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Ultraleicht Trekking

Wien - Nizza. In 78 Tagen durch die Alpen.


berghutze

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Fazit

Was soll ich nun zusammenfassend zu dieser Wanderung sagen? Sie diente weder der Selbstfindung, noch der Bewältigung irgendwelcher Lebenskrisen. Andere liegen gerne am Strand, ich laufe gerne den Berg hoch – besser kann ich es nicht erklären. Ich machte mir unterwegs auch keine besonders schlauen Gedanken (jemand erklärte mir beispielsweise begeistert, dass man da unterwegs bestimmt über so viele Dinge nachdenken könne). Wenn ich den Berg hoch lief hatte ich im schlimmsten Fall irgendeine schreckliche Werbemelodie in Dauerschleife im Ohr (wer sich beim Berghochlaufen noch schlaue Gedanken machen kann, sollte einen Schritt zulegen – wer lacht, hat noch Reserven :-D). Die Natur nimmt man sicher bewusster wahr. Sonst dachte ich hauptsächlich über die Etappe, die nächste Übernachtung und über Essen nach. Und ich bin immer wieder erstaunt, dass man beim Wandern abends auch mental relativ erschöpft sein kann, da es Wegabschnitte gibt, bei denen man sich auf jeden Schritt konzentrieren muss. Außerdem fielen mir jeden Tag zig Sachen ein, die ich hier im Forum hätte posten können (Fragen und neue Erkenntnisse) – diktieren mit Spracherkennung ist zum Glück aber nicht mein Ding.

Jetzt, wo ich diesen Bericht geschrieben habe, kam mir die Wanderung wieder sehr lang vor. Unterwegs fühlte es sich aber gar nicht so an. Da lief ich einfach Tag für Tag und war immer wieder erstaunt, wie weit ich schon gekommen war. Und ohne die Leistung anderer Fernwanderer schmälern zu wollen, macht man ja auch nichts anderes, als jeden Tag eine Etappe zu wandern – nur eben viele Tage am Stück. Und diese Wanderung fiel mir irgendwie relativ leicht. Wenn ich an den GR11 zurückdenke, ist eine meiner ersten Erinnerungen, dass ich abends oft total erledigt auf meiner Isomatte lag und mir bis zum Einschlafen die Füße weh taten. Das war auf dieser Wanderung nicht so (vielleicht weil ich so häufig in Hütten übernachtete und den Wandertag daher regelmäßig zum Abendessen beendete?). Beim Abstieg nach Maloja taten mir die Knie weh und bei/nach Fondo fühlten sich meine Beine ein paar Tage etwas überlastet an – das war es aber auch schon. Schweiß lief fiel, Blut und Tränen eher nicht.

Als ich in Nizza ankam, hatte ich daher eigentlich tatsächlich noch Lust, weiterzuwandern. Nachdem ich wegen des Lokführerstreiks in der ersten Septemberwoche mit schlechtem Gewissen heimgeflogen war, statt wie geplant den Zug zu nehmen, lief ich daher zumindest noch vom Flughafen nach Hause – das fühlte sich wie das angemessene Ende für diese Wanderung an. Aus einer kleinen Hüttenwanderung, die ich seit Jahren im Hinterkopf habe und eigentlich gerne noch unternehmen wollte, wurde dann allerdings nichts mehr, da ich die Schnapsidee hatte, mich kurzfristig und spontan zu einem 100 km-Megamarsch anzumelden. Damit machte ich zwar noch die 2.000 km voll, aber danach hatte ich vom Wandern erstmal genug.

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vor 2 Stunden schrieb berghutze:

Wenn ich den Berg hoch lief hatte ich im schlimmsten Fall irgendeine schreckliche Werbemelodie in Dauerschleife im Ohr (wer sich beim Berghochlaufen noch schlaue Gedanken machen kann, sollte einen Schritt zulegen – wer lacht, hat noch Reserven :-D).

Mir geht es zuweilen genauso. Dann hasse ich meinen starken inneren Fokus auf Musik. Schon der Klang meiner eigenen Atmung und der Rhythmus meiner Füße können Melodieabschnitte suggerieren, die ich erstaunlicherweise entweder nicht mag oder deren Kürze eine richtige Folter ist.  :-) 
 

vor 2 Stunden schrieb berghutze:

Ich machte mir unterwegs auch keine besonders schlauen Gedanken (jemand erklärte mir beispielsweise begeistert, dass man da unterwegs bestimmt über so viele Dinge nachdenken könne).
...
 Die Natur nimmt man sicher bewusster wahr. Sonst dachte ich hauptsächlich über die Etappe, die nächste Übernachtung und über Essen nach. Und ich bin immer wieder erstaunt, dass man beim Wandern abends auch mental relativ erschöpft sein kann, da es Wegabschnitte gibt, bei denen man sich auf jeden Schritt konzentrieren muss.

Auch das kenne ich. Es spült den Kopf so richtig frei. Das bedient den 'inneren Frieden' mindestens genau so stark, wie die 'schlauen Gedanken' es könnten. 

 

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vor 21 Minuten schrieb martinfarrent:

Dann hasse ich meinen starken inneren Fokus auf Musik.

Oh ja, oft reichte mir nur ein Stichwort. Am Friedhof vorbeikommen und stundenlang Frank Zander, Hier kommt Kurt ("und wenn er in die Kiste steigt, dann ruft die ganze Gruft"), Tierspuren im Schnee: "ABC, die Katze lief im Schnee" und unzählige weitere Beispiele. Da war mir First Aid Kit mit My silver lining ("I won't take the easy road") fast noch am liebsten. :grin:

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vor 55 Minuten schrieb berghutze:

Oh ja, oft reichte mir nur ein Stichwort. Am Friedhof vorbeikommen und stundenlang Frank Zander, Hier kommt Kurt...

OT: Wenn wenigstens ein mieses Lied durch das Erlebnis weiter zerschossen wird, ist die Sache ja noch halbwegs okay. Blöder ist es, wenn richtig gute Musik im Loop vor die Hunde geht. :-) 

Aber so viel auch wieder zu den 'klugen Gedanken' ... an Frank Zander zu denken, ist (zumal bei solchen Folgen) alles andere als klug. :-) (Uff, da geht's schon wieder los. Um Frank Zander zu verbannen, dachte ich an Frank Zappa und zermartere jetzt Joe's Garage.)

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Vielen Dank für den tollen Bericht, war echt cool zu lesen. Habe mir das mal gespeichert, für eventuelle zukünftige Abenteuer :)

Bezüglich der Musik bin ich wohl ganz anders. Letztes Jahr ist mir am dritten Tag meiner Wanderung eingefallen, dass ich noch gar keine Melodie im Kopf hatte. Hab ich dann aber auch nicht gebraucht. 

Ich mag es, beim Wandern den Gedanken freien Lauf zu lassen. Dabei kommt zwar meistens nur Müll zustande, aber es hilft irgendwie den Kopf zu entrümpeln. Klingt komisch, kann es aber nicht besser erklären.

 

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vor 14 Stunden schrieb Kay:

gewählten Laufrichtung

Da es mir reizvoller erschien, am Ende am Meer anzukommen, habe ich mir nie ernsthaft darüber Gedanken gemacht, in die andere Richtung zu laufen (weder vor, während oder nach der Wanderung). Wüßte aber umgekehrt auch nicht, warum das nicht möglich sein sollte.

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Am 31.1.2022 um 08:15 schrieb berghutze:

Ich machte mir unterwegs auch keine besonders schlauen Gedanken (jemand erklärte mir beispielsweise begeistert, dass man da unterwegs bestimmt über so viele Dinge nachdenken könne).

Ich finde, das schöne an den Touren ist immer genau das Nicht Nachdenken. Im Alltag habe ich tausend verschiedene Dinge im Kopf, und es ist schwer, den Kopf mal überhaupt einzubremsen. Beim Wandern (und beim Tauchen) legt sich da ein Schalter um, und ich werde aus den tausend Gedankengängen ins absolute Hier und Jetzt geschleudert, die Zeit scheint kontinuierlicher zu vergehen und die Eindrücke werden - nun, vielleicht nicht immer intensiver, aber irgendwie nachhaltiger.

Danke, @berghutze für den tollen Bericht!

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Danke für deine Antwort zur Laufrichtung. Ich möchte in 1-2 Jahren auch gerne eine Alpenquerung angehen und in meinen Gedankenspielereien gehe ich intuitiv auch eher in Richtung Westen. Magst du noch eine Frage beantworten? Bist du mit deinem Startdatum zufrieden oder hättet du lieber ein anderes gewählt? Man hat ja nicht immer eine freie Wahl und die Schneelage spielt natürlich auch eine sehr jahresindividuelle und regionale Rolle. Ich freue mich, falls du Lust hast deine Gedanken dazu zu teilen.

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vor 8 Minuten schrieb Kay:

Startdatum

@Kay Zum Startdatum habe ich auch in dem Vorbereitungs- und Planungspost was geschrieben. Wenn man den Karnischen Höhenweg laufen will, auf dem es ordentlich hoch geht, auf keinen Fall zu früh starten. Daneben sollte man den Hochschwab im Blick behalten, was Schnee angeht.

Ergänzung: Ich habe den Eindruck, dass sich unter den Wien-Nizza-Wanderern Fronleichnam etwas als Startdatum eingebürgert hat. In einem schneereichen Jahr ist das m.E. aber zu früh.

Bearbeitet von berghutze
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@berghutzevielen dank für den schönen Bericht! Ich fand das Verhältnis von Text und Bilder super (mehr Bilder gehen immer). Ich musste immer mal wieder an meine (nur 460 km langen) Alpenüberquerung denken und habe regelmäßig deine Bilder einem Freund geschickt (mit dem ich besagte Alpenüberquerung gemacht hatte).  :-)

 

 

Bearbeitet von trekkingBär
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