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Ultraleicht Trekking

Schweiz viaBerna, Regionale Route 38


Mars

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Schweiz Tourismus hat in dreijähriger Arbeit eine neue Route kreiert: Nummer 38, die ViaBerna. Seit letztem Jahr (ja, genau, jenes mit 5500 Meilen) habe ich bereits wieder ordentlich Speck angefuttert, ich muss mich dringend bewegen. Der ganze Weg ist 300 km lang, ich kann umständehalber nur von Samstag bis Montag wandern. Ansonsten arbeite ich für irgendwelche Behörden. Die Schweiz ist klein, ich erreiche jeden Ort entlang des Trails in ca. zwei bis drei Stunden. 

Los geht es in Bellelay, im Berner Jura. Da gibt es ein fast 900 Jahre altes Kloster, dieses wurde jedoch im 1797 von den Franzosen besetzt und säkularisiert. Die weisen Touristiker von Schweiz Tourismus haben den Startpunkt wohl aus einem anderen Grund hierhin gelegt: Die Mönche erfanden auch einen Käse, den Tête de Moine. Es gibt logischerweise einen Shop und die Erwartung, dort einen Batzen liegen zu lassen. Wir sind in der Schweiz. 

Los geht’s! Natürlich starte ich erst um 14:00 Uhr. Schon nach ca. 3 km geht’s in die Höhe. Der Boden ist feucht, das Wetter eher kühl. Ab und an regnet oder schneit es. Ich vertreibe mir die Zeit mit Podcasts. Besonders schnell bin ich auch nicht. Es gibt viel offenes Gelände, die Jurahöhen. Herr Quadzilla, einer von vier, der die CYTC letztes Jahr geschafft hat, erzählt in einem Podcast, wie es ihm so ergangen ist. Er hat auch ein Video gepostet, sogar mit meiner Wenigkeit darin.

Übernachtet wird im Wald, in der Nähe des Mont Soleil Solar Kraftwerks. In der Nacht schneit es. Mir egal, mein Quilt ist längstens warm genug und ich liege auf einer dieser neuen “Goldstandart” Matten. Natürlich habe ich sowohl die Riemen als auch die Leinen zwecks Befestigung des Quilts an der Matte zu Hause vergessen. Macht nichts, einfach eben mal eine längere Shockcord vom Rucksack ausgefädelt und schon kann ich den Quilt zusammen halten. Niemand stört mich in der Nacht.

Am nächsten Tag steht eine massive Wanderung an. Auf den Chasseral. Es schneit. Zunächst muss ich aber nach St. Imier hinunter. Vorbei an der Logines Uhrenfabrik (benannt nach ihrem Standort, “les logines”, übersetzt “ländliche Wiesen”). Was für Albert Einstein gut genug war, sollte auch für mich knapp genügen. Leider starten aber die Preise im vierstelligen Bereich. Danach beginnt der Aufstieg auf den Chasseral. Diesmal geht es durch die Combe Grède Schlucht hinauf. Ich war schon häufig auf dem Chasseral, durch diese Schlucht steige ich jedoch zum ersten Mal hinauf. Der Weg ist übrigens geschlossen. Wintersperre, die Geländer und Seile sind noch nicht wieder an ihrem Platz. Ich bin sehr vorsichtig, hier abzurutschen hätte fatale Konsequenzen. Anlässlich des Wiederanbringens der Geländer eine Woche später stürzte ein 57 jähriger ab. Leider kam für ihn jede Hilfe zu spät. Auf dem Chasseral liegt eine geschlossene Schneedecke. Es gibt ein Hotel, es ist sogar geöffnet und ich gönne mir eine warme Mahlzeit.

Danach muss ich wieder hinunter, diesmal nach Nods. Und dann schon wieder hinauf, diesmal über den Mont Sujet. Es ist immer noch kalt und nun auch windig. Es ist kein Mensch unterwegs. Geschlafen wird wiederum im Wald, diesmal in der Nähe von Magglingen. Einem berühmt-berüchtigten nationalen Spitzensportzentrum hier in der Schweiz. Missbrauch durch sadistische Trainerinnen gab es beispielsweise im Geräteturnen. Dann geht es nach Biel hinunter, durch die Taubenlochschlucht. Steile Felsen und allerlei Autobahnbrücken in der Höhe. Natürlich gibt es auch ein Wasserkraftwerk und der Weg führt durch allerlei Löcher im Fels.

Biel hatte oder hat immer noch die höchste Sozialhilfequote der ganzen Schweiz. Früher gab es hier sogar ein Autowerk und hier wirkte ein gewisser Herr Hayek, der unbestrittenermassen die Schweizer Uhrenindustrie gerettet hat. (Und zeitlebens von einem eigenen Auto geträumt hatte. Nach allerlei Wirrungen und Irrungen erschien im 1998 der erste Smart). Rolex geht es inzwischen blendend, ein neues Werk ist geplant. Der Weg führt lange Zeit durch Biel, aber wenigstens durch ruhigere Quartierstrassen und an allerlei Kanälen entlang. Ich nutze den Bahnhof zwecks Kaffee etc. Verglichen mit anderen Gegenden auf diesem Planeten sollte man in der Schweiz nicht über die Qualität des Essens klagen. Auch die Versorgung mit RedBull ist hier vorbildlich gewährleistet. Ich schlurfe noch bis Aarberg. Mein leicht erhöhtes Gewicht macht sich auf den flachen Wegen unangenehm bemerkbar, die Füsse schmerzen. Also zurück nach Hause. 

Vier Tage später bin ich aber zurück. Es geht nun an allerlei kleineren und künstlichen Stauseen entlang nach Bern. Vorbei am Atomkraftwerk Mühleberg. Das Kraftwerk ist nicht mehr in Betrieb und wird nun abgebaut. In Betrieb ist dafür das vorläufig grösste Wasserkraftwerk ca. zwei Kilometer talaufwärts. Es geht weiter der Aare entlang Richtung Stadt Bern. Die Landschaft ist erstaunlich angenehm, aber halt doch eher urban. Übernachtet wird in einem Tobel unter Tannen. Von den Bauernhöfen gegenüber bin ich durch die Aare getrennt, der Boden ist aber ziemlich nass. Es regnet. Mir egal, mein feines Dyneema-Doppelwand Zelt hält wunderbar dicht, mein Quilt ist fast zu warm. Ich bin ein gutes Stück vom Fluss entfernt und störe hoffentlich niemanden.

Am nächsten Tag scheint dafür die Sonne, der Weg in die Stadt zieht sich, da ich nirgendwo einen Kaffee auftreiben kann. Von Bern fahre ich mit dem Zug nach Thun. Ich hatte diese Strecke vor ca. 4 Wochen vorgeholt. Es war nicht sehr spektakulär und durch die Felder zu latschen ist einfach öde. In Thun angekommen, lockt der See, es ist der erste mehr oder weniger warme Tag im Jahr. Menschen zeigen Haut und liegen im Park des Schlosses Schadau an der Sonne. Das Schloss wäre allenfalls als Pied-à-Terre in der Region interessant oder zur Unterbringung von Hikern im Rahmen einer meiner persönlichen Sechssterne-Trailangel Operationen. Von Thun aus geht es vorbei an reichlich Spaziergängern nach Spiez. Der Weg verlässt das Seeufer und führt über allerlei kleinere Hügel. Es regnet und gewittert, ich bin nicht traurig, als es wieder nach Hause geht.

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Vorbildliche Wanderweg Sicherheit - getarnte Bunker aus dem 2. Weltkrieg.

Zurück in Spiez, gilt es nun ernst. Wie viel Schnee wird es wohl um die 2000 Meter über Meer noch geben? Spoiler-Alert: Viel. Zunächst geht es über den Rengglipass. Die 1200 Höhenmeter hinauf verteilen sich mehr oder weniger angenehm, doch bereits der Kessel um den Mittelberg herum ist komplett weiss. Eine Lawine donnert von der Schwalmere hinunter.

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Mir egal, ich bin auf der anderen Seite und in einem Westhang ohne Schnee. Der Weg hinunter ist aber weiss. Ich finde ein schmales Band trockenes Land und balanciere darauf hinunter. Wenn ich ein Schneefeld queren muss, stehe ich sofort bis zur Gürtellinie im Schnee. Es gibt ein paar Passagen, in denen ich äusserst vorsichtig navigieren muss und eigentlich durch den Schnee schwimmen muss.

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Abends um 20:00 Uhr habe ich es hinunter nach Saxeten geschafft. Zwei junge Männer mit riesigen Rucksäcken kommen mir entgegen. Sie sprechen Englisch und wollen wissen, ob es Schnee auf dem Pass gäbe. Ich sage ja und er sei auch hüfttief. Es wird von deren Schlauheit abhängen, ob sie es nach oben schaffen. Dem Wanderweg entlang könnte dies ziemlich schwierig werden oder aber sie zücken die Schneeschuhe, Platz genug hätten sie in ihren Rucksäcken.

Zunächst muss ich nun durchs Dorf und gleich wieder hinauf. Ich vermeide es, in der Dämmerung meine Stirnlampe zu benutzen. Mensch muss den Leuten nicht immer alles auf die Nase binden. Glücklicherweise komme ich fast in der Dunkelheit bei einer Alp an. Sie ist nicht bewohnt und so stelle ich mein Zelt einfach hinter eine Holzbeige. Leider muss ich nun trotzdem kurz die Lampe einfeuern, wegen der Dunkelheit kann ich die Höhenangabe auf meinen Poles nicht mehr lesen. Ich habe diffuses Licht an meiner Stirnlampe, damit ist hoffentlich das Licht nicht im Tal unten sichtbar.  Morgens um 4.45 vernehme ich Schritte. In der Annahme, es sei wohl ein Hirsch, rufe ich kurz “Hey Hey”, sehe dann aber Licht. Also ist es wahrscheinlich kein Hirsch, wohl eher ein fanatischer Wanderer oder Jogger. Das Licht ist so rasch wieder fort wie es da war. Bekanntlich tragen Hirsche manchmal Kerzen in ihren Geweihen, die Stadt Zürich wurde deswegen gegründet. Ich fasse die Abwesenheit der Kerzen oder der Lampe als Befehl zum Weitermützen auf. Vor sieben wache ich auf, innert zwanzig Minuten habe ich auch die Holzscheite wieder lieblichst zurückgestellt, meine CNOC-Heringe (die es nun nicht mehr gibt, die aber wahrscheinlich in Zukunft von Diorite Gear produziert werden) mögen keine Steine oder Kiesboden. Wie die Heringe im oder auf dem Boden befestigt sind, ist meinem Zelt egal. Dem Groundsheet sind auch die Schnecken egal.

Von der Alp aus geht es weiter hinauf. Eigentlich müsste ich bei 1999 Metern über Meer über eine Krete gehen und dann die Höhe halten. Der Schnee ist aber schon bei 1700 m reichlich tief. Der Weg da hinauf ist schon reichlich kritisch. Dermassen unpässlich, dass ich lieber meine Crampons anziehe, um über ein gefrorenes Schneefeld zu kommen, als umzudrehen. Der Wanderweg führt nun über eine Schneebrücke. Dies kann ich beim besten Willen nicht riskieren. Die Schneebrücke hat sogar ein Loch, jemand muss dort mit Schneeschuhen darüber gegangen und eingebrochen sein. Also suche ich mir wieder ein trockenes Stück Land und kämpfe mich hinauf. Bei 1800 m finde ich sogar ein trockenes Stück Weg. Leider führt dies direkt ins nächste Schneefeld hinein. Wieder stehe ich bis zur Hüfte im Schnee. Nun heisst es endgültig umdrehen. Passenderweise zieht nun Nebel auf. Immerhin sehe ich einen Auerhahn, der sich minutenlang beobachten lässt. Sehr langsam geht es nun wieder hinunter. Ich muss mehrmals die Crampons einsetzen. Ich entscheide mich, nach Interlaken abzusteigen. Dort gibt es ebenfalls RedBull, sogar die grossen Dosen. I ‘ll be back.     

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