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Ultraleicht Trekking

[IT] GTA 2020 - von Traversella (Valchiusella) bis nach Susa (Val di Susa)


sja

Empfohlene Beiträge

Wie jedes mal, wenn ich unterwegs bin denke ich, aaach… diesmal schreibe ich keinen Bericht, denn es ist alles nicht so profi-checker-mäßig, könnte alles viel doller, krasser mit Zelt und überhaupt… Nach und nach wird mir dann bewusst, wie viel ich erlebe, intensive Gefühlszustände (das „auf" wie auch das „ab"), die Freude, nette und besondere Menschen zu begegnen, den Stolz, meine persönlichen Herausforderungen mehr oder weniger richtig dosiert und diese letztendlich auch bewältigt zu haben.
In diesem speziellen Corona-Jahr kommt darüber hinaus noch eine große Dankbarkeit hinzu, dass ich das alles erleben darf. Mir wird deutlicher als sonst bewusst, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Also doch ein Bericht, eine schöne Möglichkeit alles nochmal zu durchleben, zu verlängern und festzuhalten.

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Ob es so entspannt werden würde?

GTA?

Für alle die die GTA nicht kennen: Es handelt sich um einen Fernwanderweg (Grande Traversata delle Alpi), der in Italien quasi eine Art Pendant zum GR 5 in Frankreich ist. Er erstreckt sich über den gesamten Westalpenbogen. Grob gesagt führt die GTA von der Grenze Schweiz/Italien  durch Italien bis nach Ventimiglia ans Meer. Die Etappen führen in der Regel über einen Pass und enden in kleinen Dörfern/Weilern in den Tälern. Dort übernachtet man in Albergos oder sogenannten Posto Tappas (Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer, die an Albergos oder Trattorien gekoppelt sind), manchmal steigt man nicht ganz so weit ab und schläft weiter oben in Hütten, den Refugios (welche ich aber nie überlaufen und voll erlebt habe). Man geht also von Tal zu Tal. Die Idee ist, dass die Einnahmen den Einheimischen direkt, d.h. den Unterkünfte, Restaurants, Tante-Emma-Läden oder Käsereien zugute kommen und die Alpentäler, die stark von Abwanderung betroffen sind, unterstützt werden.

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GTA: Von Tal zu Tal

Wo soll es hingehen?

Nachdem ich zwei Teilstücke aus dem Süden schon gemacht habe (unter anderem vor zwei Jahren vom Valle Maira bis ins Valle Gesso in den Seealpen), ist dieses Jahr der Norden dran. Allerdings soll das angepeilte Teilstück die „schwierigste“ Etappe der GTA beinhalten, irgendjemand bezeichnete sie auch als „Knchenbrecher-Etappe“ - ich bezeichne sie als meine persönliche „Angst-Etappe“. Es sollte sich im Laufe der zwei Wochen jedoch herausstellen, dass andere Leute unterwegs andere Etappen ebenfalls mit „soll die schwierigste Etappe der GTA sein“ betiteln. Hm. Dazu muss ich sagen, dass ich  Bewohnerin der norddeutschen Ebene bin, nicht gerade diejenige, die Mutproben magisch anziehen, "seilversicherte" oder "ausgesetzte" Stellen nicht zu meine Lieblingsvokabeln gehören und anderen die entsprechende Etappen-Beschreibeung sicher kein Kopfzerbrechen bereitet, quasi ein Klacks ist.

Wie auch immer, nachdem ich das ganze Web hinsichtlich Beschreibungen dieser Angst-Etappe durchforstet, viele Leute per mail ausgefragt habe und mittels YouTube-Videos den Weg in Slow-Motion abgegangen bin, habe mich trotzdem und nach viel hin und her für diesen Abschnitt, also nördlich von Susa entschieden. Gute 2 Wanderwochen reine Wanderzeit stehen zur Verfügung, dazu Zeit für  An- und Abreise mit dem Zug. Statt in Quincinetto (typischer Einstieg für diesen Bereich) steige ich etwas später von Traversella zur GTA auf.

Streckenabschnitt GTA 2020 (Traversella - Susa)
Von Traversella nach Susa

Zelt oder nicht Zelt?

Ursprünglich wollte ich kein Zelt mitnehmen. Insbesondere nach 5 Monaten Home-Office  habe ich Lust auf Begegnung mit anderen GTA-lern am Abend. Zumal ich weiß, dass es nie viele sind, es nie überlaufen ist und ich in der Vergangenheit so schon sehr schöne Abende verlebt habe. Ganz zu schweigen von dem vorzüglichen Essen. Egal wo man hin kommt, es gibt immer mindestens 3 Gänge, manchmal zusätzlich diverse Antipasti.

Da in diesem Jahr unklar war, wie die Mehrbettzimmer belegt würden, ob alle Posto Tappas offen sein würden, ich nicht alles durchtakten wollte mit frühzeitigen Reservierungen und es auch eine sehr lange Etappe gab, habe ich dann doch entschieden, zu Gunsten der Flexibilität, das Zelt mitzunehmen - auch wenn ich noch ziemlich unsicher und unerfahren bin, was das Finden eines ebenen Platzes in den Bergen angeht. Zelt also ja, aber eher als Zusatzoption.

Bearbeitet von sja
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Sa/So, 01./02.08.2020
Alpenüberquerung bei Nacht...

...mit ein wenig Häckmäck
Wie bereits erwähnt, sollte die Anreise mit dem Zug erfolgen. Bereits Ende Februar waren Super-Sparpreis-Tickets nach München und dann für den Nachtzug im Liegewagen nach Mailand gebucht. Corona machte den Nachtzug dann zu einer unsicheren Nummer. Wird er fahren, Ab wann? Unter welchen Bedingungen? Lange war Ende Juni als neuer Start- und Einsatztermin auf der Website der österreichischen Bahn veröffentlicht. Ich lasse jetzt mal unzählige Telefonate und Umbuchungen außen vor. Letztendlich hatte ich für die Hinfahrt ein Ticket über Bologna (da erst 2 Tage später der Zug München - Mailand eingesetzt wurde) und ich durfte (und musste, dank der italienischen Vorgaben) meine Reservierung umbuchen: Vorgabe war, es werden nur Privatabteile verkauft. Da ich allein unterwegs bin und in der Folge das Abteil alleine bezahlen muss, entschied ich mich, die Reservierung für einen Platz im Liegewagen in ein Privat-Sitzabteil umzubuchen. Eine Fahrt München - Mailand (bzw. Bologna) sollte 99 Euro kosten (ich glaube, der Preis gilt für max 3 Personen). Es handelt sich um Abteile „der alten Schule“, die Sitze kann man nach vorne ausziehen und hat dann eine Liegewiese. Ich fand den Preis fair und die Vorstellung die Nacht über das Abteil für mich zu haben, großartig.

Avanti
Da ich aus dem Norden komme und schon 5 - 6h Bahnfahrt mit Maske hinter mir habe, genieße ich meine großzügig gewählte Umsteigezeit und schlendere noch ein wenig durch Münchens Glockenbach-Viertel, gönne mir ein gutes Abendessen und steige dann um 19:30h in den Nightjet nach Bologna.

Bei jedem Bremsen schieben sich die Sitze von alleine ein Stück in die Horizontale, die Polyester-Vorhänge zum Gang wackeln in sanftem beige im Takt der Reise. Und dann sehe ich die ersten Berge. Ein Himmel, düster, wie so oft, mit dunklen Gewitterwolken. Mir fällt auf, dass ich in diesem Zug, der weiter nach Rom fährt auch schon bei meiner Tour in die Abruzzen saß. Die Stimmung war ähnlich.

Ziel am nächsten Tag und Start meiner Wanderung ist Traversella. Dummerweise komme ich an einem Sonntag an, da fahren in Italien gern mal keine Busse. Eigentlich weiß ich das. Keine Ahnung was ich mir da Anfang des Jahres gedacht habe. Auf meine freundliche Nachfrage im Vorfeld im Albergo Miniere, ob man mich am Bahnhof abholen könne, bekam ich schnell eine positive Rückmeldung. Super, für 20 Euro kommt jemand und fährt mich 35min von Ivrea das Tal hoch. Taxi hätte knapp das Doppelte gekostet und bei Ankunft am Bahnhof klappt auch alles wie geplant.

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viel gabs in diesem Ort nicht, aber eine Bar und ein Alimentari

Traversella ist ein netter kleiner Ort, das Albergo liegt am Dorfplatz und ich habe genug Zeit in Ruhe anzukommen. Ich sitze noch eine Weile  vor dem Albergo, trinke einen Vino, höre abwechselnd dem Regentrommeln zu, dem  Grollen von den Bergen und das unfassbar Geschnatter der alten Dämchen die ebenfalls ihren Aperitif trinken..

So langsam komme ich runter und genieße dieses typische abendliche Sein auf der GTA... Dorfplatz. Kommen, Gehen, Schauen, Beobachten, sich Phantasien hingeben, wer mag das sein, wohin gehen jene...Zuhören und vor allem Warten aufs Abendessen.

Das Menü am Abend ist natürlich fantastisch und ich beobachte die anderen Gäste. Alle Damen und Herren mindestens 70+, zum Teil mit Gehhilfen, die nicht den üblichen für die Berge entsprechen. Alle Seniorinnen und Senioren irgendwie auf ihre Weise sehr sweet und gut zurechtgemacht. Ich komme mir schon sehr schräg vor mit meinen Outdoor-Klamotten. Ich frage mich, wie sie wohl ihren Urlaub verbringen, rundherum Berge und bestimmt kaum jemand trittsicher. Ich tippe auf ausgiebiges Essen mittags wie abends, Siesta, Karten spielen und vielleicht mal einen Spaziergang. Ich werde natürlich genauso heimlich beäugt, denn als ich am nächsten Tag vor dem Aufbruch Proviant einkaufe, sprechen mich zwei der Damen, die gerade durch den Ort wackeln, an. Wir halten einen dieser netten kleinen Pläusche, die ich aus diesem Land schon kenne und mag und freue mich kurz nochmal in Kontakt gekommen zu sein bevor es in die Berge geht und mich in deren Sprache halbwegs verständlich machen zu können..

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Herrlich altmodischer Speisesaal. Ich saß rechts, Alle Seniorinnen und Senioren an der linken Fensterfront.

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Mo 03.08.2020
Aufstieg nach Succinto und ein schöner Abend mit Ezio und Totti...

Aber am Vortag erstmal Zimmer reservieren...
Der Plan war, von Traversella zur GTA aufzusteigen. Die GTA-Etappe kommt von Capanne, aber ich werde erst nach dem Pass auf 1400m auf die GTA stoßen, die weiter bis Fondo führt. Dort wollte ich eigentlich in der Trattoria übernachten, aber mein Versuche am Vorabend der Anreise zu reservieren waren vergebens. Auf meine SMS gabs keine Antwort. Mit einem alkoholischen Getränk habe ich dann versucht, meine etwas aufs Italienische trainierte Zunge zu lockern. Aber immer just in dem Moment, in dem ich zum Hörer greifen wollte, stand entweder eine Freundin unter meinem Balkon oder meine Schwester war am Telefon und wollte sich verabschieden. Wie mein Gemütszustand endete, könnt ihr euch ja denken :). Tatsächlich kam aber der Moment, in dem ich die Nummer wählte, aber och manno, die Mobilnummer existierte nicht und die Festnetznummer funktionierte nicht. Na super. Das hat sich jetzt gelohnt.

Eigentlich würde es sich anbieten, etwa weiter zu laufen und zu zelten, dann wär der nächste Tag (meine Angst-Etappe) nicht so lang, aber für dem Tag war morgens, mittags, abends Gewitter angesagt. Das muss dann auch nicht in der ersten Nacht sein.

Also doch die Unterkunft in Succinto, 45 Minuten vor Fondo. Aber auch da reagierte man am Sonntag weder auf mail noch SMS. In Traversella griff ich dann aber schon etwas beherzter zum Telefon. Aber auch hier ging niemand ran. Allerdings gabs 30 min später einen Rückruf, der mich natürlich auch sofort zusammenzucken ließ, als ich die italienische Nummer sah. Ach herrjeh, was sagt man jetzt, wenn man ran geht... „Pronto“? Wäre sicher richtig, aber irgendwie kam mir das einfach nicht über die Lippen. Es blieb bei einem einfachen „Ciao“. Giuliana, die Wirtin des Refugios El Pero schien mir etwas verwirrt (wahrscheinlich hat sie etwas anderes erwartet). Gleichwohl war sie aber auch aufgrund meiner schriftlichen Kommunikation bereits vorgebrieft und so war die Angelegenheit schnell geregelt, sie sagte, sie erwarte mich am nächsten Tag. Tutto bene.

Dann gehts los
An diesem Morgen schlafe ich bis 8h, ich habe zum Einlaufen nur eine kurze Etappe. Beim Frühstück bekomme ich mit, dass es in der Region Probleme mit dem Telefon fissò gibt, ecco là. Es macht Spaß den „anziani“ (alten Herrschaften) ein wenig zuzuhören. Draußen regnet es mal zwischendurch, aber kurze Etappe. Erstmal einkaufen.

Der Weg nach Succinto ist schön, aber im Aufstieg meist nicht spektakulär. Die Aussicht dann aber schon. Vor allem fängt es wie versprochen, richtig an zu regnen und zu gewittern.. Es grollt von fern. Ich entscheide mich, nicht den längeren Weg „del animi“ zu gehen sondern den etwas westlichen Weg, der parallel dazu verläuft.

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Blick auf Succinto

Ich komme relativ früh an und sehe aus dem Fenster meiner Kammer, wie 4 Menschen in Cape und Regenjacke, nicht mehr ganz tiefen-entspannt vor dem Refugio im Regen stehen und unschlüssig überlegen. Ich höre, dass sie deutsch sprechen und rufe ihnen zu, dass es hier sehr nett ist. Sie entscheiden sich, nicht weiter bis Fondo zu gehen, zumal sie auch nicht wissen, ob sie dort ein Bett bekommen. Totti sagt mir später, dass der freundliche Empfang in dieser Situation so gut getan hätte. Ich bin etwas überrascht, kann mir das dann aber vorstellen, schließlich haben die 4 schon ne ordentliche Strecke und nen Pass bei schlechtem Wetter hinter sich und da oben soll es richtig gegraupelt haben. Ich freue mich auf etwas Gesellschaft am Abend. Bislang war ich der einzige Gast.

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Rifugio del Pero

Das Rifugio del Però ist großartig - es wird mit viel Leidenschaft von dem unglaublich freundlichen und herzlichen Ehepaar Giuliana und Ezio betrieben. Ezio macht es sichtlich Spaß, die Leute zu unterhalten. Leider ist sein Italienisch etwas undeutlich.

Nach einem nachmittäglichen Bier und ein wenig „chiacchiere“ (plaudern) ziehen sich die anderen zurück und ich bleibe in der „Stube“. Im TV läuft Karl May, italienisch synchronisiet, das Feuer knistert im Bollerofen…

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Der Abend ist sehr unterhaltend. Ezio sorgt für Stimmung, es gibt nicht nur vorzügliches Essen, zum Nachtisch Bavarese, Ezio zaubert noch einen Muskat-Spumante hervor, es dürfen diverse selbst angesetzte Kräuterschnäpse probiert werden und einen Kräutertee zur Beruhigung des Magens und für eine wohlige Nacht wird von der „Magistra delle Erbe“ Giuliana persönlich zusammengestellt.

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Die Aufnahme eines gemeinsamen Fotos von Totti und Ezio macht den Abend rund. Ach ja, das hatte ich gar nicht erwähnt, einer der 4 Wandersleute hatte nach Meinung von Ezio eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem legendären Fußballspieler Totti aus Rom… naja oder mit Rudi Völler.

Bearbeitet von sja
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Di 4.8.2030: Succinto - Piamprato (1400 hoch / 1000 runter)
Die Angst- Etappe ;)

Heute die angeblich schwierigste Etappe - und meine erste „richtig“ des diesjährigen GTA-Abschnitts. Vom Valchiusella gehts an den Rand des Parco Nazionale del Gran Paradiso. Dieser wird mich dann die nächsten Tage noch begleiten.

Zuvor jedoch, beim Frühstück grüßt mich Giuliana von einem Martin aus dem Internet… ich weiß erst nicht genau, wen sie meint, aber dann ahne ich, dass ich mit ihm über wanderweb.ch (das Forum des Rotpunkt-Verlag  - hier gibt es aktuelle Informationen zu zugewachsenen Wegen, geschlossenen Unterkünften etc.) ausgetauscht habe. Wir wollten uns eigentlich in Ceresole treffen, aber da ich noch einen Schlenker gehen will, klappt das nicht. Er ist 1 - 2 Tage weiter als ich. Allerdings - wer weiß ob sich  unsere Wege nicht doch noch kreuzen… Bei der Gelegenheit lasse ich ebenfalls schöne Grüße an @zweirad ausrichten, der möglicherweise in 2 - 3 Wochen hier vorbeikommen könnte. Wir hatten uns quasi per PN auf die Tour gefreut, ausgetauscht und vorbereitet (er ist grad auf dem gesamten Nordteil und vielleicht noch weiter unterwegs…).

Ok, also Rother sagt „Langer Aufstieg, Beste Trittsicherheit benötigt der Abstieg, da Bodenlöcher von der Vegetation verdeckt sind und es ein paar schräge, bei Nässe rutschige Felsplatten zu überwinden gilt. Die Sicherungsketten sind nicht immer logisch angebracht." Schauen wir mal bei Herrn Bätzing. Er sagt: „Diese Etappe ist sehr lang und enthält beim Abstieg vom Pass ein ausgesetztes Wegstück, das Erfahrung und Schwindelfreiheit erfordert.“ In der Wegbeschreibung stehen dann noch so Sachen wie „danach gibt es noch einige schwierige Stellen mit glatten Felsen, die teilweise mit Gras durchsetzt sind und nicht mit Seilen gesichert sind, bei denen es gleich neben dem schmalen Pfad fast senkrecht in die Schlucht geht“.

So weit, so gut. Durch den netten Abend war ich eigentlich gut abgelenkt, das Wetter ist sehr gut und naja, habe Respekt, aber wird schon gehen.

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Mulattiera

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Valchiusella

Es fängt tatsächlich gemütlich an. Erstmal gehts ja nach Fondo und von da auf einer Mulattiera weiter entlang der „Chiusella“.
Der Weg zum Pass ist dann aber sooo lang. Vor allem das Stück von einer Alp, einem Sockel bis zum Pass geht nur noch im absoluten Schneckentempo. intuitiv fange ich an mit mir selbst zu sprechen, und was bleibt mir anderes übrig, mir gut zuzureden, weiter ins Detail gehe ich hier nicht. Aber das letzte Stück scheint ja immer nie Enden zu wollen. Hier besonders. Aber irgendwann bin ich oben und habe einen grandiosen Ausblick.

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Immer wieder eine schöne Alp

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Ist das schon der Gran Paradiso Nationalpark?

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Blick bis zur Poebene

Dann kommt der Abstieg. Ein kurzes Stück nach dem Pass kommt mir ein junger Italiener entgegengespurtet. Er fragt nach der Schwierigkeit des Weges auf der anderen Seite. Ich umgekehrt natürlich auch. Er meint, ein paar Löcher im Boden, aber nichts dolles. Naja, besagte Löcher, relativ steile Steinstufen stellen sich als sehr anstrengend heraus. Man muss einfach bei jedem Schritt konzentriert sein. Seilversicherte Stelle mit den schrägen Bodenplatten gingen sogar einigermaßen, aber bin trotzdem mit dem Hintern so halb runtergerutscht, vielleicht aber auch eher, weil ich im Kopf hatte, dass die so heikel sein sollen… Die ausgesetzte Stellen werden mit Herzklopfen gemeistert, Schritt für Schritt.

Der italienische Trailrunner (nicht wirklich rennend, aber sehr flott unterwegs)  mit orangenem T-Shirt und viel krausem Haar überholt mich zwischendurch wieder und scheint sich etwas um mich zu sorgen, mein Gesichtsausdruck muss was auch immer erzählen, dabei bin ich doch einfach nur fokussiert. Er fragt jedenfalls zweimal ob alles ok ist. Klar sage ich und hoffe, dass ich bald wieder alleine, ungesehen mit welchem Gesichtsausdruck auch immer den Berg runter schleichen kann…., einmal wartet er sogar 2 Minuten und fragt, ob er helfen kann… Dann gibt er auf und joggt davon.

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Durch die Schlucht

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noch weiter...

Ich komme irgendwann an, irgendwann ist man ja immer oben oder unten... das ist zumindest meine Idee. Als ich ankomme, sitzen Totti und seine Gang schon beim Bier auf der Terrasse und begrüßen mich mit freudigem „Hallo". Meine größte Sorge ist, dass sie schon seit 13h hier sitzen (nicht wirklich, aber ein bissl) - es ist 17:30h, ich bin um 7:10h gestartet. Angesetzt für die Etappe sind 7:15h netto. Aber angeblich sitzen sie erst eine Bierlänge (haben allerdings ne Badepause gemacht). So what, ich hab’s geschafft und exe eine Cola und genieße noch ein wenig in der Sonne. Dann sagt doch tatsächlich die Frau neben mir, es gäbe noch nen fieseren Abstieg auf der Etappe nach Noasca. Ihr Nachbar sei Bergführer und wär die GTA schon mal gegangen. Heavens!

Kurz darauf baue ich zum ersten Mal mein Zelt auf (hinter der Locanda Acquila Bianca gibts eine Zeltwiese). Ich bin die einzige Bewohnerin, dieser Zelt-/Camperwiese und habe Zugang zu WC und luxeriöser Dusche. Freu mich richtig auf die Zeltnacht. Im Posto Tappa wärs auch eng geworden, gibt zwar 2 dreistöckige Betten aber im obersten Stockwerk hätte man platztechnisch nahezu Probleme, sich umzudrehen, ohne an die Decke zu stoßen.. Insofern hat sich alles gut gefügt. Nochmal Abendessen mit Totti & co in der Locanda. Die vier fahren morgen mit dem Bus ein kurzes Straßenstück nach Roncò, um nach Talosio zu laufen. Ich mach die Schlenker-Etappe über den Colle della Borra in einen wohl unbekannten Teil des Gran-Paradiso-Nationalparks. Was für ein anstrengender Tag. Ich kann jetzt gar nicht sagen, ob die besagten Stellen so schlimm waren. Ich war einfach vom Aufstieg erschöpft und dann fokussiert, angestrengt, konzentriert und mit ein wenig Herzklopfen ging’s dann.

I did it! Am Ende happy.

Bearbeitet von sja
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Mi 05.08.2020: Piamprato - Campiglia Soana (1000 hoch / 1200 runter)
Manchmal lohnt es sich einen Schlenker zu machen...

Heute folge ich einem Tipp aus dem Rother. In 6h soll es von Piamprato über den Colle della Borra ins Valle di Campiglia gehen, man soll einen traumhaften Einblick in einen noch recht unbekannten Teil des Gran Paradiso Nationalparks bekommen. Die Rother-Authoren sollten Recht behalten.

Bei traumhaftem Wetter komme ich erst um 8:30h los. Nach dem anstrengenden Tag gestern, lasse ich es entspannt angehen. Ich muss beim Frühstück etwas improvisieren, da ich meinen Glöffel zu Hause vergessen hatte. Abhilfe schafft der Griff meiner Zahnbürste (als hätte ich es geahnt, habe ich das klappbare Hinterteil vorher nicht abgemacht, e voià double-use…). Nicht ideal, aber muss meinen Porridge somit nicht mit den Händen "löffeln".

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Auch heute zieht sich der Anstieg etwas. Dafür ist der Ausblick von dem 2548m hohen Colle della Borra ist heute umwerfend - wow! Ich sehe einen Italiener, der mich zwischendurch überholt hat, lasse mich auf einem etwas nicht eindeutigen gerölligen Stück von ihm ablenken und gehe in seine Richtung. Als ich oben bin, merke ich, dass ich vom Weg abgekommen bin und nicht auf dem Pass stehe sondern noch weiter oben. Ich brauche einen Moment, bis ich mich orientiert habe, finde dann aber den Weg zum Pass.

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Der Abstieg ist wieder sehr lang, der Weg ist etwas kaputt, viele Steinstufen machen das Gehen mühsam, aber insgesamt besser als gestern. Die Sonne bruzelt und bruzelt, kein Schatten durchweg auf der ganzen Etappe. Ich bin aber eigentlich ganz froh darüber. Besser als Gewitter, zumal die Sicht einfach genial ist. Sonnencreme wird wohl nicht ganz dagegen ankommen, fürchte ich.

Campiglia ist ein nettes Örtchen. Die ersten Schilder weißen mich darauf hin, dass ich im Gran Paradiso bin und gewisse Regeln zu beachten habe. Ich bin die einzige Wandererin in dem Posto Tappa Phoenix, das erst im zweiten Jahr besteht. Zuvor hätte man die Etappe bis Ronco gehen müssen, was die Etappe deutlich verlängert hätte. Zum Posto Tappa gehört eine kleine Trattoria, wo ich abends wieder gut versorgt werde und ich mich sehr wohl fühle. Der Chef bietet mir an, mich morgen mit dem Auto nicht nur nach Valprato sondern direkt nach Ronco zu bringen, da der Bus aufgrund von Corona nicht wie von mir recherchiert von Campiglia nach Valprato bzw. Ronco fährt. - Prima, das erspart mir sehr viel Asphalt und die Strecke morgen ist lang genug. Er will zwar nicht so früh los, aber der Bus wäre auch nicht so früh gefahren und zu Fuss wäre ich auch ne Weile unterwegs und das auf Asphalt.

Habe ich schon erwähnt, das ich einen Monster-Muskelkater habe? Hoffentlich stellt sich bis morgen ein Trainingseffekt ein, wenn ich sehe, was an Höhenmetern die nächsten Tage auf mich zukommt....Glaub in Ceresole braucht’s n Ruhetag ohne Ausflug. Auch wenn mein Plan war, von da aus hoch zu einem See aufzusteigen und dort zu zelten… Aber bis dahin sind ja erstmal noch der ein oder andere Pass zu bewältigen.

Bearbeitet von sja
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Do 06.08.2020: Ronco - Talosio (1170 rauf / 890 runter)
Niemals spät aufbrechen!

Der Wirt fährt mich am Morgen die Straßenkilometer von Campiglia nach Ronco, allerdings erst um 9:30h. Dort angekommen will ich noch etwas Proviant einkaufen und stelle mich in die bei den kleinen Läden übliche Schlange, denn auch in Italien dürfen sich in die Alimentari meist nur 2 Leute gleichzeitig aufhalten. Der Plan ist heute, ein Stück nach Talosio ein Plätzchen für das Zelt zu suchen. Das Posto Tappa in der alten Schule soll nicht so attraktiv sein und ich könnte die Etappe danach etwas abkürzen.

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Alimentari in Ronco: Andra tutto bene - alles wird gut.

Es ist also schon recht spät, als ich loslaufe. Dummerweise passe ich nicht richtig auf und die rot/weiße Markierung leitet mich auf die falsch Seite des Baches und ich handle mir damit 45 Minute extra Weg ein. Hätte ich die Wegbeschreibung richtig gelesen wäre das nicht passiert. Egal.

Mitunter ist der Weg nicht ganz eindeutig, aufgrund verwirrende Kuhpfade, aber es geht schon. Meter um Meter nähere ich mich dem Pass Colle del Crest.

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Der Abstieg ist heute angenehmer, aber irgendwie merke ich die letzten Tage in den Knochen und dass ich ganz schön k.o bin. Ich habe mich ziemlich bemüht im Vorfeld, Kondition aufzubauen. Aber im Flachland... Berge sind dann doch was anderes. Glaub, da hat man keine Chance.

Aufgrund der sich anzeigenden Erschöpfung denke ich, wenn ich unterhalb an der nächsten Alpe Wasser kriege, zelte ich vielleicht doch vor Talosio? Ein Stück oberhalb des Kloster (schätze 30min oberhalb) finde ich dann was, nicht ganz eben, aber egal. Da es schon recht spät ist, entscheide ich mich, hier zu bleiben. Mag einfach nicht mehr. Werde das morgen schon hinkriegen, auch wenn die Etappe morgen auf 7:30h angesetzt ist. Ob das klug war, wird sich morgen zeigen.

Beim Aufbau des Zeltes achte ich immerhin darauf, dass der Kopf erhöht liegt. Immerhin. Einen Löffel habe ich mittlerweile aus dem Posto Tappa in Campiglia, da gabs ne Gemeinschaftsküche, in der Einmalbesteck rumlag.

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Couscous mit selbst getrocknetem Gemüse, Parmesan und Walnüssen... 

Bearbeitet von sja
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Fr 07.08.2020: Talosio - San Lorenzo (1370 rauf / 1550 runter)
Vom Ankommen...

Heute hab ich gedacht, ich breche ab. Bin halbwegs früh losgekommen, brauchte ja nicht auf Frühstückszeiten zu achten... um genau zu sein um 7:10h. Ich dachte, ich sei nur 30 min von Talosio bzw. von dem Kloster davor entfernt (vielleicht hab ich es mir gestern Abend auch eingeredet, weil ich nicht mehr weiter wollte). Nee, der Wegweiser sagt 1h. 1h zusätzlich zu den 7:30h, die Rother für die Etappe angibt (Bätzing sogar 7:50h). Puh. Zumal die Zeitangaben auf den Wegweisern nicht wirklich immer realistisch sind, zumindest für mich. Zu den 1550 Höhenmeter im Abstieg kommen ja auch noch einige weitere dazu. "Gut markiert, größtenteils wenig ausgeprägter Weg, steinige Passagen, mehrere Gegenanstiege (2 Pässe), mürbe machende Endabstieg.." Naja irgendwie wird’s schon gehen. Vielleicht hat mein Körper ja auch schon gelernt, dass er lange An- und Abstiege bewältigen muss.

Ich will heut Abend in dem Posto Tappa der Trattoria San Lorenzo übernachten, dort kann ich auch, wenn es voll ist, das Zelt aufbauen und die Dusche nutzen. Mit den Leuten dort hatte ich im Vorfeld schonmal gemailt und gefragt, wie die Situation vor Ort so ist, coronatechnisch.

Allora, Der Aufstieg geht eigentlich, denke ich.., aber das war noch nicht der Pass. Oben gehts ein wenig hin und her, dann stehe ich irgendwann auf dem namenlosen Pass und warte nun auf besagten Gegenanstieg.

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"Warten" ist vielleicht nicht das richtige Wort... ich erwarte ihn... erhoffe ihn bald zu erklimmen. Erstmal gehts runter zum Stausee. Dann irgendwann wieder rauf...

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Vom Stausee aus ginge nochmal über einen Pass

Der Gegenanstieg kommt erst viel später. Und ja es zieht sich (hm, das schreibe ich bei jedem Pass, fällt mir grad auf). Und ganz eindeutig fand ich die Wegführung auch nicht. Mittlerweile war es schon später Nachmittag. Ich fange an mich mächtig zu beeilen. Auf dem Colle di Colla habe ich noch nicht mal Fotos gemacht. Versuche mich nochmal im Posto Tappa in San Lorenzo anzukündigen. Der Wirt antwortet, er hätte schon einige Gäste, er müsse erst die anderen fragen, ob ich noch mit aufs Zimmer kann. Naja, ich kann ja sonst im Garten zelten. Aber ein Bett wäre mir heute schon sehr recht. Wer weiß, wann ich ankomme. Da mir aufgefallen ist, dass das Wochenende ansteht, habe ich am Vorabend auch schon für den nächsten Tag versucht zu reservieren. Als ich zwischendurch Netz habe, wird die Anfrage abgewiesen. Seltsam. In dem Posto Tappa gibt es eigentlich viele Betten und es ist doch kaum jemand unterwegs. Als ich die Rückmeldung bekomme bin ich eh schon erschöpfungsmäßig weit unten, die Nachricht demoralisiert mich zusätzlich.

Während es weitergeht, überlege ich, was tun. 1 Nacht länger in San Lorenzo - Pause täte gut... oder irgendwie mit Bus nach Ceresole und eine Etappe überspringen... ob das geht? Zelten? Auf Noasca (das wäre der nächste Ort) hab ich grad kein Bock mehr. Die waren so unfreundlich. 
Ich renne förmlich den Berg runter und bin nicht wirklich guter Stimmung, denn es ist schon wirklich spät. Ich will es noch zum Abendessen schaffen. Die Uhr ist gegen mich. Endloser Abstieg. Nich soo schwierig, abgesehen von den steilen Grashängen mit unklarer Wegführung. Aber das geht schon.

Um 20:30h komme ich erschöpft an. Ich sehe durch das Fenster der sehr sympathischen, einfachen Trattoria schon Gäste an einem langen Tisch beim Abendessen sitzen, darunter scheinbar auch GTA-ler? Der Anblick dieser Szenerie macht mich wirklich sehr glücklich. Der Wirt kommt mir an der Tür entgegen und reagiert sehr freundlich auf meine Entschuldigung, dass ich so spät bin.

Meine Frage nach einem Bett wird mit „Si“ beantwortet. Ein deutsches Wander-Paar hat nix dagegen, dass ich im gleichen Mehrbettzimmer schlafe. Auch dafür bin ich sehr dankbar. Die Welt ist wieder ein bissl in Ordnung. Durch die Garage gehts in einen Keller zum Hinterhauseingang raus und die Außentreppe des Nachbarhauses rauf, den "Balkon" entlang, dann gibts im 2. Stock zwei Mehrbett-Zimmer und ein Gemeinschafts-Bad. Typisch GTA. Gefällt mir. Einfach, aber mit Charme. Kurze Katzenwäsche. Schnell zum Essen,  Höllen-Hunger, geduscht wird später.

Beim Essen komme ich schnell ins Gespräch mit den anderen sehr netten GTA-lern: ein Paar, mit denen ich das Zimmer teile und drei junge Mädels, wovon eine ebenfalls solo unterwegs ist. Die Mädels waren sicher schon seit Stunden hier, seufz. Das Paar kam heute mit dem Bus an. Ich erzähle, dass ich in Noasca kein Bett bekommen habe, worauf die anderen ganz entspannt erwidern, „ach, lass mal den Wirt reservieren“. Als dieser fragt, für wen er für morgen ein Bett reservieren soll, hebe ich mitgerissen von der Gruppendynamik einfach meine Hand und schwupps habe ich ein Bett für den nächsten Tag in Noasca. Nix abbrechen..., keine Pause. Ok geben wir der Tour noch ne Chance ;). Irgendwie bin ich aber auch froh, dass ich weitergehe. In Ceresole dann aber wirklich Pause!

Mit schmerzen Muskeln und auch leicht zuckelnder Hüfte gehe ich ins Bett. Heute bin ich definitiv an meine Grenze gekommen.

Bearbeitet von sja
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Am 25.8.2020 um 19:33 schrieb sja:

Di 4.8.2030: Succinto - Piamprato (1400 hoch / 1000 runter)
Die Angst- Etappe ;)

(...)

… Bei der Gelegenheit lasse ich ebenfalls schöne Grüße an @zweirad ausrichten, der möglicherweise in 2 - 3 Wochen hier vorbeikommen könnte. Wir hatten uns quasi per PN auf die Tour gefreut, ausgetauscht und vorbereitet (er ist grad auf dem gesamten Nordteil und vielleicht noch weiter unterwegs…).

(...)

Herzlichen Dank liebe sja.

Ich bin am 25.8 tatsächlich dort durchgekommen. Da ich weiter oben in der Alphütte von Giorgio und Alessio übernachtet habe, habe ich in Succinto aber lediglich vor der Kirche gefrühstückt und bin dann weiter. Hab dann in der Trattoria Ponte in Fondo noch kurz einen Kaffee getrunken. Alles weitere dann in meinem Bericht, wenn ich wieder zu Hause bin:)

Dafür hat mich dann gestern dein anderer Gruss erreicht;-)

In der Zwischenzeit lese ich hier sehr gerne weiter (wenn ich mal wieder ein WLAN habe), auch wenn ich das eine oder andere bereits aus erster Hand erfahren habe.

 

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vor 4 Stunden schrieb zweirad:

Ich bin am 25.8 tatsächlich dort durchgekommen. Da ich weiter oben in der Alphütte von Giorgio und Alessio übernachtet habe, habe ich in Succinto aber lediglich vor der Kirche gefrühstückt und bin dann weiter.

Ah, das war in der Alpe Chiaramonte, die hab ich ja verpasst, da ich erst etwas später auf die GTA gestoßen bin, aber jede/jeder den/die ich getroffen habe, der/die da vorbeikam hat mir ein Foto von Giorgio gezeigt. Der arme muss sicher fast täglich als Fotomodell herhalten :lol: Das war sicher nett, bei den beiden zu übernachten. Freu mich auf deinen Bericht und wünsche dir noch weitere nette Begegnungen und eine schöne Tour.

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Sa 08.08.2020: San Lorenzo - Noasca (810 rauf / 790 runter)
Die Geschichte mit dem blauen Schuh beginnt...

Bevor ich heute aufbreche, noch ein Eintrag ins Gästebuch und einen Gruß an @zweirad, (der ihn, wie ich seit gestern weiß ja dann auch gefunden hat, wie schön). Die Wirtin erklärt uns noch, dass der offizielle Weg oder Abstieg (?) teilweise zugewachsen ist. Wir sollen den Pilgerweg kurz nach der Kapelle ins Tal nehmen.

Dem Aufstieg folgt ein entspannter Abschnitt entlang der Höhenlinie bis zu besagter Kapelle. Zwischendurch kann ich tatsächlich mal eine ausgedehnte Mittagspause machen und einfach auf der Wiese in der Sonne liegen. An dem kleinen pittoresken Kirchlein treffe ich meine Mitbewohner und gehe mit ihnen ab hier zusammen. Wir entscheiden uns, den empfohlenen Weg ins Tal zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die Hoffnung, unten eine Brücke über den Bach zu nehmen und den auf meiner Wanderkarte eingezeichneten Weg jenseits des Bauches gehen zu können. Das würde bedeuten, keine Autostraße. Der Abstieg durch einen hübschen Wald lässt sich gut gehen.

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Unten angekommen sehen wir gleich die angedachte Holzbrücke. Also, auf die andere Seite, bis wir wieder auf die GTA treffen. Eine Frau, die aus einem der Fenster der Häuser jenseits des Baches schaut, sieht unser Vorhaben etwas kritisch und meint, der Weg sei kaputt, aber wenn wir gute Wanderer seien, könnten wir es ja versuchen. Hm, was sind „gute Wanderer“? Wir geben auf jeden Fall wirklich unser Bestes, müssen aber irgendwann feststellen, dass es einfach nicht weitergeht bzw. es keinen Weg mehr gibt. Die nächsten Stunden nur noch durchs Unterholz kämpfen - muss nicht sein. Also alles wieder zurück, zur Straße und dieser folgen. Die Straße ist leider sehr eng wir müssen echt aufpassen angesichts des Verkehrs. Die Lage bessert sich etwas, weil die Straße breiter wird, aber wir kommen nur langsam voran und es macht wenig Laune. Ab Prà, wo wir wieder auf die GTA treffen würden, sind es immer  noch 1 Stunde bergan. Und bis Prà ist es noch ein ganzes Stück.

Durch die Sucherei auf der anderen Bachseite haben wir viel Zeit und Energie verloren. Es ist spät, wir sind müde und nicht mehr so motiviert. Sollte die Bushaltestelle weiterhelfen? In Corona-Zeiten ist das mit den Bussen so eine Sache..., es kommt kein Bus, der kommen könnte und sollte. Wir überlegen, ob wir trampen, aber auch hier... zu Corona-Zeiten erfolgsversprechend? Wir beschließen, drei Autos eine Chance zu geben, klappts nicht -  dann laufen wir weiter. Das erste Auto, ein Camper, hält nicht, das zweite Auto fährt langsam aus einer drei Häuser Siedlung in der Nähe der Bushaltestelle… ich versuche mein freundlichstes Lächeln aufzusetzen und siehe da, das Auto hält (also, ich will jetzt damit nicht sagen, dass es an meinem Lächeln gelegen hätte...). Die Stimmung steigt wieder. Ein ganz netter Mann nimmt uns mit. Ich sitze vorne und versuche mich im Smalltalk auf Italienisch und freue mich irre, dass das klappt. Er lässt uns in Noasca auf dem Dorfplatz raus. Wir bekommen im Posto Tappa Gran Paradiso ein Zimmer - nach etwas anfänglichen Schwierigkeiten, denn der Angestellte scheint nicht wirklich zu wissen, was Sache ist. Aber egal.

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Als wir auf dem Zimmer sind, stellt S. fest, dass ihr zweiter (ehemals am Rucksack befestigter) Trailrunning Schuh fehlt (sie hat zwei Paar Schuhe mit, da sie beim Auf- und Abstieg mit unterschiedlichen Schuhen unterwegs ist). Wir überlegen, wo sie ihn wohl verloren hat und vermuten, dass es beim Ein- oder Ausladen des Gepäcks in das Auto passiert ist.
Als wir beim Abendessen sitzen, sieht S. plötzlich, wie draußen der Fahrer von eben sitzt. Sie flitzt hinaus, ich hinterher (sie kann kein italienisch), und wir schauen alle gemeinsam nochmal im Kofferraum des Wagens nach. Nichts. Am Abend rufe ich auf Wunsch meiner "Mitbewohnerin" in San Lorenzo an und bitte die Wirtin , die nächsten Wanderer zu instruieren, dass sie nach einem zweiten blauen Salomon-Schuh Ausschau halten sollen und ihn mit nach Noasca, besser noch bis nach Ceresole (wo die beiden morgen für zwei Nächte sind) mitbringen. Sie versteht mich sogar einigermaßen und stimmt zu. Aber ob die den Schuh finden werden? Ich bin skeptisch.

Das Abendessen ist zwar lecker, aber es wird alles komplett in Einweg-Geschirr serviert. In einem ganz normalen Ristorante: Pappteller, Plastikgläser, Plastikbesteck, selbst der Kaffee im Pappbecher. Man stelle sich den Müllberg an jedem Abend vor.

Bearbeitet von sja
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So 09.08.2020: Noasca - Ceresole Reale (980 rauf / 550 runter)
Die gemütliche Wanderung…

Trotz geringerer Höhendifferenz war der Tag gestern durchaus auch ein kleines Abenteuer. Heute erwartet mich „Eine gemütliche Wanderung…“.  So beginnt jedenfalls die Etappenbeschreibung. Nach den letzten 6000 (?) Höhenmetern hätte ich nichts dagegen. Let’s see. Das Höhenprofil sieht zumindest etwas angenehmer aus und 4:30h -  eigentlich ein Klacks. Ziel der Etappe ist das „smiling valley“, wie ein Alpinist von anno 1859 es nannte. Wir sind gespannt.

Der erste Anstieg führt auf einen alten, steilen Saumweg durch den Wald. Alles prima. Man kommt an mehreren hübschen, verlassenen Weilern vorbei. In dem Ruinendorf „Maison“ auf 1567m beispielsweise gibt es ein altes museales Schulhaus, mit hergerichteten Schulzimmer, im Geisterdorf Capelle sieht man noch an einem sehr alten halb verfallenen Haus ein Wandgemälde.

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Weiler auf dem Weg

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Vecchia Scuola di Maison

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Ein nachgestelltes Klassenzimmer

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Geisterdorf Capelle

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herzallerliebst...

Nach dem "Museum"  (Vecchia Scuola di Maison) geht der Weg höhenlinienparallel weiter. Ab und an hat man einen schönen Blick. Dann geht es noch eimal steil den Hang hinauf auf einen Sattel. Ich komme am höchsten Punkt dieser Etappe an, der Alpe Prà del Cres auf 2002m.

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Kapelle von Borgo Vecchio. Es geht nochmal hinauf

S. nebst Gatte und ich wechseln uns heute immer mal wieder ab. Mal laufen sie voraus, mal treffen wir uns, gehen ein Stück zusammen, machen Pause, mal bin ich vorne. Das funktioniert ganz schön. Bevor es an den Abstieg geht, kurz vor der Alp Casa Bianca hätten wir uns beinahe noch mal verfranzt. Wir sind der rot weißen Markierungen gefolgt und wären beinah wieder aufgestiegen. S. war so geistesgegenwärtig, dass ihr auffiel, dass es eigentlich nicht mehr hoch gehen kann. Und mein Navi bestätigte, dass wir falsch sind.

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Abstieg nach Ceresole

Der Abstieg war dann ganz okay und zum ersten Mal bin ich nicht fix und fertig angekommen. Im Rifugio Fonte Minerali habe ich Glück mit dem Zimmer. Ich werde in die Casa del Bosco geschickt. Es ist ein kleines Hexenhäuschen hinter dem eigentlichen Refugio auf einer kleinen Anhöhe. Eigentlich ist es ein kleines Ferienhäuschen, unten Küche und winziges „Wohnzimmer“, oben ein Mehrbettzimmer und ein Dreibett-Zimmer. Sehr hübsch. Ich habe Glück und bin allein in dem Mehrbett-Zimmer. Viele junge Leute arbeiten im Rifugio. Das liegt wohl daran, dass die Gegend auch Klettergebiet ist.

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Mein Zimmer für die nächsten zwei Nächte..

Mal sehen was die kommende Woche bringt. Die tief eingeschnittenen Lanzo-Täler stehen an. Das Wetteraussichten sind so naja - viele Gewitter, aber ich versuche mich nicht verrückt zu machen und nicht zu viel zu grübeln, warten wir mal morgen ab. Ich bleibe wie angekündigt, 2 Nächte hier. Mittlerweile ist ein neues Dreigespann auf dem Trail… erste Kontaktaufnahme hat bereits stattgefunden.

Bearbeitet von sja
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Mo 10.8.2020
Mit den Bus in den "Cuore del Parco"…

Heute ist ein Ruhetag angesagt. Ursprünglich wollte ich eine kleine Tour zum Lago del Dres machen, dort zelten und am nächsten Tag von da aus auf die Etappe, aber brauche etwas Ruhe und es soll auch schlechtes Wetter geben. Ich könnte gut den halben Tag im Bett verbringen, lasse mich aber von den anderen mitreißen und fahre mit dem Bus hoch zum Colle del Nivolet auf 2612m (ins Herz des Nationalparks). Der Touri-Ausflug verspricht beeindruckende Blicke auf den Gran Paradiso und viele vergletscherte 3000er.

Leider stimmt der uns ausgehändigte Busfahrplan nicht und wir müssen im Ort etwas ausharren, aber Ich bin ganz entspannt, um 9h hätte ich heute nicht an einer Bushaltestelle stehen mögen und so ein bissl in der Sonne abhängen find ich ganz schön.

Um 11:30h Uhr gehts also hoch, die Fahrt dauert knapp 1 Stunde und ist schon extrem beeindruckend. Wir fahren auf der Pass-Straße mitten durch den Grand Paradiso Nationalpark und es ist wirklich verwunderlich, dass diese so hoch hinauf führt. Wir vermuten, dass der Stausee der Grund dafür ist, aber es gibt noch wesentlich weiter hinauf. Leider wird das Wetter immer schlechter, je höher wir kommen.

Beim Rifugio Savoia steigen wir aus. Wie zu erwarten, ist es sehr trubelig, obwohl noch nicht mal Wochenende. Die Sicht ist nicht besonders. Wir kommen auch nicht sehr weit zu Fuß, es fängt an zu regnen und in der Ferne grummelt es ordentlich, d.h. wieder Rückzug. Mittlerweile ist der Regen stärker geworden und es bleibt uns nichts weiter übrig, als unter einem Vorsprung der Hütte Schutz zu suchen.

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Auch wenn die Landschaft bei gutem Wetter vielversprechend ist, ist mir deutlich zu viel los, ich spüre akuten Schlafmangel und sehne mich in meine Kammer im Tal zurück. Weil das Wetter so schlecht ist, ist der Bus um 15:00 Uhr proppenvoll. G. macht die Luken oben auf, aber nach kurzer Zeit werden sie von einem Fahrgast schon wieder geschlossen. Anscheinend weiß dieser nichts von guter Durchlüftung gegen COVID-19, wir hoffen das Beste. Das erste Mal auf der Reise, dass mir coronatechnisch etwas mulmig ist.

Im Dorf steige ich aus, um noch etwas Geld abzuheben und esse ein zweites Pannini in einer Bar. Der Regen hört auf, die Sonne scheint wieder und auf einem sehr schönen Spazierweg am Stausee entlang gehe ich weiter zum Rifugio. In der Unterkunft angekommen wasche ich mal meine Hose, die wirklich Wasser und Seife nötig hat (zum Abendessen muss ich dann mit Long Johns und Regenrock gehen, so what) und lege mich ein halbes Stündchen aufs Ohr.

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Die Wetteraussichten für die nächsten Tage sind wie schon erwähnt, nicht so doll. Ich hab schon die letzten 24 Stunden intensiv überlegt, was ich denn tun könnte und beschließe, die morgige Etappe trotzdem zu gehen. Zum Pass sind es nur 3h, selbst wenn es ein Gewitter gibt, müsste ich dann schon einigermaßen weit unten sein, wenn ich bei Sonnenaufgang starte - auch bei langer Etappe. Danach sieht man weiter. Die anschließende Etappe nach Balme (8h, 1670 rauf, 1230 runter) wollte ich eigentlich in 2 Tagen gehen und oben zelten. Aber bei hoher Gewitterwahrscheinlichkeit muss ich das nicht haben.

Ich gebe zu, das Gewitterthema in Kombination mit der Etappe übermorgen nach Balme macht mir etwas Sorge, auch wenn ich eigentlich weiß, dass die Gewitter auch oft nicht kommen und - wie eine Freundin immer so schön sagt - die Statistik auf meiner Seite ist. Nach dem Abendessen tausche ich mit der neuen 3er-Seilschaft Telefonnummern und verabrede, falls ich es nicht schaffe und morgen doch zelte, rufe ich an. Die nette Geste meiner neuen Mit-Wanderer und das Wissen, dass sie auch losgehen, hilft.

Zwei Neuankömmlinge bleiben wegen der Wetteraussichten hier und machen Tagestouren. Schauen wir wie’s weitergeht. Vielleicht bin ich auch gut ausgeruht und alles flutscht. Ach ja, die Neuankömmlinge haben den blauen Schuh nicht gefunden, S. und ihr Mann umfahren morgen die langen Etappen mit dem Bus.

Bearbeitet von sja
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Di 11.8.2020: Ceresole - Pialpetta (1170 rauf / 1610 runter)
Gibt es eigentlich auch sowas wie den 'Hikers High'?

In den nächsten Tagen warten drei Täler auf mich, die sogenannten Lanzo-Täler. Man stelle sich den in Nod-Süd-Richtung verlaufende Grenzkamm mit einer Höhe von 3000 - 3600 m vor, davon im rechten Winkel abgehend das Val Grande, Val di Ala und das Valle di Viù. Alle drei vereinen sich dann in der Kleinstadt Lanzo, daher der Name Lanzo-Täler. Turin ist nicht mehr weit. Was sie ausmacht, ist unter anderem, dass sie tiiiief eingeschnitten sind (was das für das Tagespensum bedeutet ist klar...) und einen tollen Blick zum vergletscherten Alpenhauptkamm, zumindest bei guter Sicht, bieten. Höhepunkt könnte anschließend die Besteigung des Rocciamelones sein, mit seinen 3538 m.

6:35 h Abmarsch und ein Porridge-Päckchen leichter. Die anderen, die im Haupthaus übernachtet haben, mussten auf trickreiche Weise zu ihrem Frühstück durchdringen. Angeblich sollte alles zur Selbstversorgung bereit stehen. Offiziell gibt es erst ab 7:30h Frühstück, aber auch im Haupthaus bsteht der Wunsch, wegen der Gewittergefahr früh los zu gehen. Schöne Idee mit der Selbstversorgung, nur leider war wohl die Tür verschlossen, so das die Truppe sich etwas einfallen lassen musste. Die Lösung des Problems war, einfach durchs Fenster einzusteigen - was sonst. Die jugendliche Mannschaft des Refugios war ist sehr nett, aber auch ganz schön verspielt und der Informationsfluss etwas lückenhaft.

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Bevor ich in den Wald gehe, noch einen Blick auf den Stausee und den ein oder andern Berg, der von der frühmorgendlichen Sonne zauberhaft angestrahlt wird. Begleitet werde ich heute morgen in geringem Abstand von zwei jugendlichen Halbstarken mit Hund (welcher aber überraschend lieb ist). So ganz geheuer sind mir die beiden nicht, was machen die so früh im Wald, warum tun sie sich den anstrengenden Weg um die Uhrzeit an, so nach Wandern sehen die nicht aus. Irgendwann treffe ich auf eine Schafherde und verstehe, was die Jungs vorhaben. Sie kümmern sich doch tatsächlich um die Schafe, wer hätte das gedacht. Zwei halbstarke Hirten.

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Die Aussicht bleibt den ganzen Anstieg über grandios. Ich muss mich ständig umdrehen, um die tolle Bergkulisse zu genießen. Irgendwann hole ich die Seilschaft ein, sie macht in einem Hochtal Pause und übergibt mir quasi nach einem kurzen Schwätzchen den Platz für das zweite Frühstück und gehen weiter.  Ich bin gar nicht so schlecht mit meinem Tempo!

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Ich schraube mich den Berg von Alpterrasse zu Alpterrasse nach oben. Heute flutscht es ganz gut. Ab dem Piano dei Monti dann Blockgestein. Aber alles super markiert. So finde ich relativ entspannt und noch mit echt guten Kräften auf den Pass. Die anderen erwarten mich oben, winken mir zu und mir entweicht ein mehrfaches Jauchzen. Wenn ich wüsste, dass es das gäbe, würde ich sogar sagen, ich hatte einen kleinen 'Hikers High'. Naja ich habe 1200m Anstieg hinter mir und bin relativ flüssig hochgelaufen und bin einfach richtig happy.

Der Gran Paradiso ist von ein paar Wölkchen verhangen, so dass er nicht mehr ganz so gut zu sehen ist, aber die gesamte Bergkette auf beiden Seiten des Passes ist phantasisch. Ich bleibe nicht lang oben, überlasse den beiden betagten, aber topfitten Italienern, die von der anderen Seite kommen, den Pass und mache mich lieber schnell an den langen Abstieg. 1500 m geht es runter die Gewitterwahrscheinlichkeit bleibt, aber das Wetter ist eigentlich noch recht schön.

Um 15:00 Uhr komme ich im Albergo Setugrino in Pialpetta an, die Damen der Seilschaft sitzen auf der Terrasse und begrüßen mich herzlich. Ich setze mich mit bester Laune dazu, heute hatte ich echt nen Flow. Bestelle mir ein leckeres Bier. Der Chef des Albergos ist ganz entspannt, begrüßt mich mit meinem Namen, ich fühle mich sofort sehr willkommen. Auf meinem Zimmer versuche ich etwas zu dösen aber richtig schlafen kann ich nicht. Bei einem Blick auf die Etappenbeschreibung der nächsten Tage fällt mir ein, dass ich dringend meine Unterkünfte fürs Wochenende reservieren sollte. Am 15. August ist Ferragosto (DER italienische Feier- und Ausflugstag). In Balme klappt's gerade noch so und in Usseglio ist alles dicht, aber als ich frage, ob ich hinterm Haus zelten kann, kam ein selbstverständliches "Si certo" (ja, sicher). So kann ich mit den anderen noch einmal gemeinsam den Abend verbringen, bevor sie abreisen.

Das Abendessen hier im Setugrino ist vorzüglich, es gibt wieder Pasta und viele, viele Gänge, zum Nachtisch leckeren Apfelstrudel wer hätte das gedacht. Der Wirt packt uns für morgen früh ein Frühstücks-Paket samt Kaffee in der Thermoskanne fürs Zimmer. Auch morgen wollen wir wieder so früh wie möglich los. Es wird ein langer Tag mit vielen Höhenmetern. Nach der Mammut-Etappe werde ich in Balme nochmal einen Pausenta machen.

Heute lief es aber echt gut. 6:38h - 15h. Geht doch.

Bearbeitet von sja
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Mi 12.8.2020: Pialpetta - Balme (1670 rauf - 1230 runter)
Mein längster Aufstieg... 

6:10h geht, nach einem gut gemeinten, aber leider kalten Kaffee aus der Thermoskanne los. Es wird gerade hell. Schon kurz nachdem ich aus dem Posto Tappa raus bin, sehe ich schon wieder einen Trail Runner. Kurzer Blick zurück zum Haus - oben ist noch Licht, sind die anderen noch in der Unterkunft oder auch schon unterwegs?

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8 Stunden netto stehen heute auf dem Programm. 1600 m hoch, 1150 runter. Gewitterrisiko ab 15h. Ich merke den gestrigen Tag in den Knochen, aber es geht schon. Zuerst läuft es ganz gut. Je höher ich komme, desto mehr Wolken. Mir ist klar, da kommt noch was.

Die letzten 300 (?) Hm kurz vor dem Pass wird mir etwas mulmig. Erst ein Abschnitt mit nassen Steinen, der Weg sehr schmal links und rechts Erlengebüsch. Gut, dass mir niemand entgegenkommt. Dann ganz schön steil durch Blockgelände, die Felsen sind nass und es geht ganz schön runter... Ab und zu Herzklopfen, als es um die Kurve geht. 

Ich versuche mich zu fokussieren und bin erleichtert, als ich den letzten Anstieg und das Herzklopfen hinter mir habe. Vor mir sehe ich einen der beiden Typen mit den großen, heavy Packs, denen ich schon ab und an begegnet bin. Oben auf dem Pass sage ich zu ihm: "Puh, den Anstieg mit dem schweren Rucksack", er: "Das spürt man mit der Zeit nicht mehr".

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Ich ahnte schon, dass ich oben nix sehen werde. Der Blick auf die andere Seite ist nicht sonderlich attraktiv, dichter Nebel. Nützt nichts, ich halte mich nicht lange auf und mache mich zeitnah an den Abstieg. Etwas weiter unten sehe ich, wie die Jungs ihren Krempel auspacken, vermutlich wollen die kochen - und auch da Zelten? Hm ich gehe weiter. Als ich bei den ersten Bäumen ankomme, fängt es an zu tröpfeln und zu grummeln. Leider ist der Weg gerade hier nicht optimal markiert. Verwirrende Viehpfade, wie es in der Wegbeschreibung immer so schön heißt..., das kostet wieder etwas Zeit, aber ich finde den Weg. 

Bis ich in Balme ankomme dauert es noch ein Weilchen, was wiederum bedeutet, es bleibt nicht aus, dass ich irgendwann auch richtig im Regen laufe. Mit der Aussicht auf eine heiße Dusche finde ich das aber nicht sonderlich dramatisch.

Als ich um 16:15h ankomme, bin ich einigermaßen kaputt, schaffe es noch nichtmal, einer Freundin auf ihre Nachricht zu antworten, weil ich so müde bin. Ich freue mich aber über mein großes, schönes Zimmer, eine tolle, heiße Dusche und den Pausentag morgen, diesmal ohne irgendwelche Ausflüge. Der Wetterbericht verspricht eh einen Regentag..

Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass die Jungs mit den schweren Rucksäcken scheinbar im B&bB nebenan einchecken. Da oben wär’s heut sicher nicht gemütlich. Beim Abendessen mit der 3er-Seilschaft, sitzen sie am Nachbartisch und erzählen von ihren Section Hikes auf dem PCT. Zu dem Zeitpunkt gehe ich noch davon aus, dass sie die gesamte GTA laufen...  Keine Ahnung warum. Sie sagen, das meiste oder ein großer Teil im Rucksack sei Proviant...

Ach ja, abends checke ich meine mails und habe eine Nachricht von S. und ihrem Mann. Sie haben die langen Etappen von Ceresole mit dem Bus umfahren und man glaubt es kaum:  S. hat ihren zweiten blauen Trailrunner wieder! Als sie im Bus sitzend die Tal-Straße lang fährt, sieht sie den Schuh am Straßenrand liegen. Ohne italienisch zu können, schafft sie es irgendwie, dem Busfahrer in 30 Sekunden zu erklären, warum er jetzt anhalten und kurz auf sie warten soll, während sie wahrscheinlich einen halben Kilometer die Straße entlangläuft und ihren Schuh einsammelt.

Bearbeitet von sja
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Do 13.8.2020 Balme

Heute gibts nicht so viel zu berichten. Über Nacht bin ich in eine Art Schlaf-Koma gefallen. Morgens nicht um 5:30h frühstücken sondern um 8:30h und zwar ganz gemütlich bis 10:00h!

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Les Montagnards

Les Montagnards ist eine sehr angenehme Unterkunft für einen Pausentag. Nach dem Frühstück trödel ich ein wenig rum, dann mache ich einen Spaziergang nach Balme (die Unterkunft ist in einem vorgelagerten Ortsteil). Man kann prima durch das nette Bergsteigerdorf bummeln. Balme wird als eine Wiege des Alpinismus bezeichnet. Rührt wohl daher, dass mit dem benachbarten Dorf Bessans auf der anderen Seite des vergletscherten Grenzkamms Handel betrieben wurde und die Händler sich aufgrund der Erfahrung auch bestens als Bergführer eigneten (von einer Frau wird in dieser Hinsicht ebenfalls in der Literatur berichtet! Aber nur die Jungs werden engagiert..).

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viele alte Häuser, vereinzelte herausgeputzt

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in Arbeit...

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Architektur

Ich setze mich vor die Bar Centrale, trinke ein lokales Bier (mal kein Wasser) und genieße es sehr, die Seele in diesen schönen Ort baumeln zu lassen. Mir gehts richtig gut, ich denke an die vergangen Tage, was ich erlebt und geschafft habe. Das Wetter ist gar nicht soo schlecht, mal Sonne, mal Wolken.

Zurück im Albergo sortiere ich meinen Kram und wasche. Das Übliche. Was man halt so macht an so nem Tag. Café, Schwätzchen mit den anderen draußen vor der Hütte. Dann nochmal ins Alimentari. Getrocknete Aprikosen sind mein neue Doping-Mittel, die haben mich auf einer Etappe sowas von nach vorne gebracht. Regen kommt später, während wir beim leckeren Abendessen sitzen.

Am Ende des Tages nehme ich mir noch vor, dass ich morgen meinen ersten Steinbock sehe. Es soll in Pass-Nähe wohl eine Population geben...

Bearbeitet von sja
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