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Ultraleicht Trekking

Von Heimat zu Heimat, eine Bikepacking Tour durch Deutschland


Jan el mochilero

Empfohlene Beiträge

 

Die kalten Finger und Zehen beim Fahrrad fahren, die der hereinbrechende Winter mir gerade beschert, lassen mich zurück an den nicht lange zurückliegenden Oktober denken, der dieses Jahr so besonders warm und schön war.

Schon lange hatte ich den Plan, die Strecke zwischen meinen beiden Heimatsorten, nicht nur mit dem Bus oder Zug, sondern mit dem Fahrrad zu überwinden. Für gewöhnlich braucht man zwischen fünf oder sieben Stunden um von Berlin nach Aalen, ein Städtchen in Süddeutschland, zu gelangen,; Je nachdem welches Transportmittel man wählt. Auf nur zwei Rädern sollte es diesmal um einiges langsamer gehen, dafür aber um ein vielfaches spannender werden als eine Flixbusfahrt auf der Autobahn.

 

Mit dem Kartenprogramm Kommot, plante ich eine Route, die viel Natur mit einschließt, Dörfer und Städte meidet und aus möglichst viel nicht asphaltiertem Untergrund besteht. Mit einem Abstecher durch den Harz sowie nach Würzburg, kommt die Strecke auf insgesamt 700km, die ich an sechs Tagen abfahren wollte.

https://www.komoot.de/tour/46619585?ref=wtd

Die Reise war für Fahrrad, Equipment und mich eine Premiere in Sachen Bikepacking. Bislang hatte ich nur kleinere, ein bis zwei Tagestouren unternommen. Dementsprechend aufgeregt war ich, als ich mit Profilreifen und für sechs Tagen Proviant in den selbstgenähten Taschen, mich früh morgens auf mein Gravelbike schwang. Bei strahlendem Sonnenschein rollte ich auf bekannten Wegen durch den Grunewald in Richtung Süden.

 

Ich hatte versucht mir die Strecke der ersten Tagesetappe so gut wie möglich ins Gedächtnis zu prägen, denn die Herausforderung dieser Tour würde dieses Mal nicht das Unbekannte eines fernen Landes sein, sondern eher mein Smartphone immer mit genügend Strom versorgt zu wissen. Ich hatte mir nur eine grobe Übersichtskarte ausgedruckt. Diese sollte mich davor bewahren nicht völlig zu verzweifeln sollte mein Handy dann doch unerwartet den Geist aufgeben.

 

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Schnell musste ich feststellen, dass das Vorankommen stark vom Untergrund abhängig ist. Ich liebe Kiefernwälder. Jedoch bedeuten Kiefern auch meist sandigen Boden und so quälte ich mich in weiten Teilen Brandenburgs entweder im kleinsten Gang oder zu Fuß über kerzengerade Forstwege. Mir war nicht bewusst dass man trotz null Prozent Steigung und ohne Gegenwind so langsam sein kann !
Als die Sonne unterzugehen begann und ich den Hilferufe meiner Oberschenkel endlich Beachtung schenken musste, baute ich mein Lager auf einer kleinen Waldlichtung auf uns ließ es für heute gut sein.

 

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Meine Tagesetappe hatte ich zwar nicht ganz erreicht, was den grandiosen Sonnenuntergang aber in keinster Weise unatraktiver machte. Die Bäume zogen lange Schatten in der violetten Abendluft und im abnehmenden Kreis der Sonne zogen die Silhouetten zweier Reiter vorbei.

In den darauffolgenden Tagen sollte ich an jeden Morgen und Abend in den Genuss eines nahezu perfekten Sonnenauf-, beziehungsweise Untergang kommen.

In der Frühe noch in Handschuhe, Balaklava und Schichtsystem gehüllt, fuhr ich weiter bis ich mittags trotz kurzer Hose und Trikot, schwitzend, eine Pause einlegte und mit dem Kopf, gut gebettet auf einem Packsack, ein Schläfchen machte. Was kann man sich schöneres vorstellen, als durchs Land zu ziehen,  wann immer man will die Seele baumeln zu lassen oder es auf Singeltrails ordentlich krachen zu lassen und in die wunderschöne Herbstlandschaft einzutauchen. Kurzum, ich kam mir vor wie ein Landstreicher aus alten Tagen.

 

 

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Die Pausen hatte ich allerdings auch nötig. Meine penible Streckenplanung stellte sich dann doch als ungenügend heraus, da mich die Route oft auf Waldarbeiterwegen führte die wahrscheinlich zuletzt vor zwanzig Jahren benutzt wurden. Ultraleicht macht auf jeden Fall auch im Fahrradtourenbereich Sinn, im Gegensatz zu vielen Meinungen; zumindest wenn man vor hat oder gezwungen ist sein Bike des öfteren zu schieben.

Feldwege sind nicht gleich Feldwege, zumindest in Deutschland nicht. Die Größe der Steine, die den Belag darstellen, nehmen in südlicher Richtung stetig zu. Die tiefen sandigen Wege in Berlin und Brandenburg weichen allmählich den Geröllstraßen Sachsen-Anhalts und werden in Thüringen zu Mondoberflächen ähnlichen Passagen. Erleichterung bringen dann die in Bayern und Baden-Württemberg vorwiegenden fest komprimierten Schotterpisten, über die sich es so herrlich rasen lässt.

 

 

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In welchen Bundesland ich mich gerade befand gab mir nicht nur meine Beobachtungen über den Bodenbelag Auskunft, sondern auch Ihre Bewohner selbst. Wechselnde Akzente und Begrüßungsfloskeln verrieten mir schnell wo ich mich gerade befand. Als ich nur noch statt "servus" das mir vertraute "Grüß Gottle" vernahm, wusste ich, dass mein Ziel nicht mehr weit sein konnte.

Dennoch entschied ich mich dafür noch eine Nacht im freien zu verbringen anstatt erschöpft und im Dunkeln zu Hause anzukommen. Ein weiteres mal den Biwaksack ausrollen, den Spiritusbrenner anzünden und die harten Muskeln dehnen.

 

 

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In wenigen Minuten hatte ich meine Freezerbagnudeln vertilgt und zufrieden schaute ich dem Landwirt zu, wie er auf seiner riesigen Maschine, wie auf einem Tron sitzend, seine ernte einholte. Am nächsten Morgen ging es auf abermals bekannten Wegen Richtung Heimat und mein kleines Abenteuer damit zu Ende.

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  • 2 Wochen später...
Am 2.12.2018 um 10:55 schrieb Schildkröt:

Danke für den schönen Bericht! Magst Du vielleicht noch etwas zu Deiner Ausrüstung etc. schreiben?

Gerne: Also viel hatte ich nicht dabei und selbst das war fast schon zu viel. Obwohl der Wetterbericht so tolles Wetter verheißen hatte, traute ich dem Segen nicht ganz und hab noch zusätzlich zum Tarp einen Biwaksack, Regenhose und wasserdichte Schuhüberzieher  eingepackt. Alle drei wurden nie benutzt und an der Hälfte der Abende hab ich mir sogar das Aufbauen vom Tarp selbst gespart. 

Geschlafen habe ich im Null Grad Dauenschlafsack, auch wenn mein "As Tucas" Quillt wahrscheinlich ausgereicht hätte.
Die abendlichen Nudelnschlachten wurden auf einem Dosenkocher mit Spiritus ausgetragen und der schwerste Luxus den ich mir gegönnt habe, war ein Buch von Bukowski. 

Werkzeug hatte ich nur ein Minitool, Luftpumpe und Schlauchflicken dabei. In Würzburg hab ich mir noch einen Ersatzschlauch nachgekauft weil ich den anfangs nicht für nötig hielt. Ein Durchschlag hatte mich dann aber schnell meiner zwei Flicken entledigt und so hätte ich bei ner weiteren Panne wohl schieben müssen.

Die Lenkerrolle, die Rahmentasche sowie die "Cockpit"-Tasche sind Marke Eigenbau und hatten wie gesagt Premiere. Die Satteltasche ist von Alpkit ( Koala 13l). Ich war erstaunt wie stark die Reibung auf Stoff und Rahmen gewirkt hat. Schon nach ein paar Tagen haben die Trinkflaschen ein Loch in die Rahmentasche gescheuert. Beim nächsten Projekt kommen an solche Stellen dann Verstärkungen.  

Die Fotos habe ich mit einer Sony Cyber-shot DSC RX100 III geschossen. 

Hier ist noch meine Packliste:
https://www.geargrams.com/list?id=50790

 

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Am 30.11.2018 um 12:48 schrieb Roiber:

Vielen Dank, hat Spaß gemacht, das zu lesen - noch dazu garniert mit den hübschen Fotos!

700 km an 6 Tagen auf - so zumindest mein Eindruck - mehrheitlich unbefestigten Wegen scheint mir ein ganz ordentliches Pensum zu sein.

Stimmt ! und ich hatte mir auch zu viel vorgenommen bzw, hatte ich die Steigung und das Terrain ganz schön unterschätzt und bin an meine Grenzen gekommen (=  Schlussendlich sind es dann auch 6,5 tage geworden. Hier ein Auszug aus meinem Reisetagebuch:

  1. Tag 101,64km
    Geschw.15,79
    Zeit 6.27 h
  2. Tag 122,9km
    Geschw. 18,41
    Zeit 6.40h
  3. Tag 130.55km
    Geschw. 18.54
    Zeit 7,02h
  4. Tag ca. 105km
    Geschw. 15.5
    Zeit 6,18h
  5. Tag ca 122.73km
    Geschw. 20
    Zeit 6,08h
  6. Tag 117.49km
    Geschw. 17,02
    Zeit 6,54hh
  7. Tag 45km
    Geschw. 16.69
    Zeit 2,44h
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  • 2 Wochen später...

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