und traf dort auf Marney. Ein legendärer Trail Angel, die zusammen mit ihrem Mann ein Motel in Oracle führt, das bei Hikern sehr beliebt ist. Sie war auch die Hauptverantwortliche für die vielen Wassercaches, die uns das Leben auf dem Trail wesentlich erleichterten. Hot Sauce und ich verbrachten zwei Nächte in Oracle und nutzten die freie Zeit, um das kulinarische Angebot der Kleinstadt ausgiebig zu testen. Wir verdrückten Burritos, die die so lang wie mein Unterarm waren, aßen hausgemachte Törtchen mit Eis und Sahne und nahmen die lokale Pizzeria auseinander.
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    Pine – Lake Roosevelt Marina (~185km)
    Nach einem ausgiebigen Zero Day in Payson, der Nachbarstadt von Pine, ging es weiter in Richtung Lake Roosevelt, dem größten See Arizonas. Dieser Abschnitt des Trails war dafür berüchtigt sehr wild, steinig und abgeschottet zu sein. Ich hatte mir vorgenommen die ganze Etappe in fünf Tagen zu bewältigen, um es noch am Samstag nach Superior zu schaffen, wo ein neues Paar Schuhe im lokalen Post Office auf mich warten würde. Homeless Guy schloss sich mir an, da sein Urlaub nur begrenzt war und er deshalb seine tägliche Distanz hochschrauben wollte, um noch möglichst viel vom Trail zu sehen. Gemeinsam mit Hot Sauce starteten wir am Vormittag am Pine Trailhead und ließen die Kleinstadt hinter uns. Wir wanderten zunächst entlang von Strommasten und genossen das wunderschöne Panorama, das sich vor uns auftat. Nach dem Betreten der Matzatal Wilderness verschlechterte sich der Zustand des Trails erheblich und wir hatten teilweise Schwierigkeiten den richtigen Weg zu finden. Der Boden bestand lediglich aus losem Geröll, welches schnelles Vorankommen unmöglich machte, da man ständig Angst hatte umzuknicken. Des Weiteren machten die unzähligen Dornenbüsche entlang des Pfads unseren Armen und Beinen zu schaffen und hinterließen blutige Kratzer auf unserer braungebrannten Haut. Aufgrund meiner langen Hose kam ich im Vergleich zu den anderen dabei noch glimpflich davon. Am Abend schlugen wir gemeinsam unser Lager in der Nähe einer Quelle auf und genossen das orange-lilane Nachglühen des Sonnenuntergangs, das am Firmament loderte, während die zahlreichen Hügel in der Peripherie allmählich in der Dunkelheit verschwanden.


    Am nächsten Tag überquerten wir am frühen Morgen den East River Verde, den ersten Fluss seit unserem Aufenthalt im Grand Canyon. Das River-Crossing stellte sich einige Minuten später als völlig unnötig heraus, da sich nur wenige hundert Meter flussabwärts eine natürliche Brücke befand. Bei der Hitze, die an diesem Tag herrschte, war das kalte Wasser jedoch eine willkommene Abkühlung gewesen. Wir füllten unsere Mägen literweise mit frischem Flusswasser und dösten eine Weile auf dem warmen Sand des Flussbetts vor uns hin, bevor Homeless Guy und ich uns auf den Weg machten, um den ersten mächtigen Anstieg dieser Etappe in Angriff zu nehmen. Hot Sauce entschied sich hingegen dafür, noch etwas länger dort zu verweilen.
    Die 1000 Höhenmeter, die wir in der gleißenden Sonne bewältigen mussten, waren mühsam und nur mit einigen Pausen zu bewältigen. Nach dem wir den Berg bezwungen hatten, machte sich Erleichterung bei uns breit und wir stiegen im Licht der untergehenden Sonne noch bis zu einem geeigneten Campspot ab. Als wir dort ankamen, waren wir jedoch nicht allein. Wir trafen auf eine Trail-Crew, die mit der Instandhaltung der dortigen Wege beauftragt worden war und dort ihr Basislager aufgeschlagen hatte. Wie sich im Laufe des Gesprächs mit ihnen herausstellte, hatten sie viel zu viel Essen dabei und waren froh, etwas an uns abzutreten. Wir verputzen unmenschliche Mengen an Mac and Cheese, Eintopf und Früchten, bevor wir uns schlafen legten.

    Der dritte Tag war wiederum geprägt von Hitze und ständigen An- und Abstiegen durch steiniges Gelände. Die Sohlen unsere Füße waren durch das Terrain mittlerweile so in Mitleidenschaft gezogen wurden, sodass die ersten Schritte am Morgen, dem Laufen auf glühenden Kohlen gleichkamen. Homeless Guy und ich kämpften uns von einer Wasserquelle zur nächsten, in der Hoffnung ein schattiges Plätzchen auffinden zu können. Dabei verlief der Trail vermehrt durch Auswaschungen, die aufgrund ihrer Lage wie ein natürlicher Backofen fungierten. Nach 27 Meilen endete der Tag für uns beide und wir schlugen unsere Zelte völlig erschöpft direkt neben einer Dirtroad auf, die den Trail kreuzte.

    Am Folgetag verlief der Trail unter einer Interstate entlang, die in Richtung Westen nach Phoenix führte. Homeless Guy und ich ruhten uns im Schatten des Tunnels aus. Ihn hatten die letzten Tage sichtlich mitgenommen und aufgrund des Zeitdrucks, der ihm im Nacken stand, entschied er sich dafür nach Phoenix zu hitchen, um seinen Rückflug zu buchen. Nachdem wir uns voneinander verabschiedeten, kletterte er über das Geländer auf die Interstate und streckte seinen Daumen raus. Ich verließ währenddessen die kühle Geborgenheit des Tunnels und begab mich erneut in die erbarmungslose Mittagshitze. Ich quälte mich an diesem Tag wieder auf einen der unzähligen Berge, die das Landschaftsbild prägten. Die Four Peaks, ein Gebirgszug, der aufgrund seiner markanten vier Gipfel diesen Namen trägt, dominierte dabei mein Sichtfeld. Als ich am Ende des Tages auf einer Dirtroad entlanglief, hielt eine Frau in ihrem Geländewagen direkt neben mir an und überhäufte mich mit Süßigkeiten und Wasser. Kurze Zeit später fand ich ein wunderschönes Plätzchen, von dem man einen atemberaubenden Blick auf den Lake Roosevelt hatte.


    Der letzte Tag auf diesem Abschnitt begann mit einem absoluten Highlight: Ich kletterte auf eine kleine Erhöhung in der Nähe meines Lagers und betrachtete die aufgehende Sonne, die direkt hinter dem See emporstieg. Danach begann der mühsame Abstieg in das Tal, der durch umgemähte Bäume, die nun auf dem Trail lagen, zusätzlich erschwert wurde. Als ich das Gebirge verlassen hatte und dem See immer näherkam, verwandelte sich die Landschaft allmählich in das stereotypische Arizona, das man von Bildern kennt: Riesige Saguaro-Kakteen türmten sich vor mir auf während ich durch den roten Wüstensand schritt. Hier unten war es deutlich heißer als an den Tagen zuvor und mein Wasserverbrauch stieg rasant an. Als ich an einigen Yucca-Palmen vorbeikam, und fast die Landstraße erreicht hatte, die über eine Brücke zur Lake Roosevelt Marina führte, bewegte sich plötzlich eine Schlange über den Trail. Ich blieb stehen und musterte sie zunächst und stellte fest, dass es sich um keine giftige Klapperschlange hielt (Es war eine Gopher-Snake, wie ich später erfuhr). Nach einiger Zeit bewegte sich das Tier und kroch wieder weiter in Richtung Gebüsch. Nur noch eine Meile Roadwalk trennte mich von eiskalten Getränken, Strom und fettigem Essen, doch der Trail hatte etwas anderes mit mir vor. Nachdem ich die Brücke überquert hatte, führte der Weg wieder zurück in den Busch und ließ mich dabei eine unnötig steile, zusätzliche Passage in der gleißenden Mittagssonne bewältigen, auf der ich mir das mehrmalige verbale Ausstoßen von Fäkalwörtern nicht verkneifen könnte. Wäre ich doch bloß auf der Straße geblieben. Nach dreißig Minuten war die Tortur vorbei und ich stand vor den heiligen Hallen der Roosevelt Lake Marina, eine Oase für Thruhiker des AZT, die neben einem Restaurant auch einen kleinen Shop beherbergte. Als ich das Restaurant betrat, kam mir direkt die herrlich kühle Luft der Klimaanlage entgegen und der Geruch vom gebratenen Fett lag im Raum. Nachdem ich meine Essengelüste befriedigt hatte, machte ich es mir  auf der Veranda bequem und ließ meinen Blick über den mattblauen See schweifen. 



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    Grand Canyon Rim-to-Rim (23.9 Meilen ~ 38.5 Kilometer)
    Am Morgen des sechsten Oktobers wurde ich durch das grelle Leuchten einer Kopflampe aus dem Schlaf gerissen. Ich schlief mit einer offenen Apside und daher trafen mich die Lichtstrahlen direkt ins Gesicht. Die Übeltäter, die gerade damit beschäftigt waren ihr Lager abzubauen, waren sich der Existenz des Redlight-Modus auf ihren Kopflampen anscheinend nicht bewusst. Genervt packte Ich meine Sachen zusammen und wartete darauf, dass die Sonne am östlichen Horizont emporstieg. Ich merkte, dass die hohe Laufleistung der Vortage Spuren hinterlassen hatte. Meine Waden fühlten sich so an, als hätte sie jemand über Nacht mit Blei vollgepumpt.

    Der heutige Tag würde zwar nur mit 24 Kilometern zu Buche schlagen, aber meine Knie fingen schon beim bloßen Gedanken an die 1800 Höhenmeter Abstieg die mir bevorstanden, an zu schmerzen. Während die anderen noch schliefen, setze Ich bereits wieder einen Fuß vor den anderen. Der beschwerliche Abstieg in die Tiefen des Canyons zog sich, aber mit jeder Serpentine, die ich hinter mir ließ, offenbarten sich neue Perspektiven auf das Tal und den Colorado-River. Je tiefer ich kam umso heißer wurde es auch, und ich war froh darüber mich für einen frühen Start entschieden zu haben. Statt der Kiefern- und Espenbäume prägten nun Kakteen, Yucca-Palmen und roter Kalkstein das Landschaftsbild.

     

    Ich nutzte jede Möglichkeit um meine Trinkflaschen aufzufüllen und meinen Sonnenhut mit eiskaltem Flusswasser durchzuspülen. Als sich die Temperatur zum Mittag hin auf fast 40 Grad Celsius hochgeschaukelt hatte, musste ich mich von einer schattigen Stelle zur nächsten hangeln, um in diesem natürlichen Backofen nicht lebendig geröstet zu werden. Etwa drei Kilometer vor der legendären Phantom Ranch kam mir ein älterer Mann entgegen, der weder einen Rucksack noch Wasser bei sich trug. Nachdem wir uns zunickten und er eigentlich schon an mir vorbeigezogen war, drehte Ich mich nochmal um, und fragte ihn, ob er nicht etwas Wasser bräuchte. Er winkte dankend ab und erzählte mir anschließend, dass er im Nationalpark arbeiten würde und nur einen kleinen Verdauungsspaziergang unternahm. Wir kamen ins Gespräch, und als er erfuhr, dass Ich mich auf dem Weg nach Mexiko befand, bot mir an später Pizza und Spare Rips ins Camp zu bringen, die vom Vortag übriggeblieben waren. Nach vier Tagen Trockenfutter war das ein Angebot, welches Ich schlecht hätte ausschlagen können. Ich war überrascht von der Freundlichkeit des Fremden und freute mich schon unheimlich auf das Abendmahl. 
    Als ich die Ranch nachmittags erreichte, genehmigte ich mir zunächst eine eiskalte Limonade und döste im Schatten eines Wachholderbaums vor mich hin. Nach einer kleinen Pause schaute ich mich um und landete bei der Rangerstation. Dort wurde Ich Zeuge davon, wie man jemanden mit einem Hitzeschlag behandelt. Eine Frau, die kurz vor dem Kreislaufkollaps stand, wurde von einem Ranger schnurstracks zu einem Duschkopf geführt, der aus der Außenwand der Station herausragte. Wenige Sekunden später strömte eiskaltes Wasser auf die Wanderin nieder, der es danach sichtlich besser ging. Auch für mich wurde es Zeit für eine kleine Abkühlung. Ich suchte mir in einem Seitenarm des Colorado Rivers ein geeignetes Plätzchen und tauchte für einige Minuten in den eiskalten Bach ein. Kurze Zeit später traf ich die anderen an der Phantom Ranch wieder und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zu unserem Zeltplatz. Die Nationalparkverwaltung hält für Wanderer des Arizona Trails eine eigene Fläche abseits des Touristen-Campgrounds frei, da dieser meist restlos ausgebucht ist.
    Während sich der Schatten, den die Canyonwände am frühen Abend auf das Tal warfen, immer weiter ausdehnte, tauschte Ich mich mit den anderen über unsere heutigen Erlebnisse aus. Alle schwärmten in Superlativen vom Canyon. Selbst Nathan, der einzige Biker unter uns, der sein Fahrrad durch die Schlucht schleppen musste, war begeistert gewesen. Er hatte sein Bike dafür provisorisch an seinem Tagesrucksack befestigt, Teile seiner Zlite unter den die Schultergurte getapt und trug den ganzen Weg über verdammt enge Fahrradschuhe, die ihm etliche Blasen bescherten.

     
    Im Schein der Dämmerung tauchte der ältere Herr, den Ich kurz vor der Ranch getroffen hatte, wie ein Lieferbote mit der Pizza und den Spare Rips auf. Wir teilten die Beute unter uns auf, während uns unser Samariter, der die Gegend wie seine Westentasche kannte, etwas über die Geschichte und Geologie des Canyons erzählte. Nachdem uns einige Zeit später die Müdigkeit überfiel, verabschiedeten wir uns von ihm und begaben uns wohlgenährt zu unseren Schlafplätzen. In dieser Nacht nächtigten wir alle unter freiem Himmel. Ich betrachtete noch eine ganze Weile den klaren Sternenhimmel, bevor ich einschlief.

    Am nächsten Tag setzte sich gegen fünf Uhr morgens im Camp langsam alles in Bewegung. Wir wollten der drohenden Hitze zuvorkommen und daher so früh wie möglich mit dem neun Kilometer (~1500Hm) langen Aufstieg aus dem Canyon beginnen. Ich wanderte die erste halbe Stunde im Dunkeln und überquerte dabei die Fluten des Colorado Rivers. Die morgendliche Stille wurde lediglich durch das Rauschen des Flusses und das Knirschen meiner Schritte auf dem sandigen Boden unterbrochen. Ich drehte mich gefühlt alle zehn Schritte um, um ein Foto zu schießen und die Canyonwände im Licht der Morgensonne zu bestaunen. Es verging einige Zeit bis mir jemand von oben entgegenkam. Zuerst waren es Trailrunner, dann ein Cowboy, der eine Gruppe von Maultieren hinabführte, und zu guter Letzt, Wanderer und Tagestouristen. Nach dreieinhalbstunden Aufstieg berührten die Sohlen meiner Schuhe den Asphalt am Rande des South-Rims, und als ich zur nördlichen Seite zurückblickte, konnte Ich kaum glauben, dass das alles bereits hinter mir lag. Ich beschloss noch 5 Kilometer zum Visitor Center weiterzulaufen und mir den Rest des Tages freizunehmen.



    Nachdem ich im Grand Canyon Village angekommen war, peilte Ich zunächst den Supermarkt an, der eine kleine Pizzeria beherbergte. Dort ließ Ich meinen Essengelüsten freien Lauf und ließ mich erschöpft in einen Stuhl auf der Terrasse vor dem Laden sinken. Es schien, als hätten die anderen den gleichen Gedanken gehabt, denn kurze Zeit später stieß Hot Sauce, die ich am North Rim kennengelernt hatte, zu mir. Auch Nathan kam nur wenige Minuten danach auf seinem Bike angerollt und gesellte sich zu uns. Er hatte es tatsächlich geschafft sein Fahrrad in nicht einmal vier Stunden zum South Rim hochzuhieven. Wir verbrachten den Rest des Tages damit, unsere Vorräte aufzustocken, Elektronik aufzuladen und Klamotten zu waschen. Als der Tag sich langsam dem Ende neigte, fanden wir uns im Schatten einiger Kiefernbäume auf dem Mather Campground wieder. Die Nacht war ruhig. Ein leichter Wind wehte durch den Nadelwald.
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    Ich bin jetzt schon seit einigen Monaten stolzes Mitglied dieses Forums und habe mir in dieser schweren Zeit viele Reisebericht von euch reingezogen, die mich sehr gut abgelenkt, unterhalten und inspiriert haben. Ich möchte im Folgenden auch etwas beisteuern und dadurch mein akutes Fernweh lindern. Es geht um meine Wanderung auf dem Arizona Trail im Herbst 2019. Kritik, Anregungen und Fragen sind herzlichst erwünscht. 
    Grundlegende Informationen
     
    Trail: Arizona Trail (AZT), Vereinigte Staaten der USA
     
    Zeitraum: 03.10.2019-14.11.2019
     
    Laufrichtung: SOBO (Utah –> Mexico)
     
    Distanz: 790 Meilen ~ 1271 Kilometer
     
    Höhenmeter: ~ 33700 Meter Anstieg
     
    Baseweight: ~ 5,6 Kilogramm (Big Four: SMD Lunar Solo, Osprey Exos 48l, EE Enigma 10F Quilt, Neo Air Xlite Medium)
     
    Wetter: Von 33° in der Tucson-Area bis -8° kurz vor Flagstaff war alles dabei. Die meiste Zeit über lagen die Temperaturen aber zwischen 20-25° tagsüber und 0-5° nachts. Geregnet hat es in der ganzen Zeit lediglich sechs Stunden.
     
    Maximal und durchschnittlich getragene Wassermenge: 6 Liter / 3.5 – 4 Liter
     
    Längster Foodcarry: 4 Tage, 116 Meilen ~ 187 Kilometer von Pine bis Roosevelt Lake Marina
     
    Navigation: Guthooks
     
    Wasseraufbereitung: Sawyer Squeeze in Kombination mit dem CNOC Vecto 2L, Aquamira Tabs als Backup
     
    Wandererfahrung vor dem Trip: GR 221, WHW
     
    Prolog: Leaving Las Vegas
     
    Noch bevor die eigentliche Wanderung losging, stellte sich bereits die Anreise zum nördlichen Terminus des Arizona-Trails, der sich auf einer Länge von fast 800 Meilen durch den Grand Canyon State schlängelt, als ein Abenteuer für sich heraus.
     
    Als Ich die heiligen Hallen des McCarran Airports in Las Vegas verließ, war die Temperaturanzeige auf dem Thermometer dreistellig, die Sonne brannte und die ersten Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn. Einige Abende zuvor strömte noch kühle Pazifikluft durch meine Lunge während Ich in einer Daunenjacke durch die Straßen Vancouvers zog, um alten Freunden einen Besuch abzustatten. Ich stieg in den Bus Richtung Downtown, wo das billigste Hostelbett auf mich warten würde, dass Ich im Internet auffinden konnte.
     
    Nach einer schlaflosen Nacht klingelte mich mein Wecker bereits um 4 Uhr morgens aus dem Bett. Ich machte mich auf den Weg um meinen Bus nach Kanab zu kriegen. Nach einer 4 stündigen Busfahrt durch die rote Wüstenlandschaft  erreichte Ich mein Tagesziel, checkte im lokalen Hostel ein und verbrachte den Rest des Tages damit Proviant für den ersten Stretch zum nördlichen Rand des Grand Canyon zu kaufen. Außerdem schickte Ich zwei Resupply-Pakete voraus, die ausschließlich Nahrung enthielten.
     
    Am nächsten Morgen wartete Barry in einem roten Truck vor dem Hostel. Er war ursprünglich aus Florida, verbrachte jedoch seinen Ruhestand in Arizona, fluchte viel und war sehr redselig. Er hatte über Facebook angeboten Hiker zum nördlichen Terminus zu fahren und rettete mir damit meinen Allerwertesten, da ein vergleichbares Shuttle sehr teuer geworden wäre. Die Fahrt dauerte 90 Minuten, von den die letzten 60 Minuten über eine anspruchsvolle Dirtroad führen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die einzige Möglichkeit den nördlichen Terminus des Arizona Trails zu erreichen, per Auto über die besagte Dirtroad von Utah aus führt. Am Terminus angekommen, bedankte Ich mich herzlich bei Barry, der ein obligatorisches Startfoto von mir schoss, und machte mich auf den Weg ins Unbekannte.


     
    Grenze zu Utah bis zum Grand Canyon North Rim (76 Meilen ~ 122km)
     
    Es war zirka 10:30 Uhr als ich meinen ersten Schritt auf den Trail setzte und den Bundesstaat Utah hinter mir ließ. Mein Rucksack war mit Nahrung für vier Tage und 6 Litern Wasser beladen. Die ersten Kilometer waren schweißtreibend, da man direkt mit einem saftigen Anstieg auf den Buckskin Mountain begrüßt wird und der Sonne dabei schutzlos ausgeliefert wird. Als Ich den ersten Hügel erklommen hatte, drehte Ich mich noch einmal um, um einen letzten Blick auf Utah’s rote Canyonlandschaft zu erhaschen. Das Landschaftsbild würde sich in den kommenden Tagen drastisch verändern und vor allem durch gelbe Espen- und Kiefernwälder und steppenähnliche Abschnitte geprägt werden. Der erste Teil des Trails verläuft bis zum North Rim des Grand Canyons auf dem Kaibab-Plateau, das eine Höhe von bis zu 2805 Metern erreicht. Aufgrund der durchgehenden Bewaldung dieses Gebiets, merkt man selber kaum, dass man teilweise in einer Höhenlage wandert, die der der höchsten deutschen Alpengipfel entspricht. Lediglich nachts, wenn Temperaturen im Herbst gerne mal unter den Gefrierpunkt rutschen, wird man sich dessen bewusst. Mein erster Tag nahm nach 32 Kilometern sein Ende und Ich richtete erschöpft mein Nachtlager ein. Zum ersten Mal würde Ich ganz alleine in der freien Natur übernachten. Als totaler Newbie war Ich ziemlich nervös und analysierte jedes Geräusch, das in der Dunkelheit durch den Wald schallte. Der Höhepunkt meiner inneren Angespanntheit ereignete sich als eine Eule direkt neben meinem Zelt landete und das laute Schlagen ihrer Flüge mich mitten in der Nacht aus dem Halbschlaf riss. Irgendwann gelang es mir dennoch ein Auge zuzudrücken.

    Letzter Blick Richtung Utah
     
    Am nächsten Tag packte Ich im Morgengrauen meine Sachen zusammen und setzte meine Reise fort. In 12 Kilometern würde Ich eine Landstraße kreuzen, die nach Jacob Lake führt. Ich durchschritt auf dem Weg dort hin einige kleinere Espenwälder, die im Herbst einen besonders schönen gelben Farbton annehmen und genoss die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf meinem Gesicht. Als Ich die Landstraße erreichte fand Ich einige Behälter mit Wasser wieder, die von Trail Angels bereitgestellt wurden. Ohne die Wassercaches, die an kritischen Stellen des Plateaus platziert wurden, wäre Ich um einen 8-10L Wassercarry wahrscheinlich nicht rumgekommen. Die sonst nur spärlich vorhandenen natürlichen Wasserstellen waren durch das Ausbleiben des Monsuns in den Sommermonaten kaum gefüllt oder gar ausgetrocknet. Jeder Wasser-Cache war ein Segen, und als Deutscher, der sich sein Wasser jederzeit Zuhause aus dem Hahn schöpfen kann, schätzt man dieses wertvolle Gut erst richtig, wenn es auf einmal nur noch in raren Mengen vorhanden ist. Nach einer kleinen Pause überquerte Ich die Straße und drang tiefer in den Kaibab Forest ein. Als Ich gegen 14 Uhr bereits 20 Meilen hinter mir gelassen hatte, traf Ich zum ersten Mal auf einen anderen Wanderer aus Kansas, der es sich auf einem Baumstamm bequem gemacht hatte. Sein Trailname war „Coyote“ und er war ebenfalls auf dem Weg nach Mexiko. Wir verstanden uns auf Anhieb, als wären wir schon seit Jahren miteinander befreundet gewesen. Wir aßen gemeinsam zu Mittag, philosophierten über Gott und die Welt und machten uns danach gemeinsam auf den Weg, um einen guten Campspot zu finden, den wir bei Einbruch der Dunkelheit erreichten.

    Am Morgen des dritten Tages wurden Coyote und Ich durch das Heulen von einem Rudel echter Coyoten geweckt. Das Geräusch wurde immer lauter während Ich aus dem Innern meines Zeltes lauschte. Als das Gejaule nach einiger Zeit wieder verstummte, packten wir unser Zeug zusammen und brachen auf. Nach 16 Kilometern trennten sich unsere Wege jedoch schon. Coyote würde zu einem kleinen Outpost abseits des Weges wandern, um sich nochmals mit Essen einzudecken. Es waren schließlich noch 40 Kilometer zum Grand Canyon und sein rechter Fuß machte ihm bereits seit einigen Tagen zu schaffen. Wir verabschiedeten uns, wünschten einander das Beste und blieben über Social Media in Kontakt (wir würden uns am Ende wiedersehen und gemeinsam noch ein Teilstück des CDT wandern). Ich hatte mir aus logistischen Gründen das ambitionierte Ziel gesetzt an dem Tag insgesamt 56 Kilometer zum North Rim zu laufen. Ich lag gut in der Zeit und überquerte am Mittag nach 35 Kilometern die Nationalparkgrenze. Von da an gab es kein Zurück mehr, da das Zelten außerhalb etablierter Zeltplätze ohne ein Permit, das nur persönlich im Backcountry Office erworben werden kann, illegal ist. Nach 13 Stunden erreichte Ich völlig ermüdet den Campground am nördlichen Rand des Grand Canyons. Ich werde wohl nie vergessen wie sich nach 120 Kilometern Wald auf einmal die schiere Endlosigkeit und Weite des Canyons im Abendrot vor mir auftat und mich die Strapazen des Tages vergessen ließ. Im Hintergrund waren die San Francisco Peaks zu sehen, darunter auch der höchste Berg Arizonas, Humphreys Peak, der eine stattliche Höhe von 3851 Meter aufweist. Kein Foto dieser Welt tut der tatsächlichen Schönheit des Canyons nur annähernd zu Genüge (Ich habe trotzdem mal eins angehängt). Nachdem die rote Kugel hinter dem Horizont verschwand und es allmählich zu dämmern begann, bemerkte Ich eine Gruppe von Leuten, die stark nach Thruhikern aussah. Der Verdacht bestätigte sich und Ich freundete mich mit fünf Amerikaner an, die aus allen Winkeln des Landes nach Arizona gekommen waren, um diesen Trail zu wandern oder mit dem Rad zu erkunden. Einer von ihnen hatten bereits ein Permit für den Bright Angel Campground am Boden des Grand Canyons organisiert und wie der Zufall es wollte, war noch ein Platz übrig. Ich musste nicht lange überlegen und sagte sofort zu. Am morgigen Tag würde ein kleiner Traum von mir wahr werden: Ich würde auf den Grund des Grand Canyons hinabsteigen.

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