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Ultraleicht Trekking

Sarek - Padjelantaleden August / September 2017


Jan el mochilero

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Sarek. Allein der Name hat mich fasziniert, noch mehr sein vielgebrauchter Kosename "die letzte Wildnis Europas" !
Den größten Teil Skandinaviens, habe ich bis jetzt wilder und ursprünglicher wahrgenommen als die in Mitteleuropa von Urbanem Gebiet umzingelten und eingesperrten Naturschutzgebiete. Wild, das heißt für mich, fernab von Zivilisation und jeglicher Zeichen dieser. Auch auf einem Trail ist man in der Natur und ist dieser ganz nahe, doch man bewegt sich doch eingeschränkt auf einem mehr oder weniger künstlich erbauten Korridor durch die Landschaft. Wenn es ein Gebiet gibt, wo man mehrere Tage, bis Wochen sogar, abseits von Wegen, frei nach Schnauze "offtrail" wandern könnte , dann wohl doch im Sarek, dachte ich mir. 
Dass sich meine großen Erwartungen sich nicht komplett bestätigt sahen, ahnen vielleicht schon einige, die schon dort waren.

Für meine Planung zu dieser Reise habe ich viele Informationen hier aus dem Forum und von Mitgliedern bekommen. Deswegen, um mich dafür zu bedanken, will auch ich hier mein Bericht zur Schau stellen, um anderen möglicherweise bei der Planung zu helfen oder zumindest Eindrücke zu vermitteln.


Die Idee war es den Nationlpark von Süd nach Nord zu durchqueren  und oben angelangt, westlich an der Grenze zum Sarek entlang zu laufen um auf den Padjelantaleden, zurück zu meinem Ausgangsort Kvikkjokk zu gelangen. 

Als endlich die bestellte Karte im Maßstab 1:50000 ( von Calazo, auf Tyvek gedruckt, deckt den ganzen Park sowie einen kleinen nördlichen Teil des Padjelantaleden ab) ankam, konnte ich mich damit und mit Hilfe des Kartenprogramms Gaia GPS auf die Feinarbeit der Route stürzen. Herausgekommen ist das:


59b80433ec605_Bildschirmfoto2017-09-09um18_26_55.png.png.76ec220fa17eb3bde77407b0c05f973c.png(Die mit einem Häuschen 59b8044e98ff8_Bildschirmfoto2017-09-09um18_27_56.png.png.0a10d16e2a2d3c6f66c9336bdecd0477.png

(Die mit einem Häuschen markierten Stellen sind Schutzhütten, das rote Symbol markiert Kvikkjokk)

 

 


Da ich nicht genau wusste wann ich die Reise antreten würde und die Fähre nach Ritsem nur bis zum 10. September fährt, fiel diese Alternative für mich aus.Mit 242km lag die Strecke auch in meinem vorhanden Zeitrahmen.

Von diesen 242km, verlaufen die ersten 10km auf dem Kungsleden, 100km im Sarek und 132km auf dem Padjelantaleden. Somit ergeben sich 100km offtrail und 142km ontrail.

100km Strecke klingt erstmal nicht nach einem großen Ding und sind auf ebenem Terrain auch gut in 3 Tagen abgelaufen, da ich aber noch nie abseits der Wege unterwegs war, konnte ich mir wenig vorstellen wie schnell man im Gebirge, im Fjiäll und im Sumpf wohl vorankommen würde. Außerdem wollte ich mir zwei Puffertage mit einplanen um unvorhersehbare Zwischenfälle, wie Wasserhochstand, sehr schlechtes Wetter (gibt's ja eigentlich gar nicht, nur schlechte Kleidung.... ) und Krankheit oder Verletzung ausgleichen zu können oder auch um meine Route spontan zu verändern.

Die Rechnung sieht also wie folgt aus:

offtrail 25km pro Tag  ->  4 Lauftage
ontrail 35km pro Tag  ->  4 Lauftage

insgesamt                   ->  8 Tage
plus zwei Puffertage ->   10 Tage

(Tatsächlich hatte ich mich allerdings verrechnet und bin bei 100:25 auf 5 gekommen. Dieser Rechenfehler hatte die Strafe zu folge, dass ich ein Tag mehr Proviant als nötig mit mir rumtragen durfte)

Um das für mich hochgepokerte Pensum von 25km am Tag im Park 4 Tage lang durchziehen zu können musste hier natürlich auch wieder auf ultraleichtes Gepäck gesetzt werden. Ultraleicht im Sarek unterwegs zu sein, ist mit Sicherheit keine Pioniersarbeit mehr, für mich dennoch ein kleiner Schritt ins Unbekannte, da ich bis jetzt nur auf dem Südlichen Kungsleden mit leichterem Gewicht unterwegs war, allerdings mit Doppelwand Zelt.

Auch für ein Teil meiner Ausrüstung war dieser Trip eine Premiere. Leider habe ich im Berliner Umland kein besser vergleichbares Testgebiet gefunden als die Döberitzer Heide bei Potsdam, um mein neu genähtes Pyramiden-Tarp auf Sturmtauglichkeit zu prüfen. (Was mir später zwar nicht zum Verhängnis wurde aber mir zwei sehr ungemütliche Nächte bescherte) 

Hier meine Packliste:         Sarek-Padjelantaleden-Loop.numbers



Mit dem Gewicht war ich vollkommen zufrieden. Ein Base-Weight von 5,24 kg ist klassisch gesehen natürlich nicht Ultraleicht aber für die dort oben im Norden herrschenden Bedingungen doch ganz minimalistisch und wenn die Klassifizierung auch persönlich für mich kein Maßstab ist, den ich anzustreben versuche, so reizt mich der Versuch dennoch zu testen mit wie wenig Equipment und Luxus mein Komfort-Limit erreicht ist.

Die Vorfreude auf die kommenden Erlebnisse wurden nur leicht gedämpft beim Gedanken an die endlosen Stunden des Wartens, was eine Skandinavien Reise meistens mit sich bringt. Man ist in einer Stunde und fünf Minuten von Berlin aus in Stockholm und die Zeit im Nachtzug vergeht schlafend ruckzuck. Nur die ewigen Stunden des Sitzen und Wartens zwischen Flugzeug, Bahn und Bus sind für einen Menschen mit so wenig Sitzfleisch wie mir, immer eine Tortur. Die Tickets für den Zug, der mich von Schweden´s Hauptstadt nach Boden C und von dort aus über Jokkmokk nach Kvikkjokk brachte, hatte ich im Vorfeld über diese Seite gebucht ( https://www.sj.se/en/home.html#/ )
Vom Flughafen zum Bahnhof kann man auf drei Arten kommen.Taxi, Flughafen Transfer, wobei Flygbus mit 12,50€ der günstige ist ( https://www.flygbussarna.se/en/arlanda) ,oder mit den Öffentlichen. Ich hatte mich für die gemütliche Variante des Transfers entschieden, dessen Tickets man direkt an der Haltestelle vor dem Flughafen oder direkt schon an der Gepäckausgabe am Automaten kaufen kann. Die Fahrt dauert exakt 45 Minuten.  

Mit sich so leicht anfühlendem Gepäck auf dem Rücken (selbst mit Proviant) war ein Stadtbummel in Stockholm weit aus wendiger anstrengend, wie ein Einkauf auf dem Wochenmarkt mit 5Kg Kartoffeln im Rucksack. Ich brauchte noch eine Gasflasche, welche ich im Trekking-Himmel Laden "Alewalds" in der Kungsgatan 32 besorgte. Da sich meine Kochaktionen nur auf morgens eine Tasse Tee und Abends 0,5l Wasser für die Frezzerbag-Gerichte beschränken würden, hoffte ich dass mir eine 100g Kartusche ausreichen wird. (Insgesamt hat sie über 10Tage durchgehalten, wobei nach dem 8. Tag der Druck deutlich nachgelassen hat)

Auf die Fahrt mit dem Nachtzug hatte ich mich besonders gefreut, da ich noch nie in solch einem Schlaf-Gefährt unterwegs war und dies nur aus Büchern und Filmen kannte. Und Tatsächlich kam ein Gefühl von Transsibirischer Eisenbahn, Orient oder Hogwarts- Express in mir auf. Zu sechst in einem Abteil, jeweils drei übereinander, verbringt man ruckelnd und ratternd die Fahrt auf meiner Meinung nach ganz gemütlichen Betten, mit Kissen und Decken. Das mittlere Bett ist die beste Wahl, da man beim Liegen sogar noch aus dem Fenster schauen kann und kleine rote Häuschen, Seen und Birken Wälder beim an sich vorbeiziehen beobachten kann. 
Am nächsten Morgen musste ich noch zwei Stunden Wartezeit hinter mich bringen in Boden C. Es gibt einen Supermarkt dort; mehr ist über den Ort auch nicht zu sagen. In Jokkmokk kann man sich das Warten erträglicher machen, indem man ebenfalls im dortigen Supermarkt einkaufen geht, das sehr Interessante Sami- und Fijäll Museum besucht (Eintritt ca. 8€) oder in der Bücherei, gegenüber dem Busbahnhof, das kostenlose W-Lan ausnutzt.

Abends endlich in Kvikkjokk angekommen, lief ich noch ein paar hundert Meter den Kungsleden entlang um einen Zeltplatz zu suchen. Dort gab es auch gleich eine große Auswahl davon rechts und links des Weges, mit großzügig zertrampelten Buschwerk und geschmückt mit einer guten Auswahl an Verpackungsmaterialien  und weißen Klopapierfähnchen.
Allerdings hatte ich für meine erste Nacht keine besonders großen Ansprüche und verbrachte auch wenig Zeit mit der Suche. Ich würde in den nächsten Tagen  bestimmt noch in den Genuss von besseren Campspots kommen. Nachdem ich mir ein Minilagerfeuer in einen der unzähligen schon vorhanden Feuerstellen entfacht hatte um die Dose Bohnen zu erwärmen die ich noch spontan eingekauft hatte und diese dann schnell verschlang ,schlummerte ich auch bald ein, mit Bildern von bevorstehenden Abenteuern im Kopf.

Der nächste Morgen begann mit der portionierten Ration von 90g gemischtem Müsli und einer Tasse Schwarztee. Noch konnte ich mich dafür begeistern. Schnell war alles gepackt und die Lauflust zog mich auf den Trail. Dem Kungelnden folgte ich dann 7 Km bis zu einem Schild das die Abzweigung nach Pårek anzeigte. Ohne dieses wäre ich wohl an dem, im Gegensatz zum wie zu einer Hikerautobahn ausgetretenen Kungsleden, kleinen, unscheinbaren Pfad vorbeigelaufen. Die Tatsache das dieser Weg an manchen Stellen reichlich zugewachsen war, ließ mich fröhlich stimmen in der Hoffnung ungestört und alleine die nächsten Tage im Nationalpark zu verbringen. Aber schon auf den ersten Kilometern überholte ich ein deutsches Pärchen, dass ich schon im Bus gesehen hatte. auf meine Frage wohin es denn gehen sollte verkündigte mir das Mädchen voller Stolz, dass sie den Sarek durchqueren wollten. Bei meiner Antwort darauf, dass ich das ebenfalls vorhabe, huschte ein kleiner Schatten über Ihr Gesicht. Solch ähnliche Reaktionen sollte ich noch öfters beobachten werden. Und bei jedem Zelt an dem ich in Richtung Parkgrenze vorbeikam, wurde auch mir klar, das ich nicht ganz so einsam sein werde wie ausgemalt.

Irgendwann verlief sich der Pfad im Nichts. Schluss. Also nahm ich Kurs auf den Stuor Jierttaá, den ich umrunden wollte. Die ersten Kilometer gingen über Gestrüpp und hartem steinigen Boden. Wenn der Belag so bleiben würde, würde ich gut vorankommen dachte ich. Aus dem Plan den Berg zu umrunden, wurde eine Überschreitung. Ein Schwede, der sein Hilleberg Zelt an der Parkgrenze aufgestellt hatte um von dort aus mit seiner Frau Tagestouren zu machen, gab mir diesen Tipp. er meinte der Weg drumherum wäre viel anstrengender, da es immer hoch und runter ginge und auch die Brücke so schwieriger aufzufinden wäre. Als ich auf den Berg zu marschierte, merkte ich dass mir eine gewaltige Regenwand folgte. Meine Versuch Ihr davonzulaufen und den Bergkamm zu erreichen bevor sie mich einholte, misslang mir. Ich konnte von 10 runter zählen und schon ergoss Sie sich über mir. Oben angekommen suchte ich hinter einem Felsen Deckung und schlang erstmal einen Müsliriegel runter. Dabei riss der Wind mir die Verpackung aus der Hand und das Papierchen segelte in das vor mir liegende Gådokvágge davon. Das hatte mich ziemlich genervt, dass ich an meinem ersten Tag schon Objekte hinterließ, die von meiner Anwesenheit zeugen würden. Lange konnte ich mich aber mit diesem Ärgernis nicht befassen, da ich die Brücke finden musste, die mich über den sonst nicht zu passierenden Fluss bringen würde. Allerdings konnte ich weder von der Brücke noch von dem Fluss etwas in diesem riesigen Tal erkennen. Ich entnahm der Karte die Marschrichtung von der Spitze des Berges auf Richtung der Brücke. Hier in der Nähe wollte ich mein Lager aufschlagen; Am nächsten Tag müsste ich dann nur noch der auf meinem Kompass eingestellten Marschzahl folgen und würde an die Brücke gelangen, die in der Nähe einer Rentierzüchterhütte gelegen ist.


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(kurz unterhalb des Stuor Jiettá)

Diesen Plan setzte ich dann am nächsten Tag gleich in die Tat um und immer dem Richtungspfeil meines Kompasses folgend, traf ich dann auch irgendwann auf den Fluss, den ich, trotz seiner Größe, erst sah als ich kurz vor ihm stand, da er in einer Schlucht liegt. Allerdings konnte ich die Brücke nirgends entdecken. Ich hatte nicht erwartet dass mich die Peilung, welche ich ja aus weiter Entfernung gemacht hatte, direkt auf die Stufen der Brücke führen würde aber zumindest in die Nähe. Sie konnte sich also rechts oder links von mir befinden und sich hinter irgendeiner Flussbiegung verstecken. Meinem Bauchgefühl vertrauend lief ich Richtung Westen am steilen Ufer des Flusses entlang. Immer wieder in Sümpfen einsinkend und mich durch Hüfthohes Gestrüpp kämpfend, musste ich dann aber nach einer Stunde wohl einsehen dass mich mein Gefühl getäuscht hatte und ich in die falsche Richtung gelaufen war. Also umgedreht und das ganze wieder zurück. Ermüdet, zerkratzt und etwas an meinen Navigationskünsten zweifelnd erreichte ich dann schließlich doch die Brücke. Grummelnd erinnerte ich mich dann auch prompt an die Stelle aus einem Buch über Navigation, dass ich gelesen hatte (Karte, Kompass,GPS aus dem Conrad-Stein Verlag): "Wenn man sein Ziel, das an einer Standlinie z.B. Fluss oder Ufer liegt, nicht sehen kann, ist es besser einen Punkt rechts oder links des Objektes anzupeilen, so muss man nur in eine Richtung suchen, wenn man die Standlinie erreicht". Learning by doing.

Da ich jetzt aber war wo ich hinwollte, spielte das keine Rolle mehr. Vor mir stellten sich Berge, Gletscher und Täler so markant und eindeutig dar, dass ich solche Techniken und Spielereiern gänzlich vergessen konnte und den Kompass nur noch ab und an zum Einnorden der Karte benutze.

Meine Route führte mich ins Jiegnavágge, von wo aus ich in das Bielloriehppe Massiv steigen wollte. Reichlich spät erreichte ich den gleichnamigen See, der gleichzeitig das Ende des Tals markiert. Lange überlegte ich mir ob ich noch an diesem Tag den Aufstieg wagen sollte. Ich wollte die Nacht lieber in tieferen Gefilden verbringen und war mir auch sicher das die Auswahl an guten Schlafplätzen dort oben bestimmt begrenzt wäre. Dass ich allerdings erst 6 Kilometer auf meiner geplanten Route zurückgelegt hatte und ich meine Puffertage nicht schon am zweiten Tag benutzen wollte, brachten mich dennoch dazu die Trekkingstöcke ein wenig zu kürzen und auf den Hang los zu stapfen.

 

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(Blick vom Jiegnavágge aus auf den Unna Stuollo und dem Stuollotjåhkkå)

 

Die leicht ansteigenden Geröllfelder führen zu einem plötzlich sich steil auftürmenden Schneefeld, das glatt und blendend zwischen dem Unna Stuollo und dem Stuollotjåhkkå liegt. Schritt für Schritt und mit meinen Schuhen Stufen, in den nur leicht gefrorenen Schnee, hauend, erklomm ich die Wand. Auch wenn es bestimmt lustig wäre auf dem Hosenboden hier herunter zu rodeln, flösten mir die Felsen am Ende des Schneefelds gehörigen Respekt ein und zwangen mich zur Konzentration. Die Aussicht war schon nach wenigen Höhenmeter grandios; Ich wollte Sie aber viel lieber oben in Ruhe und entspannt auf geraden Untergrund genießen. Am Plateau angekommen, konnte ich mich gar nicht entscheiden in welche Richtung ich meine staunenden Augen lenken sollte. Hinter mir lag lang und von den Wolken verdunkelt das Tal aus dem ich gekommen war. Vor mir ein Teppich aus Steinen und blauen Gipfeln, die in der Ferne leuchteten. Ich war noch nie auf dem Mond, aber so ähnlich müsste es dort wohl aussehen, kam mir in den Sinn.

 

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(Blick ins Jiegnavágge)

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(Blick auf das Plateau des Bielloriehppe)

 

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....Im Laufe der Woche gibt´s die Fortsetzung ....

 

 

 

 



 

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vor 3 Stunden schrieb crestfallen:

Schön geschrieben. Deine Gearliste als Text statt Mac Format ist sicher für alle lesbar und nicht nur für einen kleinen Kreis.

crestfallen

Danke, auch für den Hinweis.Jetzt muss ich  nur noch herausfinden wie ich mein eigenen Post bearbeite. Kann mir das jemand erklären ? 

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(Hier der Nachtrag der Gearliste: Sarek-Padjelantaleden-Loop PDF.pdf  )

 

 

 

 

Das Rapadalental hatte ich nicht in meine Route mit einbezogen, da ich geplant hatte einen Berg auf der Nord-Ost Seite des Massives zu besteigen um von dort oben eine Sicht auf das wunderbar grüne Tal zu erhaschen. Als ich aber um die Ecke des Stuollotjåhkå bog und sich die Felsen immer weiter und steiler in der Himmel schoben, wurde mir ganz schnell klar, das mir dieses Vergnügen verwehrt sein sollte. Der Nordtoppen, mit seinen 1828m, machte dann doch einen krasseren Eindruck auf mich als es mir auf der Karte den Anschein hatte. Diese Kraxelei würde eindeutig meine Fähigkeiten übersteigen und so musste ich wohl oder übel Abschied nehmen vom geplanten Blick auf die andere Seite. 

Um vom  Bielloriehppe runter ins Sarvesvágge zu kommen , kann man entweder dem Gaskasjågåsj oder dem Stuolojågåsj folgen. Ich entschied mich für letzteren da mir dieser Weg weniger steil schien. Ich stieg noch ein paar Meter ab und suchte mir die am wenigsten schräge Stelle des Hanges heraus um darüber mein Tarp aufzuspannen. Ich war Hundemüde. Als ich mit frischen Socken und vollem Magen, eingemummt im Schlafsack lag und den Tag Revue passieren ließ, kam es mir vor, als wäre mein Start an diesem Morgen vom Gipfel des Stur Jierttá und meine langwierige Suche nach der Brücke schon Tage her. Ich konnte mich an fast jeden Moment des Tages und wie ich mich in diesen gefühlt hatte, erinnern. Vom eisigen Wind im Gesicht am Morgen, den Nadelstichen in den Zehen wenn man mit halbwegs trockenen Schuhen nach dem Aufstehen in eiskaltes Gletscherwasser tritt, bis hin zu der Anspannung die ich auf dem Schneefeld gefühlt hatte. Im Alltag fällt es mir oft schwer mich an nur kurz zurückliegende Ereignisse zu erinnern und auch die Zeit zwischen arbeiten, einkaufen, u-Bahn fahren und ausgehen fließt einem wie Sand durch die Hände. Es geschieht so viel an einem Tag und doch nimmt man nur das wenigste Bewusst war. Ganz anders hier draußen, hier hatte ich das Gefühl alles zu erleben und in mir aufzunehmen und jeden Schritt auszukosten.


Es lohnt sich, wenn man im Stuolovágge kampieren will weiter abzusteigen und nicht wie ich den erstbesten Lagerplatz zu nehmen. Nach und nach wurden die Seitenränder der Schlucht ein wenig flacher und der steinige Boden überzieht sich Stück für Stück mit Moos und Gras bis hin zur Baumgrenze. Diese stellt wirklich eine Grenze, wie eine Mauer, dar , durch die sich durchzukämpfen ein echter Kraftakt ist. Weidegestrüpp und junge Bäume, die einen um einige Köpfe überragen versperren einem den Weg und lassen nur mühsam vorankommen. Doch nach 4 Km steht man wie ausgespuckt aus dieser senkrechten Masse in einem Birkenwald , der mit kleinen Wasserläufen und unzähligen Tierwegen durchzogen ist. Man hat die Qual der Wahl, welchen man folgen will, aber schlussendlich enden doch immer alle in einem Tümpel und man muss ich wieder einen neuen suchen der in die Richtung zieht, in die man will. In meinem Falle bergab zum Sarvesjåhkå. Ein ordentlicher Fluss, den ich nicht im Juni überqueren möchte ! Aber bis zu der Stelle an der Ich Furten wollte waren es noch einige Kilometer Flussaufwärts Richtung Westen. Der niedrige Wasserstand ließ mich die vom vorherigen Tag verlorenen Kilometer schnell aufholen. Oft konnte ich im ausgetrockneten Flussbett des Sarvesjåhkå laufen, der, wie gesagt, im Sommer wohl eine beträchtliche Größe haben muss. Das Furten war kein Problem, wenn auch verdammt kalt. Hier haben sich Trailrunning Schuhe mal wieder eindeutig bewährt. Man läuft, nachdem man durch den Fluss gewatet ist einfach weiter, hält sich dadurch warm und verschwendet keine Zeit mit umständlichen Versuchen, Wasser aus den Stiefeln zu kippen. Die Südseite des Sarvesvágge ist die bessere Wahl und selbst nach der Rentierzüchterhütte finden sich noch sehr gute Furtmöglichkeiten. An einer Stelle, an der der Fluss durch eine kleine Schlucht verläuft und sich die Ufer sehr Nahe kommen, könnte man sogar mit einem mutigen Sprung, von Fels zu Fels, trockenen Fußes, auf die andere Seite gelangen. 

Von hier aus wollte ich über das Niejdariehpvágge, welches wie ein Tunnel durch die westlichen Ausläufer des Ålkatj-Massives zieht,  ins Álggavágge gelangen.

Bis zu diesem Tag hatte, ich außer am ersten, vor der Grenze zum Nationalpark, keine Menschenseele getroffen und auch nur wenig Beweise, dass hier außer mir, überhaupt schonmal jemand durchgewandert sein muss. Abgesehen von den zwei Rentierzüchterhütten, die nicht bewohnt waren, fand ich nur ein wenig Müll und eine Klischee-hafte Lagerfeuerstelle. Allerdings tun einem gerade hier solche Funde besonders weh. Auch wenn man sich bewusst ist, dass in anderen Naturregionen deutlich mehr Müll herumliegt und ich mir oft zu Hause vorkomme als würde ich auf einem Teppich von Zigarettenstummel laufen, der nur ab und zu den Asphalt durchblicken lässt, macht gerade das einem den Traum vom Abenteuer in der unberührten Natur kaputt. Wenn man sich auf die Natur einlässt, sollte man dies auch ganz tun. Ehrlich, an alle, jegliches Geschlechts: Es geht auch ohne Klopapier ! (eine kleine Anekdote dazu: Wenige Tage später auf dem Padjelantaleden, versperrte mir ein riesiger, menschlich erzeugter Berg mit Zewabedecktem Gipfel, den Weg. Mitten auf dem Weg ! ) Naja, da das hier ohne hin die falsche Adresse für Belehrungen ist, da ich mir fast sicher bin, dass alle Ultraleicht-Wanderer hier eng Naturverbunden sind und meine Meinung teilen, komme ich zurück zum Álggavágge.

Dieses zieht in einem leichten Bogen in Richtung Zentrum des Sareks. Dort befindet sich eine kleine Hütte der Parkverwaltung, mit einem Nottelefon, die Mikkastugan. Spätestens hier musste ich wohl damit rechnen wieder auf Mitwanderer zu treffen. Bevor ich aber wieder ein wenig zurück an die Wirklichkeit und an eine Existenz außerhalb meines kleinem Sarek-Mikrokosmosses, erinnert wurde, stand ich eine Weile, staunend, an dem Punkt wo die zwei Täler, das Álggágge und das Guohpervágge, zusammentreffen. Gerade in diesen Moment befreite sich die Sonne kurz aus Ihrem schweren Griff der Wolken und ließ dieses Panorama äußerst Majestätisch und prächtig aufleuchten.

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(Blick ins Álggavágge )

Nachdem ich  durch die Löcher eines etwas demolierten Rentierzaun gestiegen bin und dem gut sichtbaren Weg bis zum Guohperjåhka folgte, durchwatete ich diesen, zwar breiten aber nicht allzu stark fließenden Fluss. Weiter Westwärts zieht der Pfad, immer leicht ansteigend,  durch ein Labyrinth aus Büschen und Sumpflöchern. Sobald man etwas höher steigt gibt der Hügel den Blick auf ein Delta frei, das der Beginn des Rapadalen ist. So konnte ich doch noch ein teil dieser mit Seen und Flüssen durchzogenen Wasserlandschaft betrachten.
Als ich an der Hütte ankam, die unweit von einem rauschenden, weit in die tiefe stürzenden, Wasserfall gelegen ist, sah ich gleich zwei Zelte davor und einige dicke Stiefel und andere Kleidung die zum trocken an der Wand der Hütte aufgehängt waren. Auch stieg Rauch aus dem Schornstein der Hütte. Muss ganz nett sein, jetzt vor einem Ofen, warm und trockene Socken an den Füßen dort  drin zu sitzen, dachte ich. Da ich aber erst vier Tage lang isoliert war und der Drang nach Kontakt sich in Grenzen hielt, konnte ich den Gedanken schnell wieder verscheuchen und weiterziehen. Richtung Hütte kamen mir dann noch drei, schwer beladene Grüppchen entgegen. Warum ich in die letzten drei Tage niemanden zu Gesicht bekam und sich gerade hier ein Mini-Abisko abspiegelte, konnte ich mir auch nicht erklären. 
Spontan machte ich noch einen Abstecher zu einem Gebirgssee, dem Boajsájávrásj. im Ruohtesvágge, erste Ausfahrt links. Oben musste ich mir erstmal auf die Schulter klopfen, dass ich dieser Eingebung gefolgt und von meiner geplanten Route, die mich einfach gerade aus weiter durch das Tal hätte geführt, nachgegangen war. Ein spiegelglatter, hellblauer See vor einem Schneefeld, das steil bis hoch zur Spitze des Gasskatjåhkkå zieht. Wie gerne wäre ich auf diesen Berg gestiegen der über einen schmalen Grat der fast bis ins Tal verläuft, zu erreichen ist. Allerdings wollte ich solche Aktionen, alleine, lieber nicht in Angriff nehmen. Auf dem Weg zurück ins Ruohtesvágge, kommt man an einem  riesigen, von dunklen Geröllfeldern flankierten Gletscher vorbei, dem Oarjep Ruohtesjigna. Obwohl es mir als gewaltig groß erschien, hat es tatsächlich nur noch ein Drittel seiner Größe aus der Zeit, als Axel Hamberg es vor weniger als hundert Jahren entdeckte. Mein viertes und damit letztes Lager im Sarek, schlug ich weiter talwärts auf, mit Blick auf den Niják, den ich am nächsten Tag besteigen wollte.

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(Gebirgssee im Ruohtes Massiv)

Meine seit langem mal wieder komplett abgetrockneten Schuhe erhieltenan diesem Morgen Ihre tägliche Dusche schon in den ersten hundert Meter meines Weges. Bei der Durchquerung dieser Sumpflandschaft fühlte ich mich wieder in meine Kindheit versetzt, als ich spielte dass der Boden Lava wäre und man sich nur über die Möbel und Gegenstände in der Wohnung, durch das Zimmer hangeln konnte. Sonst verbrannte man. In diesem Fall waren es nur noch nassere Füße. Allerdings hat man´s irgendwann raus, zu erkennen auf welchen Boden man stehen kann und welcher einem mit lauten schmatzen die Füße einsinken lässt.

Das Nijávágge führt zu einem kleinen See der auf dem Plateau hinter dem Niják liegt. Der Aufstieg hierher war gar nicht so easy und hatte mich ganz schön ins Schwitzen gebracht, was mich gleich durch den starken Wind hier oben etwas frösteln ließ. Zu Hause hatte ich gesehen dass im Kartenprogramm ein kleiner Pfad an einer scharfen Kante entlang, auf den Gipfel führen musste. Von dem war allerdings nichts zu sehen. Nur eine Masse aus Geröll die sich bis zu einer Wolkenwand auftürmt, die die Spitze des Berges in Nebel verhüllt. Ich ließ meinen Proviant und andere Ausrüstung, eingewickelt in mein Tarp neben dem See liegen und machte mich los. schon nach einigen hundert Metern wurde mir klar dass das kein Spaziergang wird. Die Steine wurden immer nasser und rutschiger. Viele waren auch locker und rollten donnernd den Berg hinunter, nachdem ich auf Ihnen ausrutschte. Irgendwie hatte mich plötzlich der Mut verlassen und dass ich alleine unterwegs war und bis zum nächsten Telefon ein ganzer Tag Fußmarsch lag wurde mir dann auf einmal bewusst. Ich konnte den Gipfel schon sehen, machte aber nach langem hin-und her überlegen, doch kehrt und stieg wieder zu dem weit unten leuchtenden roten Punkt hinab. Ich ärgerte mich, dass ich die Idee auf diesen Berg zu klettern, nicht umsetzten konnte, sie war es mir aber auch nicht wert, mich in eine gefährliche Situation zu bringen. 

Ich machte mich an den Abstieg und in einem weiten Bogen um den Niják herum in Richtung Áhká Massiv, hinter dem ich später auf den Padjelantaleden treffen würde.Bis dahin war es noch ein gutes Stück mit viel Hügel hoch und Hügel runter. Immer wieder drehte ich mich um und bestaunte die in der ferne liegende Landschaft. die Hälfte war geschafft und den Sarek hatte ich schon fast durchquert. Die lange Vorbereitung und die umständliche Anreise hatten sich gelohnt. Zufrieden marschierte ich in den Abend, wobei ich den Ärger vom Morgen schnell vergaß und mich auf vier Tage Wellness-wandern, auf einem markierten Weg, freute.

In der Regel lag ich um halb neun in meinem Schlafsack. Bis dahin war alles was zu tun war erledigt und auch wenn ich noch gerne länger vor dem Tarp gesessen wäre um in die Ferne zu schauen, war es doch immer zu nass oder zu kalt um gemütlich dort zu sitzen. An diesem Abend wärmte mir aber die untergehende Sonne die Knochen und ich konnte wenn auch nicht ganz ungestört, im freien Abendessen.  Ist man in den Bergen ist es kalt und windich, aber auf Moskitos wird man keine treffen. Ist man im Tal wird Essen und andere Aktivitäten zur Geduldsprobe, da man ständig von einer schwarzen, nervig summenden Wolke umgeben ist. Dafür friert man nicht und kann sich auch außerhalb seines Schlafsackes aufhalten. Wie man´s dreht, die Natur gewinnt immer.

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....(nächste Woche geht´s weiter)

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  • 3 Wochen später...

Die Wetter Glückssträhne hielt auch am nächsten Tag weiterhin an. Bis jetzt hatte es nur einmal stark geregnet ansonsten nur leicht und das meistens nicht allzu lange. Ich hatte mich auf Schnee eingestellt, doch auch davon bin ich verschont geblieben worden. Bei wolkenfreien Himmel brach ich früh morgens los und folgte immer den orangenen Klecksen Richtung Südosten. Der Padjelentaleden ist gut markiert und die meisten Flüsse und Tümpel sind mit Brettern gut und trocken zu überqueren. Hütten gibt es alle 15-25km und man kommt auch des öfteren an kleineren Winter-Siedlungen vorbei. Der Weg verläuft von Ritsem, am anderen Ufer des Suorvajaure bis nach Kvikkijokk, im gleichnamigen Nationalpark. Dieser Park ist optisch eine ganz andere Erscheinung wie der Sarek, deswegen aber nicht weniger schön. Wenn der Sarek wild, rau und schroff ist, so ist der Padjelenta sanft, ruhig und fließend. Die steil aufragenden dunkeln Berge werden hier durch lang ansteigende Hügelketten, mit Birkenwälder, die im September in allen nur erdenklichen Herbstfarben leuchten, sowie weite Plateaus aus Fijäll ersetzt. 
Ich hatte am weglosen Laufen so gefallen gefunden, dass mir die ersten Stunden auf festen Boden  fast ein wenig langweilig erschienen und ich dachte mir ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre zuerst den Padjelentaleden zulaufen, um von Norden in den Sarek einzusteigen. Doch ich fand schnell wieder Interesse am Weg, da sich doch beide Varianten sehr voneinander unterscheiden und beide Ihre Vorzüge haben. Beim offtrail-wandern muss man ständig achten wohin man tritt, ob man in die richtige Richtung läuft und vorausschauend planen. Das hält den Kopf beschäftigt und verdrängt all die Gedanken vom Alltag und seinen persönlichen Problemen. Für mich war dieses "Kopf-frei" bekommen durch Ablenkung sehr entspannend. folgt man einem Weg, so fallen viele Dinge, um die man sich sonst kümmern muss wie Navigation, bis auf einen kleinen Teil, weg. Schritt für Schritt folgt man der sich am Boden abzeichnenden Spur. So hat man Zeit wiederum Gedanken nachzugehen, die einen beschäftigen und auch für seine Umwelt hat man so eine besseres Auge, da es sich entspannter läuft.

Ich kam gut voran und die 35km am Tag sollten kein Problem sein. Nach ein paar Stunden an der Sonne, holte ich mir sogar einen leichten Sonnenbrand auf der Nase. Wenn auch die Sonne schien, so wehte auch ein kräftiger Wind, der gegen Abend immer mehr an Stärke zunahm. Mittlerweile hatte ich den Birkenwald hinter mir gelassen von welchem ich am Morgen gestartet war und lief jetzt über ein freies Hochplateau. Hier gab es nichts, was einem vor dem Wind Schutz geboten hätte und gegen Ende meines Lauftages wurden die wenigen kleinen Felsen auch immer seltener, hinter denen ich mein Lager aufbauen hätte können. Besser wird´s wohl nicht, dachte ich und versuchte in einer kleinen Senke mein Tarp Sturmsicher für die Nacht zu machen. Mit den wenigen losen Steinen die ich fand, beschwerte ich die Wände und die Heringe im harten Boden. Bis um fünf Uhr morgens, in welcher Zeit ich kaum ein Auge zu gemacht hatte, hielt mein System dem gnadenlosen Wind stand. Bei dem Krach, den der flatternde Stoff machte, war sowieso nicht mehr ans schlafen zu denken und ich machte mich ans zusammenpacken. Als ich mir gerade noch verschlafen, kaltes Müsli zu genehmigen versuchte, während die Wände mir gegen den Kopf klatschten, machte, das ganze Tarp einen Satz und ich saß unfreiwillig im Freien. Noch den Löffel im Mund versuchte ich mit einem Hechtsprung mein weniges Hab und Gut zu retten, was der Wind sonst in alle Himmelsrichtungen verstreut hätte. Nur mit Glück fand ich den herauskatapultierten Hering einige Meter von meinem Lagerlatz entfernt.

Obwohl die ganze Zeit die Sonne schien und der Himmel wolkenfrei blieb, war ich gegen Nachmittag so durchgefroren, dass ich alle meine Kleidung übereinander anziehen musste sobald ich kleinere Stops machte. Nach der Mittagspause machte ich ein Nickerchen im Schlafsack um wenigsten eine halbe Stunde Schlaf aufzuholen, denn ich vermutete, dass der Wind nicht allzu nachlassen würde und die kommende Nacht nicht viel anders sein wird. Ich hatte mir vorgenommen mehr Zeit für die Auswahl eines Schlafplatzes zu investieren und wenn möglich tiefer ins Tal zu steigen.

Meine Befürchtungen sahen sich bestätigt und gegen Abend war der Wind so stark, dass über die vielen Seen schaumige Wellen rasten und ich mich vorgebeugt in Windrichtung lehnen konnte, ohne um zu fallen. Es war gar nicht daran zu denken das Tarp aufzubauen. Hinter dem einzigen Felsen in der Landschaft rollte ich mich im Schlafsack zusammen und hoffte dass es nicht regnen würde. Wieder um die gleiche Zeit, wie am Tag zuvor wachte ich total gerädert auf und musste feststellen, obwohl es nicht geregnet hatte, dass mein Schlafsack ganz durchgeweicht war. Von meinem schützenden Felsen tropfte in regelmäßigen Abständen Wasser und ließ den Loft schnell verschwinden. Also wieder zusammengepackt und losmarschiert.

Den ganzen Tag machte ich mir Gedanken darüber ob es eine Schnapsidee war mit einem selbstgemachten Tarp durch Skandinavien zu ziehen oder ob dieser Wind einfach unberechenbar und außergewöhnlich stark war und es selbst in einem Doppelwandzelt ungemütlich geworden wäre. Schlussendlich würde ich es, aber mit ein paar Verbesserungen (Mehr Abspannpunkte und Ersatzheringe), wieder mit auf Tour in den Norden nehmen. Ich denke ein bis zwei Nächte auf niedrigem Komfort könnte ich weiterhin verkraften, solange man warm bleibt und keine Unterkühlung riskiert.

Stetig ging es nun leicht Berg ab und hinter der Baumgrenze, im schützenden Wald, flaute der Wind dann auch sofort ab. Erst jetzt fiel mir auf das um mich herum, in den letzten Tagen, ein ständiger Geräuschpegel war. Immer sauste einem der Wind in den Ohren oder das rauschen von Flüssen und Bächen. Die Sonne strahlte zwischen den Birken hindurch und hinterließ tanzende Lichtflecken auf dem moosigen Boden. Bis Kvikkijokk waren es noch 1 1/2 Tage. 

 

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Am Ende des Weges (oder am Anfang) wartet eine kleine Schutzhütte mit Feuerstelle und Feuerholz auf einen, in der man die Wartezeit bis zum Eintreffen des Bootes verbringen kann. Der letzte Teil des Padjelantaleden wird nämlich durch zwei große Flüsse versperrt wofür es ein mehrmals am Tag fahrender Bootstranfer gibt. Dieser fährt vom 29. Mai bis zum 24 September. Zumindest im Jahr 2017. Die Fahrt kostet 200 Kronen, die man in Bar oder mit Kreditkarte zahlen kann. Allerdings ging das Kartenlesegerät nicht und ich musste meine Rechnung später im Dorf begleichen. Die nette Fuhrfrau bringt einen dann schnell auf dem sich durch den Wald schlängelnden, flachen Fluss bis an die Anlegestelle von Kvikkijokk.

Der einzige Bus nach Jokkmokk, der Postbote, Lieferservice und Schulbus in einem ist, fährt von der alten Holzkirche um 5:25 Uhr ab. So musste ich noch eine weitere Nacht bleiben, die ich nicht unweit von meinem ersten Lagerplatz hier verbrachte. Davor buchte ich noch meine Tickets für Bus und Bahn nach Stockholm in der Fijäll-Station. Hier kann man den Computer oder W-lan auch als Nicht-Gast gegen eine Gebühr benutzten. 

Um halb fünf klingelte der Wecker meiner Armbanduhr und ich machte zum letzten mal mein Müsli warm und verstaute meine Ausrüstung in dem nun fast leeren Rucksack. Gemütlich im Bus sitzend, schlummerte ich dann auch sofort  ein. Die Fahrt kann man ausschließlich nur mit Kreditkarte bezahlen. Ich hatte zudem kein einziges mal auf der Reise mit Bargeld bezahlen müssen. Die Zeit bis nach Stockholm verging dieses Mal deutlich schneller, vielleicht auch weil ich die meiste Zeit damit beschäftigt war mir den Magen mit Schokolade und Kartoffelsalat, aus dem Supermarkt, voll zu schlagen. Nach 11 Tagen ohne Dusche und mit ziemlich verdreckter Hose, fühlte ich mich in Schweden´s Musterhauptstadt leicht fehl am Platz. In einem Park verkochte ich dann noch meine letzten Gasreserven bis mich der Flieger wieder zurück nach Berlin brachte.

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Vielen Dank für diesen sehr gut geschriebenen Bericht aus einer wunderschönen Gegend.

Zitat

Den ganzen Tag machte ich mir Gedanken darüber ob es eine Schnapsidee war mit einem selbstgemachten Tarp durch Skandinavien zu ziehen oder ob dieser Wind einfach unberechenbar und außergewöhnlich stark war und es selbst in einem Doppelwandzelt ungemütlich geworden wäre. 

Ich denke auch dass das Design deines Tarps durchaus geeignet ist. Ich würde es eigentlich auch nicht als Tarp bezeichnen (obwohl Tarp der richtige Überbegriff ist), sondern als Mid. Darin kann man sich gut vor schlechtem Wetter schützen wenn es denn gut verankert ist.

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  • 1 Monat später...

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