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Ultraleicht Trekking

Fotoabenteuer auf dem Kungsleden | September 2022 | Kvikkjokk -> Abisko


dermuthige

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Tag 6: Der Weg teilt sich

Die Briten fluchen. Die halbe Nacht lang haben sie gezittert, ihre Daunenschlafsäcke sind völlig klamm von der Kondensation der letzten Tage. Ich musste nur in der Früh meine Jacke überziehen, sonst hat sich mein Schlafkonzept bewährt: Um den Schlafsack lege ich einen selbst genähten Kunstfaserquilt. Er hilft mir, die niedrigeren Temperaturen zu überstehen und hält meinen Schlafsack trocken. Stichwort trocken: Meine Socken sind auch wieder abmarschbereit!

Boot – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Aber ich geh den Tag entspannt an. In der ruhigen Morgenstimmung schieße ich erst ein paar Fotos, dann setze ich mich ans Ufer und genieße mein Frühstück. Die Sonne wandert langsam zu uns herüber, so hat das Zelt noch etwas Zeit zum Trocknen. Dann starte ich den Anstieg. Das Wetter bleibt fürs Fjäll untypisch gut, die Wanderung typisch schön. Ich laufe wieder lange mit dem Schweden zusammen, Tempo und Interessen passen gut zueinander. Wir erreichen die nächste Hütte, unterhalten uns mit dem Hüttenwart, genießen den schönen Blick. Hier wäre sicherlich auch ein schönes Camp. Ab jetzt säumen bunte Bäume den Weg, werden aber spärlicher, bis wir den letzten für ein paar Tage passieren.

Kaitumjaure – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Bunte Bäume – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ich vermisse sie schnell. Der Schwede kennt sich in der Gegend aus und rät mir zu einer alternativen Route, ab Sälka über Nallo und Vistas durch ein wunderschön bewaldetes Tal nach Alesjaure. Mal schauen. Den restlichen Tag schreiten wir durch ein langes Tal. Ein großer Strom begleitet uns, links und rechts geht es steil empor. Es wird immer bergiger; riesige, abgebrochene Felsbrocken zieren die Landschaft. Auf der anderen Seite des Stroms zieht ein Helikopter seine Runden. Ich beobachte ihn eine Weile verwirrt, bis ich ein Muster erkenne: Er treibt eine kleine Gruppe Rentiere vor sich her.

Letzter Baum – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Irgendwann kehrt die gewohnte Ruhe zurück ins Tal, nur der Wind pfeift in meinen Ohren. In der Ferne entdecke ich ein paar Hütten, dort muss Singi sein. Der Strom zieht in einer anmutigen S-Kurve in diese Richtung, ein schönes Motiv. Doch je weiter ich komme, desto verlockender wird der Blick: Von allen Seiten ziehen gletschergeformte Hänge sanft ins Tal. Langsam halte ich Ausschau nach einem Lagerplatz.

Der Strom – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Fjäll – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Nun habe ich Singi erreicht, möchte aber nicht wieder an einer Hütte bleiben, sehne mich heute wieder nach meiner Ruhe. Mit den beiden Briten, die gerade eine Pause beenden, verabschiede ich mich vorerst vom Kanadier, der hier schläft: Morgen wird er vermutlich eine kurze Etappe bis Sälka einlegen, um Tags darauf frisch gestärkt den Tjäktjapass zu überqueren. Zu dritt schreiten wir durch schönstes Abendlicht, bis ich einen windgeschützten Zeltplatz finde. Die beiden anderen gehen noch ein Stück weiter, da sie morgen einen langen Tag vor sich haben: Sie besteigen den höchsten Berg Schwedens, Kebnekaise.

S-Kurve – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Als ich zu Abend esse, hält der Schwede kurz bei mir. Er legt mir erneut die alternative Route ans Herz, der Pass sei fotografisch vermutlich eher langweilig. Falls ich nicht ganz so weit vom Weg abkommen wollte, könnte ich auch ab Nallo direkt nach Tjäktja abbiegen. Er selbst wird morgen entweder wie die Briten den hohen Berg erklimmen oder ebenfalls bei Sälka abbiegen und den Kungsleden komplett verlassen. So oder so, unsere frisch geformte Wandertruppe droht zu zerfallen.

Zelt – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Hoffentlich treffen wir alle noch einmal in Abisko aufeinander, um gemeinsam anzustoßen.

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Tag 7: Lieblingsbild

Meine Beine fühlen sich heute besonders fit, bereit für viele Kilometer. Das Problem: Die Seen und ihre spärlichen Fährzeiten haben mich durchs Fjäll gehetzt, ich bin meinem Zeitplan weit voraus. Zeit für einen Umweg? Ja, aber nur einen kleinen, ich möchte den Kungsleden nicht zu lange verlassen. Ich studiere die Landkarte, die Route von Sälka über Nallo nach Tjäktja gefällt mir.

Fluss – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ich habe wieder den kurvigen Strom im Blick. Eine Gruppe Rentiere durchquert ihn an einer seichten Stelle. Dann verschwinden sie im bunten Gestrüpp, ich sehe bloß ihre Geweihe. Dafür weckt ein heller Schimmer mein Interesse. Ein Zelt aus DCF, das wird der Schwede sein. Ich nicke ihm zu, wie noch vielen anderen heute. Auf einmal wimmelt es von Menschen, bis zu zehn pro Stunde kommen mir entgegen – vorher eine Handvoll am Tag. Kein Wunder, dieser Streckenabschnitt ist besonders beliebt. Und das ist ebenfalls kein Wunder.

Rentiere – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Bei Sälka biege ich ab. (Im Teaser meines Berichts schrieb ich, ich wäre in Tjäktja abgebogen. Ein kleiner Fehler, dort komme ich an!) Ich genieße die Strecke, endlich mal querfeldein. Ohne die luxuriösen Holzplanken des Kungsledens muss ich aufpassen, wo ich meine Füße setze. So springe ich von Stein zu Stein, klatsche durch Lehm, streife durch Moos, stolpere durch Geröll. Die Landschaft ist dürr, wie von einem anderen Planeten, hier wandert kaum noch jemand. Der Fels zu meinen Seiten ist kaum bewachsen, alte Schneefelder zieren die Hänge. Der Weg sinkt ab, eine einzelne Hütte gerät in Sicht, das ist Nallo.

Umweg – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Die Hüttenwartin ist die ganze Strecke nach Tjäktja nie gelaufen, kennt nur das erste Stück zu einem Bergsee. Dieser Abschnitt sei aber sehr zu empfehlen, der See traumhaft, dort könne man zelten. Danach werde es wohl sehr steinig, bestimmt anstrengend. Sie habe aber mit ein paar Leuten gesprochen, die von dort hinabgestiegen seien. Sie hätten erzählt, der Pfad sei schwer zu finden – aber ich junger Mann sollte das bei guter Sicht wohl schaffen. Wir einigen uns, dass ich im Zweifel immer noch umkehren könne. Also los.

Felsig – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Zum Bergsee geht es steil hoch, dafür schnell. Es windet. Alles voller Geröll, es wird schwierig werden, einen guten Zeltplatz zu finden. Sollte ich doch schon heute über die Kuppe schreiten? Ich gehe näher an den steilen Hang, den ich erklimmen muss. Doch allein der Weg dorthin erweist sich als mühselig. Nach dem langen Tag durch unwegsames Gelände zittern meine Beine. Ich bleibe also am See, finde doch noch eine gute Lagerstätte. Sie ist windgeschützt und hat Blick aufs Wasser, nur die Heringe gehen kaum rein. Einer verbiegt.

Zelt – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ich bin erschöpft, körperlich und mental. Habe ich die falsche Entscheidung getroffen? Es ist kalt, es ist karg, das ist kein idyllisches Fjäll, das ist reiner Fels. Ich hatte Bäume sehen wollen, aber die verstecken sich unten im langen Umweg über Vistas, nicht hier oben. Einzig der See spendet Trost. Doch nicht einmal der bietet guten Stoff für die Kamera, der Wind bewegt das Wasser zu sehr. Entnervt lege ich mich ins Zelt.

Als ich wieder rausschaue, erstrahlen die Bergspitzen im Abendlicht. Die Luft ist still, der See liegt ruhig. Die Idylle, die ich so sehr vermisste, hat mich eingeholt. Ich stehe am Ufer und bewundere rote Wolken, die sich sanft vom blauen Himmel abheben. Sie spiegeln sich im glatten Wasser, fließen nahtlos über ins Grau der Steine unter der Oberfläche, ein abstraktes Gemisch aus Form und Farbe. Das Stativ steht, die Kamera klickt.

Lieblingsbild – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Da ist es, mein liebstes Bild der Reise, und weht alle trüben Gedanken fort.

Nordlicht – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

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Tag 8: Umweg oder Irrweg?

Ich rolle meine Zelttür zusammen, um einen Blick nach draußen zu werfen. Sie knistert ein wenig, ist von dünnem Eis überzogen. Die Sonne geht gerade erst auf, noch liegt hier oben alles im Schatten. Aber die Luft ist klar, die Sicht ist gut – den Weg sollte ich heute problemlos finden. Ich schlafe noch ein wenig weiter, bis es wärmer ist.

Um 7:00 Uhr stehe ich auf. Das Eis ist geschmolzen, mein Zelt jetzt nass. Wieder öffne ich die Tür, hoffe auf warme Sonnenstrahlen. Schön wär's! Die Luft ist schwer vom Nebel. Schlimmer noch, auf dem Pass, den ich überqueren muss, hängt eine Wolke. Mist. Wäre ich vorhin gleich losgegangen, dann wäre ich jetzt schon auf der sicheren Seite.

Wolke – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ich beeile mich, bevor die Aussichten noch schlechter werden. Frühstück im Zelt, Kaffee bleibt aus. Fix packe ich zusammen, dann geht's los. Kleine Steintürmchen weisen mir zwischen zwei Schneefeldern den Weg durchs Geröll auf ein Plateau. Es ist rutschig, mehr Kraxeln als Wandern – hoffentlich passiert mir nichts. Gefährlicher Gedanke. Wenn ich auf Hoffnung trauen muss, sollte ich überhaupt weitergehen?

Auf dem Plateau orientiere ich mich und meine Gedanken neu. Die Kraxelei traue ich mir zu, sowas habe ich schon gemacht, sie erinnert mich an den letzten Abschnitt hinauf zur Zugspitze. Ja, der Weg macht sogar Spaß. Das größere Problem ist, ihn im Nebel zu finden. Ich schaue mich immer wieder um, spähe nach Steintürmchen, mache mir gedankliche Notizen. So weit ist alles gut, noch kann ich jederzeit umkehren.

Schneekralle – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ich verliere die Steintürmchen aus den Augen. Links, rechts und geradeaus liegen Schneefelder. Das in der Ferne hat zwei sichelförmige Risse, wie Kratzer von riesigen Vogelklauen. Ich zücke kurz meine Kamera. Aber wo geht es weiter? Ich schalte mein InReach Mini ein, orte mich auf der Handykarte. Der Pfad zeichnet sich vor mir ab, links geht es sanft hoch.

Es wird glatt, ein Bach ist gefroren. Ich balanciere vorsichtig weiter. Langsam sollte ich den höchsten Punkt erreicht haben. Warum erkenne ich nirgends ein Bergab? Plötzlich ist das Geröll zu Ende, ich stehe am Schnee. Eine leichte Spur von Stiefel- und Stockabdrücken erstreckt sich über das ebene Feld. Puh, ein Schneefeld zu überqueren, hatte ich auf meiner Reise keinesfalls erwartet. Ich wage mich hinüber, halb so schlimm. Drüben erwartet mich ein Bergsee, vollständig von Eis bedeckt. Ich taste mich weiter durch den Nebel, dann ...

Nebel – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Ja! Der Blick führt nach unten. Bergab sind die Türmchen viel leichter auszumachen, so lasse ich Schnee und Eis schnell hinter mir. Dann lichtet sich auch der Nebel. Ich halte an, schaue mich um – und lache amüsiert. Die nächste Hütte ist schon in Sichtweite, dort ist der Kungsleden! Ich steuere direkt auf ihn zu. Der Fels schwindet, ich federe durch nasses Gras, dann bin ich zurück auf dem Weg und unter Menschen.

Ich bin in Laufstimmung. Das Abenteuer hat meine Füße geplättet, aber meine Beine wollen mehr. Schnell tragen sie mich nach Alesjaure. Über eine Hängebrücke, einen hohen bunten Fels hinauf – da ist die kleine Hüttensammlung. Soll ich hierbleiben? Eher nicht, es ist erst 14:00 Uhr und ich möchte nicht wieder zum Zelten zahlen. Andererseits ... der Blick ist schön, es gibt eine Sauna, ich habe eh zu viel Zeit übrig und vielleicht treffe ich den Kanadier wieder. Okay, das sind genügend Gründe.

Ich schaue in die Haupthütte hinein, hier soll es einen der größeren Läden auf dem Weg geben. Naja, zum Ende der Saison gibt es trotzdem nur noch Kichererbsen, Schokolade und Kekse. Gut, dass ich ausreichend Nahrung dabei habe! Ich zahle für mein Zelt, suche einen schönen Platz, baue auf. Dann gehe ich zurück in die Hütte, um mich bei einem Kaffee aufzuwärmen.

Alesjaure – © Jacob Muth / www.dermuthige.de

Wer kommt denn da gerade aus dem Laden? Die Britin! Sie möchte bald weiter, um morgen noch Abisko zu erreichen, aber für einen Kaffee hat sie Zeit. Plötzlich taucht vor dem großen Fenster der Kanadier auf. Er lässt seinen Rucksack einfach fallen, rennt hinein, reserviert sein Bett, dann setzt er sich zu uns. Hinter ihm kommen die beiden Briten zur Hütte rein. Unverhofft ist die Gruppe wieder vereint. Was soll die Britin da schon machen? Sie bleibt.

Wir trinken Kaffee und essen Schokolade, berichten von unseren Abenteuern, verabreden uns zum Abendessen in einer der Küchenstuben. Wir reden lang, sind die Lautesten, lachen viel. Es ist so gemütlich, wir überspringen sogar die Sauna, und das will was heißen.

Um 22:00 Uhr gehen wir ins Bett. Es wird eine ruhige Nacht. Nur eine Maus nascht heimlich von meiner Schokolade, die draußen aus dem Rucksack ragt.

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Tag 9 und 10: Gemeinsam bis zum Schluss

Ausgeschlafen öffne ich die Augen. Es ist 7:00 Uhr, in einer Stunde bin ich mit den anderen zum Frühstück verabredet. Bis dahin genieße ich die Aussicht und schieße ein paar Fotos. Wir lassen uns zum Frühstück Zeit, gehen den Tag entspannt an. Um 11:00 Uhr machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Ab hier geht es nur noch bergab, zwei kurze Tagesetappen bringen uns nach Abisko. Der Kanadier ist schon früher aufgebrochen, vielleicht holen wir ihn noch ein.

© Jacob Muth / www.dermuthige.de

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Es nieselt, das Gestrüpp ist nass und der Boden matschig: Ein guter Tag für Regenkleidung. Den Rentieren macht das Wetter nichts aus, sie grasen gemütlich am See. Sie werfen zu dieser Jahreszeit ihre Basthaut ab, ein Geweih glänzt im roten Blut. Die Sonne bricht durch, der See erstrahlt türkis in ihrem Licht. Minutenlang beobachten wir still den Flug eines Vogelschwarms, dann kehren wir dem See den Rücken.

© Jacob Muth / www.dermuthige.de

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Vor uns erstreckt sich ein Tal voller Birken. Ich freue mich, die Bäume sind zurück, was habe ich sie vermisst! Doch etwas stimmt nicht. Während eine Hälfte ihre bunte Pracht zur Schau stellt, hat die andere schon alle Blätter abgeworfen. Hat der Winter schon Einzug gehalten? Ich hatte mich doch so auf rote Birkenwälder gefreut! Egal, schön ist es trotzdem.

© Jacob Muth / www.dermuthige.de

Irgendwann queren wir eine Brücke und erreichen einen großen Lagerplatz, hier passen bestimmt zwanzig Zelte hin. Da wir bald die Grenze zum Abisko Nationalpark passieren, wo man nicht campen darf, ist dieser Ort beliebt. Davon zeugt auch der viele Müll, vor allem altes Klopapier. Wieder bin ich enttäuscht, diesmal zurecht.

Unseren letzten Abend auf dem Kungsleden verbringen wir gemütlich am Lagerfeuer. Zwei weitere Wanderer gesellen sich zu uns. Wie der Zufall es möchte, sind sie beide ultraleicht unterwegs – einer sogar mit Kamera, er filmt sein Abenteuer. (OT: Hier ist sein tolles Video – ich bin in der vorletzten Aufnahme zu sehen!) Er übernimmt das Feuer, zeigt uns einen Trick: Er formt ein kleines Loch mit seinen Zeigefingern und Daumen und pustet hindurch. Er lenkt den Luftstrom auf die Glut und füttert sie von seinem Sitzplatz aus mit Sauerstoff, ohne sich wie ich vorher das Gesicht fast an den Flammen zu versengen.

Die Sonne geht auf, der letzte Tag bricht an. Wir sind froh, den Kungsleden heute zu beenden, denn morgen soll es stürmen. In Abiskojaure sammeln wir durch Zufall den Kanadier ein, dann schlendern wir die letzten Kilometer am Ufer entlang. Hier scheint der Wald wieder in seiner ganzen bunten Pracht. Der See verwandelt sich in einen Strom und schließlich eine Schlucht. Sie ist das Wahrzeichen des Nationalparks und schon bald kommen uns Tagesgäste entgegen.

Die Britin lässt leise etwas Musik abspielen. Wir singen gemeinsam, dichten Texte um: "We are the champions ... of the trail". Bevor es zu spät ist, schießen wir noch ein schnelles Gruppenfoto. Und dann sehen wir sie: Die berühmte Holzstruktur aus all den Kungsleden-Videos, die die Stationen des Weges illustriert. Gleich haben wir's geschafft. Wir rennen los, hindurch, da ist der Endpunkt des Weges – das war's.

Zeit fürs Mittagessen. Vermutlich die größte Portion, die ich je verschlungen habe.

© Jacob Muth / www.dermuthige.de

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Was für eine schöne Reise das doch war!

Ich kann einfach nur sagen: Der Weg war unglaublich schön. Der Kungsleden hält, was er verspricht, und hat mir noch viel mehr gegeben. Er ist ein traumhafter Einstieg ins skandinavische Fjäll, ein sicherer Übungsplatz fürs Wandern mit Zelt, ein einsamer Weg durch die Wildnis und doch voller Gemeinschaft.

Die Gemeinschaft, die ich erleben durfte, hat mich am meisten überrascht. Ich war bewusst alleine unterwegs, damit ich frei entscheiden kann, an schönen Blicken schon mittags mein Lager aufzuschlagen, um dort am Abend Fotos zu machen. Bloß der Stress der Seeüberquerungen hat mir hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen hat er mich mit meiner Gruppe zusammengebracht. Genau gesagt habe ich der Fähre bei Saltoluokta zu danken, die nur einmal täglich auf den passenden Bus traf. So starteten an diesem Tag alle zur gleichen Zeit, wir waren wie ein kleine Schulklasse.

Im Sommer, wenn mehr Fähren und Busse fahren, mag das anders sein. Doch dann ist Gemeinschaft eh vorprogrammiert. Im September, zum Ende der Wandersaison, hatte ich trotzdem viele Abschnitte für mich allein und konnte die schönsten Zeltplätze wählen. Der Herbst bringt Kälte, aber auch wundervolle Farben, am Boden wie am Himmel. Ich würde immer wieder zu dieser Jahreszeit wandern.

Die Fotografie hat unter der Gemeinschaft ein wenig gelitten. Dafür haben wir viele schöne Stunden verbracht, an die ich mich gern erinnere. Die Luft zum Fotografieren war in den letzten Tagen eh ein wenig raus, hierfür war die Reise vielleicht ein wenig zu lang. Aber der Weg war mehr als nur ein Fotoabenteuer, er war auch eine Übungswanderung. Ich habe gelernt, dass ich zehn Tage lang unterwegs sein kann, ohne auf den Komfort von Hütten oder ihre Läden angewiesen zu sein.

Das einzige, was mir noch wirklich fehlt, sind höllische Regentage. Sowohl auf dem West Highland Way als auch auf dem Kungsleden, beides notorische Sumpfwanderwege, habe ich hauptsächlich Sonne erlebt. Wie komme ich mit nassen Füßen klar? Hält meine Regenkleidung durch? Wie ergeht es mir im Sturm im Zelt? Das sind Fragen, die ich noch beantworten muss, bevor ich mich abseits belaufener Wege allein in die Wildnis traue.

Vielleicht finde ich meine Antworten noch dieses Jahr. Im Sommer laufe ich durch die Hardangervidda, im September mit meiner Freundin über die Isle of Skye. Wie zum Kungsleden planen wir die An- und Abreise mit Bus und Bahn. Eine schöne Art zu reisen, die ich allen ans Herz legen möchte – auch unabhängig vom Klimagedanken. In den Nachtzug einsteigen, den Alltag hinter sich lassen, entschleunigen, ausgeschlafen aufwachen, toll. Ich betrachte Hin- und Rückweg nicht mehr als zeitstehlende Fahrerei, sondern als Teil der Erfahrung.

Ich danke euch allen fürs Mitlesen, Mitfiebern, Mitstaunen. Es folgen noch ein paar Worte zu meiner Ausrüstung, dann war es das erstmal von meinem Fotoabenteuer auf dem Kungsleden. Wer noch einmal die schönsten Fotos meiner Reise auf einen Blick sehen möchte, ohne den ganzen Text – auf meiner Website habe ich ein kleines Album veröffentlicht: https://www.dermuthige.de/2022-kungsleden-landschaftsfotografie

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Gear Review:

Atom Packs Mo 50L:
Es war meine erste längere Tour mit diesem Rucksack und ich bin sehr zufrieden. Im Nachhinein hätte ich gern an beiden Schultergurten eine kleine Tasche, nicht nur rechts.

Durston X-Mid 1P:
Meine Zeltsuche ist beendet. Nachdem mir das Lanshan 1 zu eng und der Einstieg zu nervig war, bin ich aufs Lanshan 2 umgestiegen. Das Durston X-Mid bietet mir aber auch in der kleinen Version ausreichend Platz, große Apsiden, einen fantastisch schnell Aufbau und natürlich wieder weniger Gewicht. Für Skye mit meiner Freundin schiele ich auf die große Variante ...

Cumulus Custom X-Lite 300 & MYOG Apex 100 Quilt:
Eine gute, komfortable Kombi. Durch das doppelte Konzept war mein Schlafsack nie nass. Bei -4°C in der ersten Nacht musste ich mit Daunenjacke nachhelfen. Für den 2°C-Komfort-Daunenschlafsack allein wäre es zu feucht und zu kalt gewesen.

Thermarest NeoAir XLite & 3mm Evazote:
Die Evazote-Matte unter der NeoAir möchte ich nicht mehr missen. Zusätzliche Wärme, Sitzkissen und Backup, falls die Matte platzt.

X-Boil 90-100 UL mit Esbit-Trockenbrennstoff und Toaks Light 550ml:
Mein X-Boil-Kochsystem inkl. Toaks-Kochtopf wiegt nicht einmal 120g. Bin begeistert. Die Esbits lassen sich super einteilen, die 4g-Tabletten stinken auch nicht. Nur im Wind etwas lästig zu entzünden.

Polartec Alpha Hoodie & Schlafhose:
Bin sehr zufrieden, gemütlich, warm und leicht. Super zum Schlafen und als extra Schicht in der Kälte. Gemeinsam mit Windjacke top.

Patagonia Houdini Windjacke
Erste Wandertour mit Windjacke. Bin vom Konzept begeistert, gemeinsam mit Alpha Hoodie sehr flexibel einsetzbar. Werde mir eine leichtere MYOG-Version nähen.

Wasserdichte Socken von Sealskinz:
Mein einziger Reinfall. Zum ersten Mal angehabt, ins Wasser getreten, schon waren meine Füße nass. Werde Alternativen suchen und testen.

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Bist du dir sicher dass die Sealskinz wirklich komplett nass waren? Ich habe letzte Woche meine mal einer ersten Feuertaufe unterzogen. Nachdem ich die Füße damit ins Wasser gehalten habe, hat sich sofort ein nasses Gefühl breit gemacht. Musste dann aber feststellen dass meine Füße eigentlich komplett trocken waren und nach ein wenig gehen hat man sich an das Gefühl schnell gewöhnt und dann fand ich es zum weiterlaufen deutlich angenehemer als mit normalen nassen Socken. Was die normale Variante nicht aushält ist natürlich wenn der obere Rand auch komplett unter Wasser ist, dann läufts einfach rein..
Ich hab nur jetzt schon öfter gelesen dass die Sealskinz beim ersten Mal schon nicht gehalten haben und frage mich gerade ob das einfach auf dieses nasse Gefühl im ersten Moment zurückgeht?

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@FastULi Mein Paar war definitiv von innen nass, ohne dass Wasser über den Bund hineingelaufen wäre. Sie müssen also undicht gewesen sein. Hatte sie ein paar Stunden vorher übergezogen, nachdem ich mein normales Paar gewaschen hatte. Gut möglich, dass ich einen kleinen Kiesel im Schuh hatte, der die wasserdichte Schicht beim Laufen durchstochen hat. Aber wenn das so schnell passiert, ist das für mich schon Grund genug, den Socken nicht zu vertrauen. Vielleicht hatte ich auch einfach ein Montagsmodell. Habe auch viele positive Berichte gelesen, daher war ich sehr überrascht davon. Würde aber definitiv empfehlen, sie zuhause gründlich zu testen. 

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vor einer Stunde schrieb FastULi:

Was die normale Variante nicht aushält ist natürlich wenn der obere Rand auch komplett unter Wasser ist, dann läufts einfach rein..

Bei mir nicht, wenn ich mal ein paar m durch´s Wasser gehe z.B. beim Ein / Austeigen ins Packrafts oder Treideln im Winter waren die Teile eigentlich auch oben dicht, sitzen aber bei mir auch rel stramm oben...
Inzwischen nutze ich meist im Winter Neopren-Socken da ich ueberwigend Selfbailer paddele...
Zum Wandern habe ich Sealskins noch nie verwendet, da reichen mir Falke Socken oder nackte Fuesse in Sandalen.
 

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Vielen Dank für den schönen Bericht und die tollen Bilder :x.

Ich war mit einer Freundin Ende Juli auf dem Knungsleden ….. wir hatten durchaus Regen satt :grin: einmal hat es 24 Std. am Stück geregnet!

Zum Thema Socken, nasse Füße! Ich kam erstaunlich gut damit klar tagsüber einfach nasse Strümpfe und Schuhe zu haben und abends dann in die trockenen und warmen Schlafsocken zu schlüpfen. 
Ich freue mich schon auf deine nächsten Berichte. 
Viele Grüße 

Namie 

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Toller Bericht, sehr angenehm zu lesen und mit starken Fotos in genau der richtigen Menge versehen - hat viel Freude gemacht, vielen Dank!

Für mich geht's Mitte August auch auf den nördlichen Kungsleden und mich würde interessieren, wie es mit dem Schirm geklappt hat? Ich nehme gerne als Ergänzung zur Regenjacke ein 125g-Schirmchen mit, einfach weil es bei mäßigem Regen mit nicht allzuviel Wind für mich die angenehmere Alternative zur Regenjacke ist. Habe jetzt aber zum Kungsleden mehrfach gelesen, dass aufgrund des kräftigen Windes von Schirmen eher abzuraten sei. Du hattest mit dem Euroschirm ja ein etwas stabileres Modell dabei - kam er zum Einsatz und würdest du ihn wieder mit nehmen? 

 

 

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@Breaze Ich hatte den Schirm hauptsächlich dabei, um bei Regen weiterhin fotografieren zu können. Da es tagsüber maximal genieselt hat, habe ich ihn leider gar nicht eingesetzt. Die Winde waren aber nicht besonders stark, die hätte ich ihm durchaus zugetraut. Kann also gut sein, dass du mit deinem Schirm gut klarkommst. Ich nehme meinen Schirm auch wieder mit in die Hardangervidda. Falls ich da Wind und Wetter erleben darf, kann ich danach vielleicht mehr berichten. :D 

 

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