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Ultraleicht Trekking

Scottish National Trail


bri

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9.9.2018, 27 km

Um circa 7 Uhr wache ich auf und mache erst einmal meinen morgendlichen Gang. Das führt zu kalten Füßen, die unbedingt zurück in den warmen Schlafsack wollen. Da ich ihnen noch einiges abverlangen werde, tue ich ihnen den Gefallen. Jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Ich schlummere wieder ein.

Als ich wieder wach werde, regnet es immer noch. In der Hoffnung, dass ich mein Zelt in einer Regenpause einpacken kann, trödele ich etwas rum. Das klappt auch. Allerdings muss mein Frühstück wegen Wassermangel ausfallen. Bei strahlendem Sonnenschein macht ich mich um halb zehn auf den Weg, immer noch am River Tilt entlang. Zunächst lange, lange Zeit auf einer Schotterstraße. Hier kommen mir einige Wanderer, Mountainbiker und vereinzelt Autos entgegen. Irgendwann geht der Schotterweg abrupt in einen Fußpfad über.

Der River Tilt beeindruckt durch den Wechsel von aufgeregten Stromschnellen in felsigem Gebiet und dann wieder leise säuselndes ruhiges Dahinfließen an breiten Passagen. Ich hatte geplant, mir an den Falls of Tarf einen Übernachtungsplatz suchen, aber dort ist es zu windig. Also gehe ich noch etwas weiter. Das Wetter überrascht mich so schnell mit einem heftigen Regenschauer, dass ich mein Cape nicht schnell genug überziehen kann und mich ersatzweise mit meinem Rucksack einfach in einer windgeschützten Nische darunter verkrieche. Für den Rest des Tages wechselt Sonne mit kurzen Regenschauern ab. Dafür werde ich mit drei Regenbögen verwöhnt.

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River Tilt

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Wildnis

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River Tilt

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Regenbogen

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Brücke bei Falls of Tarf

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Brücke bei Falls of Tarf

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Falls of Tarf

Schon um viertel vor fünf baue ich mein Zelt auf, weil ich einen schönen Platz gefunden habe. Auf den nächsten Kilometern werde ich vermutlich keine geeignete Stelle mehr finden. Beim Aufbau ist es zwar windig, aber trocken.

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Mein Zeltplatz

Ich habe keine Lust, mir etwas zu kochen. Ich habe auch keinen großen Hunger. Also wieder etwas Schokolade. Ist das normal? Ich muss mein Essen in den Griff bekommen.

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10.9.2018, 18 km

Morgens wache ich bei Regen und Wind auf. Das weckt in mir nicht wirklich die Lust, aus meinem warmen Schlafsack zu krabbeln. Deshalb trödele ich erst mal rum und komme erst gegen halb elf los. Es ist sehr windig, aber der Regen hat netterweise aufgehört.

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Mein Zelt im Wind

Nach einem Linksknick des Weges ist vom Wind kaum noch etwas zu spüren und sogar die Sonne lässt sich blicken. Die Strecke am Geldie Burn entlang ist toll zu gehen. Ein Trampelpfad schlängelt sich zwischen Heidesträuchern am Berg entlang durch ein enges Tal. Langsam wird das Tal breiter und gibt dem Fluss Platz, in wilden Kurven durch frisches Grün zu mäandern. Ab und zu muss ich kleine Aufgaben bewältigen, wenn Nebenflüsse aus dem Berg direkt über meinen Weg fließen. Meistens finde ich genügend Steine und kann ein Fußbad vermeiden. Meistens …

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Auf schmalem Pfad am Geldie Burn entlang

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Kleine Aufgaben, damit es nicht langweilig wird

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Meist problemlos lösbar

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In der Ferne kann man schon ahnen, dass Tal bald endet

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Das Tal wird breiter und der Weg nasser

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Das Gras wird grüner

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und der Fluss nutzt den Platz, den er bekommen kann.

Am frühen Nachmittag ist die Sonne offensichtlich der Meinung, sie hätte mich jetzt lange genug begleitet und tritt wieder vornehm hinter den Wolken zurück. Mein Weg stimmt nicht mit den geladenen GPS-Daten überein. Der eigentliche Weg führt auf der anderen Seite des Flusses entlang. Es ist mir aber egal, die Richtung stimmt. Das führt allerdings dazu, dass ich den Geldie Burn in der Nähe der Geldie Lodge überqueren muss. Der Fluss ist etwas breiter als die, die bisher meinen Weg kreuzten. Hier muss ich einige Zeit suchen, bis ich mich für eine Möglichkeit entscheide. Ich nehme den langen Weg im Fluss entlang, weil ich hier möglichst lange auf Steinen in relativ flachem Wasser gehen kann. Am Ende muss ich dann doch noch ein Stück mit starker Strömung überwinden. Hochkonzentriert, sehr langsam und mit Hilfe meiner Wanderstöcke komme ich - zwar mit nassen Füßen - aber unfallfrei auf der anderen Seite an und bin ein bisschen stolz, diese hochgefährliche Hürde bewältigt zu haben. Also, äh - hochgefährlich im Verhältnis zu dem, was ich bisher in meinem Leben überwinden musste.

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Gegenüber geht mein Weg weiter

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Diesen "Steinweg" habe ich mir ausgesucht

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Wieder auf meinem Weg

Leider setzen ab jetzt wieder Wind und Regen ein. Schräg von vorne peitscht es unangenehm ins Gesicht, so dass ich nur ab und zu den Kopf hebe und die Landschaft nicht so würdigen kann, wie sie es verdient hat. Langsam folge ich dem Weg bergauf.

An einer Stelle ist der Blick auf die andere Talseite sehr interessant.  Dort kommen der Geldie Burn und der River Feshie parallel den gegenüberliegenden Berg herab. Nahezu auf gleicher Höhe biegt der Geldie Burn nach links und der River Feshie nach rechts ab. Leider lassen das Wetter und meine klammen Finger kein Foto zu.

Schließlich erreiche ich die Eidart Falls. Hier darf ich eine Brücke benutzen, um auf die andere Seite zu kommen. Längeres Stehenbleiben ist leider nicht drin, weil es erstens kalt und zweitens schon spät ist. So mache ich nur zwei Bilder und gehe schnell weiter, weil ich noch die Ruigh-aiteachain bothy erreichen will.

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River Feshie

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Die Brücke über die Eidart Falls

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Die Eidart Falls

Ich eile weiter, aber der Weg zieht sich. Das ist wohl die Strafe für den späten Start heute Morgen. Durch das schlechte Wetter wird es früher dämmrig als erwartet. Ich schaue auf die Füße und gehe zügig voran. Der Pfad führt jetzt durch ein Birkenwäldchen und ist fast zugewachsen, was dazu führt, dass alles, was an mir noch trocken war, jetzt auch vor Nässe trieft. Naja, viel war es ja nicht.

Auf einmal stehe ich vor einer Weggabelung. Ich kann mich nicht erinnern, diese auf der Karte gesehen zu haben. Intuitiv gehe ich nach links, nur um kurze Zeit später in einem steinigen Flussbett zu landen. Das Wasser fließt auf der anderen Seite entlang. Auf den Steinen kann ich keinen Weg erkennen. Auf gut Glück weitergehen? Und wenn es falsch ist? Bevor es ganz dunkel ist, muss ich noch die Bothy erreichen oder einen geeigneten Zeltplatz finden. Und viel Zeit ist nicht mehr. Zumindest nicht genug Zeit, um sich noch mal eben zu verlaufen.

Ich hole das zusammengefaltete Papier mit dem aktuellen Kartenabschnitt aus der Jackentasche, kann es aber nicht auseinanderfalten, weil es völlig durchweicht ist. Also Handy an. Und jetzt mache ich eine neue Erfahrung: Meine Hände sind so nass und aufgeweicht, dass ich mein Handy nicht anbekomme. Es reagiert weder auf Fingerabdruck noch auf das Eintippen des Zahlencodes. Ich versuche, meine Hände trockener zu bekommen, indem ich sie an den am wenigsten feuchten Kleidungsstücken abwische, aber das Handy verweigert die Mitarbeit. Und die Zeit vergeht. Und es wird dunkler. Dann versuche ich, die nötigen Erkenntnisse aus meinem Garmin zu ziehen, auf das ich auch die GPS-Daten geladen hatte. Es verfügt aber nicht über eine Kartenanzeige. Mit den drei Linien, die es mir anzeigt, kann ich gar nichts anfangen. Da es mir zu riskant ist, jetzt noch weiter zu gehen, schaue ich mich nach einem geeigneten Platz für mein Zelt um und finde ihn in der Nähe am Rand eines Waldes. Das weiche Moos sieht sehr einladend aus, jedenfalls, soweit ich es noch erkennen kann.

In dieser Nacht schlafe ich ziemlich gut.

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11.9.2018, 18 km + 9 km getrampt

Als ich morgens aufwache, ist draußen Sturm. Der Wind kommt natürlich genau auf den Waldrand zu, an dem ich liege. Mein Zelt habe ich auch nicht optimal zur Windrichtung aufgestellt. Gestern war von dieser Windstärke ja auch noch nichts zu ahnen. Aber es hilft nichts. Ich musst raus und meine Wasservorräte auffüllen.

Es ist zwar nicht sehr weit zum Fluss, aber mit den Strandschuhen auf dickem Schotter nicht wirklich gut zu gehen. Als ich wieder am Zelt bin, hat der Sturm zwei Heringe rausgezogen, einen Trekkingstock weggedrückt und damit das Zelt halb zusammenfallen lassen. Das lässt sich aber schnell richten.

Während des Frühstücks kommt die Sonne langsam durch. Allerdings leider auf der anderen Seite des Waldes. Das unangenehmste aber ist, dass die Tagesklamotten noch genauso nass vom Regen und Furten sind wie gestern Abend. Tief einatmen, Augen auf und rein.

Dann packe ich schnell zusammen, setze vorsichtig den Rucksack auf, dessen zweiter Schultergurt inzwischen auch etwas eingerissen ist, kämpfe mit dem Wind um den richtigen Sitz meines Regencapes und laufe los. Mein Rucksack macht mir Sorgen. Was mache ich, wenn ein Schultergurt ganz ausreißt?

Der Weg Richtung Bothy geht wieder durch Birkenwäldchen und durch zwei Wasserfälle, die große Aufmerksamkeit erfordern, weil ich genau schauen muss, auf welche Steine ich treten kann. Gut, dass ich das gestern Abend im Dunkeln nicht mehr probiert habe.

Nach ca. einer halben Stunde komme ich zur Bothy. Es ist sehr gemütlich und supergut hergerichtet. Der Fußpfad führt durch herrliche Heidehügel, unter Kiefern hindurch und immer am River Feshie entlang, der momentan über mehr Geröll als Wasser verfügt.

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Blick zurück

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Ein Nebenfluss,

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über den ich rüber darf

Irgendwann endet der Weg auf einer Straße. An dieser Stelle werde ich noch einmal eindringlich vor dem Weg gewarnt, den ich gerade gegangen bin. Das finde ich sehr nett, aber etwas spät.

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Ab jetzt folge ich der Straße durch einen Wald. Einen Linksabzweig vor drei kleinen Seen verpasse ich und laufe geradeaus weiter. Als ich es merke, nehme ich die nächste Abzweigung und komme auf der anderen Seite der Seen heraus. Hier sind Parkplätze, Informationstafeln, mehrere robuste Sitzgelegenheiten und sogar ein Grillplatz. Es sieht alles sehr gepflegt und einladend aus. Ich gehe weiter, bis ich wieder auf meinen eigentlichen Weg komme, muss kurz danach wieder abbiegen und den nächsten Berg erklimmen. Schon unterwegs habe ich immer mal wieder eine wunderschöne Aussicht.

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Ganz oben steht eine Bank, an der ich einfach nicht vorbeikomme. Es ist zu schön, mal nicht auf der Erde, sondern auf einer Bank mit Lehne sitzen zu können. Das Wetter ist freundlich, sogar die Sonne lässt sich ab und zu blicken. Und dann noch ein wunderschöner weiter Blick über die Landschaft.

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 "Meine" Bank

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Ich esse etwas, entspanne mich und kann endlich in Ruhe über mein Rucksackproblem nachdenken. Irgendwie muss ich die Schultergurte wieder fest bekommen. Die Zitterpartie vor und nach jeder Pause macht mich kirre. Ich muss in Kingussie eine Lösung finden. Wenn ich aber bis dorthin weiterlaufe, wird es Abend sein und ich werde nicht mehr viel erreichen. Also entschließe ich mich nach einem Blick auf die Karte, noch bis zur nächsten Straße zu gehen und von dort aus nach Kingussie zu trampen. Dort will ich mir ein Zimmer nehmen, in dem ich meine Sachen lassen kann, und dann versuchen, einen Schuster zu finden, der mir die Gurte wieder annäht. Mit diesem Plan trenne ich mich fröhlich von meinem Aussichtspunkt und laufe durch den Wald Richtung Straße.

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Auf der Straße wandere ich dann in Richtung Kingussie und habe die Ohren nach hinten gestellt, um potentielle Mitfahrgelegenheiten möglichst früh wahrzunehmen. Die Straße ist ziemlich ausgestorben. Irgendwann kommt dann doch das erste Auto und hält auch sofort an. Die nette Dame erklärt sich bereit, mich mitzunehmen. Sie ist offensichtlich auch auf Urlaubsreise und hat die Zeit, unterwegs anzuhalten, damit wir noch einen Blick auf Ruthven Barracks, eine Kaserne aus dem frühen 18. Jahrhundert, werfen können. Ein Stück weiter stehen auf einer Weide direkt an der Straße neben anderen Rindern auch die beeindruckenden Highland Cattles. Die muss ich mir unbedingt ansehen.

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In Kingussie lasse ich mich dann absetzen und gehe hoffnungsvoll in einen Pub. An der Tür steht nicht nur "Hiker welcome", sondern auch der Hinweis, dass sie Zimmer vermieten würden. Leider bauen sie aber gerade um und haben nichts zu vermieten. Die nette Frau schickt mich dann zum Fish and Chips Laden, der hat aber auch nichts. Nach der vierten Absage fängt es auch noch an zu regnen und ich gehe erstmal wieder in den ersten Pub und trinke ein Bier. Mit Übernachtung in einem weichen Bett wird das wohl heute nichts.

Nicht unterkriegen lassen. Es gibt immer eine Lösung. Ich beschließe, mir Zwirn und Nähnadeln zu kaufen, was mir im dritten Laden auch gelingt. Falls mal jemand dasselbe braucht, geht in einen paper shop!

Dann wandere ich weiter auf meiner Route aus Kingussi hinaus. Nach circa 1,5 km finde ich in einem Wald einen Platz für mein Zelt. Es ist etwas eng zwischen den Bäumen, aber es muss gehen. Das Wasser ist wieder mal knapp, durch die Tüdelei in Kingussi habe ich auch vergessen, dort meinen Müll zu entsorgen, also schleppe ich ihn noch etwas weiter mit. Nachdem ich mein Zelt aufgestellt und mich eingerichtet habe, mache ich mich daran, meinen Rucksack zu nähen. Das ist sehr mühsam.

Auf einmal bekomme ich einen solchen Schüttelfrost, dass gar nichts mehr geht. Ich treffe mit der Nadel kaum noch den Rucksack, geschweige denn die Stelle, an der ich reinstechen will. Bevor es zu Selbstverstümmelung kommt, verkrieche ich mich in meinen Schlafsack und zittere mich in den Schlaf. Selbst auf meinen abendlichen Whisky verzichte ich, weil ich Angst habe, ihn zu verschütten.

Nachts um zwölf wache ich auf und kann nicht wieder einschlafen. So viel geht mir im Kopf rum. Weiterlaufen? Abbrechen? Mir wird jetzt immerhin klar, dass ich zu viel zu essen habe. Besser gesagt: Ich esse viel weniger als geplant. Deshalb wird das Rucksackgewicht auch nicht weniger. Warum habe ich in Kingussie nicht einen Teil entsorgt, als ich vor dem riesengroßen leeren Mülleimer stand? Na, weil ich auf Zimmersuche war. O.K. Mädel, lös das Problem. Zurück nach Kingussie? Nee, aber einen Teil auslagern. Der Rucksack muss leichter werden. Irgendwann schlafe ich wieder ein, aber insgesamt ist es eine ziemlich unruhige Nacht.

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12.9.2018, 15 km

Um acht Uhr wache ich auf und bin ziemlich ausgeschlafen. Ich gönne mir zum Frühstück einen Powerriegel, das Müsli krieg ich einfach nicht runter. Blöd. So wird mein Rucksack auch nicht leichter. Apropos Rucksack. Ich suche wieder Nadel und Faden zusammen (immer schön aufpassen, wo man die Nadel hinlegt!) und fange an, die Schultergurte anzunähen. Den Henkel lass ich hängen, auf den bin ich noch sauer. Außerdem müsste ich sonst durch den auch noch mit der Nadel durch. Es ist sehr mühsam, Stich für Stich, aber irgendwann habe ich den Bogen raus und die Gurte sind wieder fest. Ich hoffe, dass es hält.

Dann durchforste ich meine Futtervorräte und entscheide, dass ich den Reis und zwei der drei Päckchen Nussmischung sowieso nicht essen werde. Die stopfe ich in den Packsack meines Zeltes, den ich nur für die Flüge benötige. Der Rest kommt wieder in den Rucksack.

Während ich noch im Zelt beschäftigt bin, sehe ich eine Horde Menschen, große und kleine, die auf dem nahen Weg an mir vorbeiziehen. Sie tragen zusätzlich zu ihren kleinen Rucksäcken Helme, Gurte, lange Seile und andere seltsame Dinge. Hoffentlich gehen die nicht meine Route. Was kommt da auf mich zu? Auf Klettern bin ich nicht vorbereitet.

Durch die morgendliche Handarbeitsstunde komme ich wieder erst um halb elf los. Aber ich habe jetzt ein besseres Gefühl und überlege nicht mehr ständig, wie man einen Rucksack mit nur einem Schultergurt trägt. Meinen Rucksack-Packsack trage ich in einer Hand und kann dadurch nur einen Trekkingstock benutzen. Muss gehen. Ist ja nur bis zum nächsten Mülleimer.

Der Weg zieht sich zunächst den Creag Bheag hinauf, ein Fußpfad mit vielen Steinen, die ich als Stufen benutzen kann. Von oben habe ich mal wieder eine grandiose Aussicht.

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Irgendwann teilt sich der Pfad sich und die Kletterei findet offensichtlich auf der anderen Seite des Berges statt, an einem Weg, der NICHT meiner ist. Puh. Glück gehabt. Auf steinigem Weg geht es dann nach unten, wo der Weg schließlich auf schmalem Pfad durch niedrige Büsche am Loch Gynack entlangführt, bevor er wieder in eine breitere Schotterstraße übergeht. Das Wetter ist sonnig, ein paar Überraschungsgüsse können mir meine gute Laune nicht verderben. Auf dem Weg wachsen immer mal wieder seltsame orange Pilze.

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Auf einmal stehe ich vor einem großen Gatter, an dem ein Schild mit Informationen über das Moor, seine Pflanzen und Tiere angebracht ist. Hinter dem Tor wartet eine große Ebene auf mich, durch die sich der Schotterweg zieht. Es ist zu windig und zu regnerisch zum Fotografieren. Ich wandere durch das Moor bis zur anderen Seite des eingezäunten Gebietes. Vor dem Ausgangstor steht ein schöner hoher Halbkreis aus Steinen, in den eine Sitzbank aus flachen Steinplatten eingearbeitet ist. So einen Pausenplatz kann ich nicht ignorieren. Da hat sich jemand so viel Arbeit gemacht. Der wäre doch traurig, wenn ich achtlos daran vorbeigehen würde. Also breite ich mich und meine Sachen erstmal aus und genieße es wieder, mal nicht auf dem Boden zu sitzen.

Einige Zeit später kommt ein Pärchen durch das nahe Gatter und setzt sich etwas entfernt auf einen Grashügel. Ich mache Platz und lade sie mit Winken auf die Bank ein, die bequemer ist als das Gras. Nein, sie wollten dortbleiben. Na gut. Sie holen dann etwas zu essen aus ihren Rucksäcken und ich staune, wie viele Klappen und Reißverschlüsse so ein Rucksack haben kann.

Als es wieder anfängt zu regnen, ist es mit der Gemütlichkeit vorbei und ich verlasse das eingezäunte Moorgebiet. Der Weg zieht sich über eine offene Fläche bis zu einer Straße.

Etwas später biege ich rechts ab und folge dem Wildcat-Trail, auf dem ich gefühlte 100 Tore durchquere. Am ersten steht die Information, dass es hier Wildschweine gibt und wie man sich verhalten soll. Der Pfad führt am Rand kleiner Waldstücke entlang und ist ganz gut zu gehen. Nach einer Linkskurve geht der Weg wieder in eine Teerstraße über, ich komme an ein paar Häusern vorbei und schließlich am Nordostrand von Newtonmore heraus, ohne Wildkatzen oder Wildschweine gesehen zu haben. Ist vielleicht auch gut so.

Ich folge der Glenbanchor Road. Sie hat einen Namen und ist asphaltiert. Nach einer Weile sehe ich links eine Bank stehen. Mitten auf diesem grasbewachsenen Hügel hätte ich eher ein Schaf erwartet.  Aber es ist eindeutig eine Bank. Und zwar eine mit einer tollen Aussicht. Aber nein. Meine letzte Pause ist noch nicht lange genug her. Ich will ja heute noch etwas Strecke schaffen. Also gehe ich weiter.  100 m weiter steht auf der linken Seite die nächste Bank und ein Stück weiter noch zwei. Da neben der zweiten Bank ein Fluss ist und meine Wasservorräte mal wieder zur Neige gehen, schicke ich meine Selbstdisziplin irgendwo hin, wo sie mich nicht weiter stören kann, lasse mich auf der Bank nieder und genieße den Blick über den Bogen des River Calder und die weite Aussicht übers Land.

Allerdings ist es sehr windig, so dass ich es nicht lange aushalte, schnell noch meine Wasserflaschen auffülle und weitergehe. Zwei Minuten später sitze ich schon wieder auf einer Bank und mache noch zwei Fotos. Dann geht es aber wirklich weiter.

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Auf der Straße kommen immer mal wieder Autos vorbei, obwohl sich die Straße später als Sackgasse herausstellt. Irgendwann werde ich von hinten angehupt. Ich trete einen Schritt ist Gras und gebe die Straße frei. Ein netter älterer Schotte hält neben mir, dreht die Scheibe herunter und entschuldigt sich. Er habe mich nicht erschrecken wollen, aber ich habe sein Auto nicht gehört. Ich habe es wirklich nicht gehört, weil der Wind an meiner Regencape-Kapuze sehr laut ist. Nachdem ich ihn beruhigt habe, dass ich mich nicht erschreckt habe und alles in Ordnung sei, fährt er weiter. Danach gehe ich mit großen Ohren, die immer wieder nach hinten horchen, ob wohl ein Auto kommt.

Nach einiger Zeit höre ich ein Geräusch, drehe mich um, sehe aber kein Auto. Die Straße ist leer. In dem Moment klingt es hinter mir, als würde in einem Abstand von 2 m ein Schnellzug vorbeibrausen. Jetzt erschrecke ich mich wirklich. Im Bruchteil einer Sekunde schießt mir durch den Kopf, dass hier gar keine Schienen sind, das Geräusch aber ganz real ist. Totale Irritation! Und dann schießt in gefühlten 20m Entfernung ein Starfighter über mich hinweg. Na, vielen Dank auch! Euch habe ich ja gar nicht vermisst!

Die Straße zieht sich und endet schließlich mit einem Parkplatz am Allt a'Chaorainn. Der Parkplatz ist relativ voll, es scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. Ein Pfad führt weiter, über eine Brücke, und dann durch einen Wald. So langsam verlieren sich die Spaziergänger mit Kinderwagen und Sandalen und mir kommen nur noch ein paar Wanderer entgegen. Ich nähere mich dem River Calder und gehe eine ganze Zeit durch offenes Gelände an ihm entlang. Ich will heute noch die Bothy Dalnashallag erreichen.

Es ist sehr windig und seit ich den Wald verlassen habe, ließ sich noch kein windschützter Platz für eine Pause finden. Ich habe das Gefühl, dass ich heute noch nichts geschafft habe, dass es noch elend weit bis zur Bothy ist. Außerdem zerrt der Wind an meinen Nerven.

Schließlich finde ich eine Mauer, deren Nutzen ich nicht erkennen kann, die mir aber wenigstens Windschutz bietet. Hier mache ich eine Pause und schaue auf die Karte. Na, da bin heute ja doch ganz gut vorwärtsgekommen. Und die Bothy ist auch nicht weit. Das schaffe ich noch! Wieder versöhnt mit mir und der Welt gehe ich weiter.

Wind, Wind, Wind. Ist ja bald vorbei und dann sitzt Du in einer trockenen, warmen Bothy. Irgendwann kann ich das Gebäude in der Ferne sehen. Vorher muss ich aber noch durch einen Fluss. Als ich an der Stelle ankomme, ist es sehr unübersichtlich. Hier fließen zwei Flüsse in einen dritten, der sich auch noch geteilt hat. Oder sind es die Nebenflüsse, die mehrere Arme haben? Ich möchte nicht verkehrt gehen und heute noch einmal durch Wasser waten müssen (ja, lacht ruhig. Ihr habt ja recht!). Also suche ich die Stelle auf allen Apps, die mir zur Verfügung stehen, bis ich auf einer endlich erkennen kann, wo ich langgehen muss. Aber welcher Fluss ist welcher? Jetzt wird es mir zu dumm und ich suche mir einfach im ersten Fluss eine Stelle, an der ich furten kann. Super. Wieder kurz vorm Tagesabschluss nasse Füße. Aber heute macht das ja nichts. Ich kann ja gleich alles am Feuer trocknen.

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Zum Glück habe ich an der richtigen Stelle gefurtet und finde meinen Pfad wieder. Er ist matschig, schmal und ab und zu schon in den Fluss gefallen, so dass ich Bögen machen muss. Aber ich komme der Bothy näher. Teleskop-Augen melden: Kein Qualm aus dem Schornstein. Bin ich etwa allein dort? Ich freue mich und grinse so vor mich hin. Da ist es! Es wird langsam dämmrig, aber ich bin schon ganz nah dran. Kein Rauch. Klasse. Ersatzweise aber 50m vor der Bothy noch ein Fluss. Ein breiter. Ohne Brücke. Egal. Durch da. Das Wasser reicht mir wieder bis zur Wade. Aber gleich geht's ins Trockene.

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Ich gehe mit triefenden Füßen die letzten Meter zur Bothy hoch. Nass, erschöpft, die Bothy ist mein Schloss, mein Vier-Sterne-Hotel. Ich will die etwas schief in den Angeln hängende Tür öffnen, aber sie klemmt. Dann höre ich Stimmen von innen. Zwei Mädchen haben die Tür von innen verriegelt, weil der Wind sie immer aufstößt. Sie öffnen die Tür und ich trete ein. Ein düsterer Raum, zwei schmale Sofas, die die beiden mit ihren Schlafsäcken belegt haben, dazwischen etwa 30cm Platz. Vorne noch ein Tisch und am Ende der Kamin. Kein Feuer? Im Bothy-Buch hat jemand vermerkt, dass das Haus vollqualmt, der Schornstein wohl nicht in Ordnung sei. Macht nichts. Ich wollte sowieso draußen im Zelt schlafen. Und Wärme wird völlig überbewertet. Also fix wieder nach draußen, das Zelt aufgestellt, bevor der nächste Schauer kommt, Schuhe und Strümpfe klitschnass in die Abseite gestellt und schnell in den Schlafsack gemümmelt. Heute brauche ich gleich meinen Whisky, um warme Füße zu bekommen. Dann verbringe ich eine ziemlich laute Nacht mit Sturm und Schauern.

Bearbeitet von bri
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13.9.2018, 20 km

Etwa um 8 Uhr bin ich bei Sturm und Regen aufgewacht. Das fängt ja gut an! Mein Müll wird mir auch heute wieder an der Hand baumeln. Schuhe und Strümpfe sind so pitschnass wie gestern Abend. Und dann meldet sich mein Handy, dass der Akku fast leer sei. Also Powerbank ran. Auch leer. Bei dem wechselhaften Wetter habe ich mein Regencape immer an und deshalb keine Chance gehabt, die Powerbank mit den Solarzellen zu laden. Gibt es eigentlich nur Probleme oder bin ich zu blöd zum Wandern?

Auf mein warmes Frühstück verzichte ich mal wieder. Zu windig. Zu nass. Und in der Bothy höre ich noch nichts und will die Mädels nicht wecken. Sie sind aber schon auf und gehen kurz vor mir in die Richtung, aus der ich gestern gekommen bin.

Immerhin bin ich schon um 9 Uhr mit allem Getüdel fertig und laufe los. Der Weg ist klar und ich schone meinen Handy-Akku. Nur, dass ich auch mit Fotos sparsam sein muss, tut mir leid. An einer Stelle kann ich mich nicht beherrschen. Diese interessante Brücke muss ich einfach aufnehmen.

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Ich muss unbedingt einen Ort finden, an dem ich meine Akkus aufladen kann und meinen Müll loswerde. Mit diesen Gedanken trabe ich bis Balgowan. Dort sehe ich ein B&B mit Pferdeboxen und auf dem Hof eine Frau, die sich nicht schnell genug vor mir in Sicherheit bringt. Ich frage sie, ob ich Handy und Powerbank aufladen dürfte. Sie habe keine Zimmer frei. Nein, ich will kein Zimmer, nur mein Handy aufladen. Sie müsse gleich los und hätte keinen Raum … Ich mache ihr klar, dass ich nirgends rein wollte, nur laden. Ob sie vielleicht draußen eine Steckdose habe. Ihr Blick geht zum Pferdestall und ich habe gewonnen. Ich darf die Steckdose benutzen. Die Geräte klemme ich etwas hinter die Holzlatten, damit sie vor Regen geschützt sind. Und schon kommt der nächste heftige Schauer. Ich kauere mich mit meinem Rucksack unter mein Cape, mache mich so klein wie möglich und warte den Schauer ab. Vermutlich habe ich ziemliche Ähnlichkeit mit einem quietschblauen Pezziball.

Nachdem der Schauer vorbei ist und ich mich wieder entfaltet habe, bietet mir eine nette Reiterin (die Tochter?) einen Tee oder Kaffee an. Dieser Engel bringt den Tee mit einem Keks-Riegel und erlaubt mir auch, meinen Müll zu entsorgen. Damit kann ich endlich wieder beide Trekkingstöcke benutzen und renne den Rest des Tages mit einem Dauergrinsen rum.

Dann geht es bis abends auf Teerstraßen lang. Dadurch kann ich beim Laufen aber die Landschaft ausgiebig betrachten. Und sie ist es wert. Das Wetter ist auch erträglicher, die Sonne kommt ab und zu raus. Aber der Wind lässt kein Stück nach.

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Den Zeltplatz wähle ich mit Bedacht so, dass ein Wald vor Wind schützt. Ja, Äste wegräumen, ja, schräg liegen, aber kein Wind!

Ich liege auf einem dicken Moospolster in meinem kuscheligen Schlafsack und wundere mich, dass ich auf dieser verlassen wirkenden Straße so viele Autos höre. Naja, wenn es dunkel ist, wird es wohl ruhiger werden.

Und dann höre ich Stimmen. Zuerst denke ich, dass ich gerufen werde, aber es sind zwei Wanderer, die auf der Straße vorbei gehen. Und dann höre ich einen Schuss. Ich krabbele halb aus dem Zelt, soweit das mit Schlafsack geht, mache einen langen Hals und schaue die Straße entlang. Dort stehen die beiden Wanderer und unterhalten sich mit zwei Männern in grüner Kleidung. Hinter ihnen steht ein SUV mit Anhänger, auf dem sie ein seltsames Gefährt mit acht kleinen dicken Reifen transportieren. Die wollen doch wohl hier keine Jagd veranstalten? Ich will nicht alles wieder zusammenpacken und weiterziehen. Und wie weit muss ich dann?

Nachdem die beiden Wanderer weitergehen dürfen, rufe ich zu einem der Männer, ob es O. K. sei, hier zu bleiben. Ja, wäre es. Heute ist eindeutig mein Glückstag!

Bearbeitet von bri
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Ein schöner Bericht mit guten Fotos. Ich überlege nämlich auch, in Schottland zu wandern.

So als Tipp.

Überflüssige Nahrung ist kein Müll und kann man in den Bothys für andere Wanderer zurücklassen. Ich habe mich schon über solche Sachen gefreut, als ich zu wenig dabei hatte.

Bearbeitet von schoguen
Tippfähler
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Moin @schoguen, danke für das Lob.

Du hast natürlich Recht, dass überflüssige Nahrungsmittel kein Müll sind. Ich habe auch lange darüber nachgedacht, was ich damit mache. Den beiden Mädels hatte ich das original verpackte Studentenfutter und das Reisgericht angeboten, aber sie wollten nicht. Dann habe ich duchaus überlegt, die Sachen in der Bothy zu lassen. Nüsse? Mäuse? Wie würde es nach ein paar Tagen aussehen?

Und wenn es keinen Liebhaber findet, führt das dazu, dass die Leute, die sich um die Bothy kümmern, das entsorgen müssen. Und glaube mir, ich habe gutgemeinte Reste in Bothys gesehen, die sahen nicht mehr lecker aus.

Meine Planung war einfach falsch. Das Risiko besteht, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Und dann muss man auch mal mit schlechtem Gewissen Dinge tun, die man sonst nicht macht.

LG
bri

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14.9.2018, 19 km

Nach einer rutschigen Nacht in meinem doch etwas schräg stehenden Zelt, aber ohne schießwütige Störungen, wache ich auf und koche mir endlich mal wieder Müsli und Kaffee. Aber nach dem halben Müsli bin ich satt und bekommen nichts mehr runter. Dafür schmeckt mir der heiße Kaffee umso besser. Ich krame in meiner Vorratstüte und gönne mir dann noch ein Stückchen getrocknetes Steak. Das wenigstens schmeckt mir richtig gut.

Und es ist kein Wind! Ich baue das Zelt ab und starte gegen 10 Uhr die heutige Strecke. Zunächst geht es noch für einige Kilometer weiter auf Asphaltstraße. Es regnet nicht, ab und zu kann ich Sonnenschein genießen. Ich brauche nicht zu sehr auf den Weg zu achten und habe mal wieder Zeit, mir die wunderschöne Landschaft anzusehen, die hinter jeder Kurve anders aussieht. Ich bin entspannt und glücklich.

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Nach circa 4 km kann ich erkennen, dass die Teerstraße in einen Schotterweg übergeht. Juhuu! Kurz davor dann eine Brücke und ein Schild, dass der Weg gesperrt ist. Für Autos und Pferde. Alles gut. Ich mache kurz ein Foto und gehe weiter.

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Ich versuche, einen Bachlauf, der hinter der Brücke die Straße überquert, im Gras zu umgehen, was mir nicht trockenen Fußes gelingt. Kurz danach stehe ich vor einer Straßensperre. Moment! Stand auf dem Schild nicht auch etwas von pedestrians? Ich schaute auf mein Foto, kann den Text nicht genau erkennen und interpretierte ihn so, dass auch der Weg auch für Fußgänger und Biker gesperrt ist. Also zurück. Um den Bachlauf durchs Gras, platsch, über die Brücke, während ich mit den Schotten hadere. Das können die doch nicht machen! Mich 14 km lang auf einer Teerstraße laufen lassen und dann den Weg sperren. Ich gehe nicht zurück! Never ever. Also das Schild noch einmal ganz genau lesen. Falsch gelesen! Fußgänger und Biker können durch. Also zurück, noch mal über die Brücke und der dritte Versuch, den Bachlauf zu umgehen. Platsch. Und dann gehe ich auf dem Schotterweg schnurstracks in die Berge. Zu Beginn sehe ich links noch ein Gehöft.

Der Weg zieht sich langsam, aber stetig den Berg hinauf. Ich genieße das immer noch angenehme Wetter. Mein Cape brauche ich noch nicht. Einziger Meckerpunkt wäre, dass parallel zum Weg, mal links, mal rechts, Überlandleitungen verlaufen. Aber unterirdisch verlegen ist hier wohl keine Option.

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Während einer Pause stelle ich fest, dass ich kurz vor den Serpentinen über den Pass bin. Inzwischen ist es windig geworden und ich ziehe mein Cape als Windschutz an. Vor den Serpentinen habe ich Respekt. Als norddeutsche Flachlandsquaw habe ich das Bergaufgehen nicht mit dem Laufen gelernt. Also eigentlich gar nicht. Ich kann nicht einschätzen, wie viel Kraft mich der Pass kosten würde. Also atme ich noch einmal tief durch und gehe los. Immer einen Fuß vor den anderen, kleine langsame Schritte und immer mal wieder ein Blick zurück in das Tal, aus dem ich gekommen bin.

Zwei Biker kommen mir entgegen, kurz grüßend, ohne den Blick zu heben. Hochkonzentriert die komplette Breite des Weges nutzend, lavieren sie langsam zwischen den Steinen hindurch und über die mit Felssteinen eingefassten Rinnen, die in unregelmäßigen Abständen quer über den Weg verlaufen. Respektvoll staune ich ihnen hinterher. Das wäre ja nichts für mich.

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Hier die felsigen Querrinnen zu erkennen

Langsam wird es nebliger. Die Feuchtigkeit kommt wohl eher von den Wolken als vom Regen. Ich bin froh, mein Cape schon angezogen zu haben.

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Blick zurück

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Da geht's rüber

Und auf einmal bin ich oben. Das ging ja besser als gedacht. Ich gehe noch ein Stück weiter und sehe ein Gebäude, in dessen Windschatten ich Pause mache. Zwei weitere Biker, die ich dort treffe, bestätigen mir, dass der Weg bis Fort Augustus frei ist. Sie sind von dort gekommen.

Ich habe einen wunderschönen Blick in das Tal, aus dem ich gekommen bin. Und auf der anderen Seite in das Tal, in das ich gehen werde. Das wird sich später als Irrtum herausstellen, aber das weiß ich noch nicht. Und der Blick ist einfach traumhaft. Etwa eine halbe Stunde später sind beide Täler verschwunden. Ich stelle hier mal die Bilder untereinander. Die Fotos habe ich jeweils von fast derselben Stelle aus aufgenommen.

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Blick zurück um 14:26 Uhr

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Derselbe Blick zurück um 14:52 Uhr

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Blick vorwärts auf das nächste Tal um 14:26 Uhr

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Derselbe Blick um 14:52 Uhr

Nach der Pause geht es erst einmal vier Kilometer flott bergab und ich kann auch bald wieder etwas weiter sehen.

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Da irgendwo will ich hin

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Jetzt bin ich dem Irgendwo schon ein ganzes Stück näher gekommen

Und langsam rückt die nächste Bothy näher. Vielleicht ist sie leer? Vielleicht kann ich ein warmes Feuer machen? Der Traum schleicht sich wieder an. Ich schaue noch mal auf meine Karte. Kurz vor der Bothy sind zwei Flussquerungen eingezeichnet. Nein! Ich gehe nicht wieder kurz vor der Bothy durchs Wasser und hole mir nasse Füße und Strümpfe! Dann ziehe ich Schuhe und Strümpfe aus und gehe in mein Strandlatschen durch! So!

Weiter zieht sich der Weg bei schönstem Sonnenschein nach unten, über eine Brücke, um einen Hügel, weiter nach unten.

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Bei diesem Wetter muss man einfach glücklich sein

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Immer wieder rauschende Wasserspiele

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Die Sonne malt auf den Bergen

Immer wieder läuft Wasser über die Straße, lässt sich aber auf ein, zwei Steinen bequem überqueren. Na, dieser ist aber jetzt etwas breiter. Und keine nutzbaren Steine in Sicht. Hilft nichts. Ohne nachzudenken krempel ich meine Hose hoch und gehe einfach durch. Wolltest du nicht…? Quatsch! Kein Getüddel so kurz vorm Ziel. Kurz danach eine zweite Furt.

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Durch da!

Der Weg zieht sich die nächsten Hügel hinauf und um ihn herum. Hier müsste ich doch die Bothy sehen. Nichts. Also Karte und Handy raus und nachsehen. Die Bothy liegt circa 2 km hinter mir. Zurück? Noch mal durchs Wasser? Und morgen wieder? Nee! So schön kann die Bothy gar nicht sein. Ich entscheide mich, auch in dieser Nacht im Zelt zu schlafen und beginne, nach einem geeigneten Platz Ausschau zu halten. Kurz danach sehe ich eine vermeintlich ebene Fläche auf einem kleinen Hügel.

Während ich den Platz noch begutachte, hält ein seltsames Gefährt mit acht dicken Reifen und zwei netten Schotten auf dem Weg und es beginnt der übliche Dialog nach dem woher und wohin. Sie bieten mir an, mich zur Bothy zu fahren. Ich gehe aber nicht davon aus, dass sie mich morgen früh auch wieder abholen und an diese Stelle zurückbringen. Und da sind ja immer noch die zwei Furten und das ganze Stück bergauf, das ich gerade hinter mir habe. Nö, ich zelte lieber!

Nicht alles, was sie mir erzählen, verstehe ich, aber immerhin so viel, dass ich in der Nähe der Straße bleiben soll. Habe ich sowieso vor. Später, als ich schon im Zelt liege und die Berge im Sonnenuntergang bestaunte, kommen sie noch einmal vorbei. Ein kurzer Gruß mit der Hand, ein zugerufenes "Good night!". Alles OK.

Der Blick in die Berge ist atemberaubend. Zwischen den Hügeln ziehen die Wolken hindurch, nehmen langsam eine rötliche Färbung an, es regnet mal nicht wie sonst jeden Abend und ich bin genau da, wo ich in diesem Moment sein will.

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Blick aus dem Zelt

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Und dann schließt sich doch wieder eine nächtliche Rutschpartie auf meiner Matte an.

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15.9.2018, 28 km

Nachts hat es geregnet, aber morgens sieht es freundlich aus. Ich beginne langsam den Tag und verlasse gegen 9 Uhr meinen Zeltplatz. Es geht wieder abwärts, es weht kein Wind und ist trocken. Ich komme flott vorwärts.

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Blick auf Loch Ness und Fort Augustus

Ein paar Kilometer vor Fort August sehe ich hinter einer Wegbiegung auf einmal ein quietschrosa Schlösschen auf einem quietschgrünen Rasen. Ich bleibe verblüfft stehen und überlege, was von den Dingen, die ich heute schon gegessen und getrunken habe, schlecht gewesen sein könnte. Nichts! Das rosa Ding steht einfach da.

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Und sie züchten Wild und Highland Rinder.

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Kurz vor Fort Augustus

Kurz nach 11 Uhr bin ich am Ortseingang von Ford Augustus. Im Ort will ich etwas essen, mein Rucksackgewicht reduzieren und einige wenige Vorräte kaufen, die ich dann auch essen mag. Noch vor dem Ortszentrum lädt ein Aussichtsplatz mit Steinbänken und leerem Mülleimer zum Rucksack aufräumen ein. Tschüss Müsli! Mit viel Planung liebevoll abgewogen und eingepackt, aber ich krieg dich nicht runter.

Und vor meinen Füßen liegt er: der Campingplatz von Ford Augustus. Eine riesige, wirklich ebene Fläche für Zelte. Wunderschöner grüner kurzer Rasen. Drumherum Stellflächen für Caravans und kleine Blockhäuser.

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Leider bin ich zur völlig falschen Tageszeit hier. Also gehe ich weiter. Mitten im Ort, an der Brücke sehe ich sie: Die Bothy. Ein Bild von Steak mit Pie schiebt sich vor mein inneres Auge! Jetzt habe ich meine Bothy. Nicht zum Schlafen, aber zum Essen!

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Muss ich erwähnen, dass sie geschlossen ist?

Das Sandwich mit Lachs zwei Häuser weiter ist auch sehr lecker.

Und dann kommt der lange Weg am Kanal entlang. Schotter, fast eben. Flott zu gehen. Auf dem Wasser seltsame Menschen, die mir auf Stehpaddelbrettern entgegenkommen. Die letzten sehe ich noch eineinhalb Stunden später. Die Techniken sind unterschiedlich. Die meisten stehen, manche liegen auf dem Bauch oder knieen und paddeln mit den Händen. Leider mache ich kein Bild von ihnen.

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Hier wird gerade ein Schiff geschleust

Es folgt ein langer Waldweg am Loch Oich entlang, teilweise auf einem alten Bahndamm direkt am See. Kein Wind, kein Regen. Ein schöner Tag. Allerdings tut mir schon seit Ford Augustus mein rechter Fuß weh. Es dauert mehrere Kilometer, bis ich auf die Idee komme, dass ich vermutlich den Schuh zu fest geschnürt habe. Also lockere ich die Schuhbänder, aber der Fuß hat seine Macke weg.

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Grillplatz

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Auf dem alten Bahndamm entlang

Schließlich komme ich an einem kleinen Bahnhof an. Die Länge der Schienen beträgt etwa 200 m. Aber die ganze Anlage, inklusive Bahnhofschild ist sehr liebevoll hergerichtet.

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Das Café lasse ich rechts liegen und gehe weiter zur Laggan Swing Bridge in Invergarry. Direkt hinter der Brücke nutze ich den Rastplatz am Loch Oich für eine Pause und genieße den Blick über den See.

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Der Einstieg in den Weg, der mich auf der anderen Seite des Sees bergauf führen soll, hat sich so gut versteckt, dass nicht einmal meine Apps helfen. Ich stehe laut GPS genau an dem Punkt, an dem der Weg beginnen soll. In der Richtung liegt vor mir ein völlig verwilderter, mit Farn überwucherter Hang. Ich suche etwas hin und her, finde aber keinen Einstieg. OK. Der Weg scheint zugewachsen zu sein. Kein Hindernis für mich. Ich klettere also auf die ersten Felsen und schlage mich dann durch den hüfthohen Farn. Das ist nicht so einfach, weil ich meine Füße nicht sehen kann und der Boden sehr uneben ist. Aber irgendwann muss es ja mal besser werden.

Nach ein paar Minuten habe ich etwas Höhe gewonnen und kann mich umsehen. Da, ca. 100 m vor mir liegt eine zweispurige Schotterpiste, da muss ich hin. Ich stelle fest, dass es am einfachsten ist, wieder zurück zu gehen, dann ein Stück an der Straße entlang und den von dort aus gut sichtbaren Einstieg zu nehmen.

Jetzt geht es auf einem Waldweg wieder stetig bergauf. Durch die Bäume kann ich nicht sehr weit sehen, ab und zu erhasche ich einen Blick auf den Loch Oich. Es fängt leicht an zu nieseln, aber der Wald schützt vor dem Wind und ich komme gut vorwärts. An der höchsten Stelle finde ich eine ebene Fläche mit den Resten eines Lagerfeuers. Von dort habe ich mal wieder etwas Aussicht und mache eine Pause.

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Es wäre ein schöner Platz zum Übernachten, aber ich will heute so viel Strecke wie möglich schaffen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich meinen Tagesschnitt halten kann und möchte mir etwas Puffer erlaufen. Außerdem habe ich heute kaum Höhenmeter gemacht und fühle mich noch fit genug zum Weiterlaufen. Also raffe ich mich auf und wandere den Weg weiter, der sich jetzt bergab schlängelt.

Eigentlich habe ich vor, kurz vorm Waldende einen Platz zu suchen, aber dort ist nichts zu finden. Also weiter. Als der Schotterweg an einer Straße endet, ist auf dieser nach rechts ein Hostel ausgeschildert. Das ist aber leider nicht meine Richtung, deshalb ignoriere ich es. Jaaaa, auf der ersten Tour darf man auch mal dumme Fehler machen.

Ich folge also der Straße und halte Ausschau nach einem ebenen Platz. Keine Rutscherei heute. Nach einiger Zeit sehe ich rechts einen Abzweig. Der sieht nicht unbedingt einladend aus. Es ist ein unbewachsener, von Baumaschinen frei geschobener Weg. In einer Kurve ist eine größere Fläche, die aber immerhin eben aussieht. Ich beschließe, dort zu übernachten, räume ein paar Steine weg und baue mein Zelt auf. Beim Probeliegen bin ich ganz zufrieden, es kommt mir wirklich ziemlich eben vor. Mein Fuß tut immer noch etwas weh und ich schlucke zum ersten Mal auf einer Tour eine Tüte Schmerzmittel.
Nachts fängt es leider heftig an zu regnen und der rotbraune Schmodder spült unter das Zelt. So sind mein Zelt und die Unterlage morgens nicht nur nass, sondern auch ziemlich dreckig!

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16.9.2018, 20 km

Im Matsch baue ich ganz vorsichtig mein Zelt ab, verstaue alles im und am Rucksack und komme gegen halb zehn los. Mein Fuß muckt noch etwas rum, ich will nichts riskieren und nehme noch eine Tüte Iboprofen. Nach einem kurzen Beginn auf einem schönen Waldweg folgt Schotterweg auf Schotterweg.

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Es geht einige Zeit durch Wald oder an gerodeten Katastrophen vorbei. Irgendwann ist ein Gatter quer über den Weg. Daneben ein Schild mit dem Text "The beast is back". Als weitere Erklärung lese ich, dass sich in dem eingezäunten Bereich Highland Rinder befinden, die u. a. auch einen natürlichen Nutzen für das Gebiet haben. Ich gehe durch das Tor und dann weiter auf dem Schotterweg. Einige Zeit später sehe ich sie dann. Eine Herde mitten auf dem Weg. Die beeindruckenden Hörner lassen mich einen Moment zögern. Nach kurzer Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass man sie nicht auf einem Wanderweg frei laufen lassen würde, wenn sie gefährlich wären. Also atme ich einmal tief durch und gehe mitten zwischen ihnen hindurch. Ihr gesamtes Temperament reicht immerhin soweit, dass sie mir mit den Augen folgen und dafür sogar den Kopf etwas bewegen. Ich mache dann noch zwei Bilder, würde an den letzten auch gerne näher herangehen, um ein besseres Foto zu machen, will ihre Gutmütigkeit aber jetzt auch nicht ausnutzen.

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Kurz danach verlasse ich durch ein Tor das eingezäunte Gelände, wandere weiter und habe am höchsten Punkt dieses Abschnitts endlich mal wieder einen schönen Ausblick, diesmal über den Loch Garry.

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Als ich im nächsten Wald eine Pause mache, komme ich mit einem Wanderer ins Gespräch. Der Fast-Kölner kommt aus der Richtung, in die ich gehe, und erzählt mir, dass er nach der heftigen Nacht im Bog umgekehrt ist. Die heftige Nacht kann ich nachvollziehen, ich habe denselben Regen abbekommen. Mit einem skeptischen Blick auf meine Trailrunner meint er noch, er hoffe, dass das Wasser inzwischen soweit abgeflossen ist, dass ich gut durch die matschigen Wege und vor allem durch den Fluss, an dem die Brücke abgebaut sei, komme. Ähem. Ich weiß nicht genau, welche er meint, beschließe aber, Probleme zu lösen, wenn ich sie vor der Nase habe. Dann setzen wir unsere Wege - in entgegengesetzte Richtungen - fort.

Hinter Greenfield biege ich nach links ab und gehe einen ganz frisch geschotterten Weg bergauf. Die Ränder sind vom Wegebau noch völlig kahl. Neben dem Weg blicke ich auf gerodete Flächen. Straßenbau-Feeling. Nicht schön. Idylle geht anders.

Hinter der nächsten Farm macht mir eine ziemlich neue Brücke das Überqueren des Greenfield Burn einfach. Kurze Zeit später kann ich aber nicht genau erkennen, welcher der vielen Trampelpfade meiner ist und muss meine Karte zu Rate ziehen. O.K., da geht's lang. Der schmale Pfad zwischen Gras und Heidebüschen hat in der letzten Nacht offensichtlich auch einige Wassermassen abbekommen. Er arbeitet noch daran, sie wieder loszuwerden. Also stapfe ich durch Matsch und Wasser den nächsten Hügel hinauf. Ich war ja gewarnt, aber so schlimm ist es jetzt auch nicht. Nur etwas anstrengend.

Nach ca. 2 km komme ich an einen Fluss mit einem Wehr. Und davor liegt - eine abgebaute Brücke. Aha. Ich schaue mir den Fluss an und stelle fest: Der ist an dieser Stelle nicht zu überqueren. Oberhalb des Wehrs auch nicht. Also erstmal hinsetzen und nachdenken. Das also meinte der Kölner. Zurück gehe ich nicht! Im Notfall muss ich so lange flussaufwärts wandern, bis ich rüberkomme. Eigentlich muss ich sparsam mit meinem Handy-Akku sein, aber jetzt hole ich es doch raus, um einen Überblick über meine Position und die Umgebung zu bekommen. Und dann stelle ich fest, dass ich gar nicht an dieser Stelle sein soll. Ich habe mich bei den unübersichtlichen Pfaden vertan und bin einem falschen gefolgt. Na super. Aber etwa 100m flussaufwärts gibt es einen Weg, über den ich in einem Bogen genau dahin komme, wo ich heute sowieso landen wollte. Besser als umkehren. Also schlage ich mich durch Heide und Sumpf bis zu dem Weg. Überraschung! Ein zweispuriger Schotterweg, der den Fluss mit einer gut ausgebauten Brücke überquert. Aber da will ich ja gar nicht hin. Ich schlage die andere Richtung ein, laufe meinem ursprünglichen Ziel entgegen und ärgere mich etwas über mich selbst, dass ich durch die Aktion einen Teil meines Zeitpuffers wieder verliere. Den Rest des Tages mache ich nur noch ein Foto.

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Erstens will ich Akku sparen, zum anderen sehe ich nichts, was es in meinen Augen wert ist, fotografiert zu werden. Der Weg zieht sich mühsam und langweilig durch Forstabbaugebiete. Der Ausdruck "vernarbte Hügel" geht mir immer wieder durch den Kopf. Und irgendwann regnet es wieder. Weder Regen noch Weg scheinen ein Ende zu nehmen. Ziemlich fertig erreiche ich irgendwann wieder meine Route, gehe noch circa 2 km an der Straße entlang und baue etwas abseits im Regen mein Zelt auf. Schade, eigentlich wollte ich heute noch etwas weiter gekommen sein. Vor der Reststrecke habe ich etwas Respekt.

Aus einem nahen Bach fülle ich noch meine Wasservorräte auf. Dann krabbele ich in meinen Schlafsack und lobe meine Füße ausgiebig, besonders den rechten, der heute nicht mehr rumgezickt hat.

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17.9.2018, 11 km

In dieser Nacht habe ich tatsächlich einigermaßen eben geschlafen. Am Morgen stehe ich in einer Regenpause auf und packe alles zusammen. Dann gehe ich noch ein Stück an der Straße entlang, bevor rechts der Fußpfad Richtung Cluanie ausgeschildert ist. Ein Schild warnt vor dem Weg und weist darauf hin, dass man die richtige Kleidung tragen soll. Neun Meilen bis Cluanie. Na, die richtige Kleidung habe ich doch an. Und andere habe ich sowieso nicht dabei. Also los. Es geht auf einem schmalen, holprigen Weg immer bergan. Ich muss bei jedem Schritt aufpassen, wohin ich trete. Steinig, schmal, manchmal zwischen Heidebüschen verborgen.

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Blick zurück. Am dunklen Berg kann man die schwarzen Forstwege erkennen, die der Landschaft ein vernarbtes Aussehen geben.

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Mein "Weg"

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Der Ausdruck "Wasserweg" bekommt eine völlig neue Bedeutung

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Regen? Wolken? Egal. Nass ist es.

Und dann fängt es wieder an zu regnen. Und hört nicht wieder auf. Inzwischen kann ich meinen Weg gut erkennen, weil mir das Wasser auf ihm entgegenkommt. Also quäle ich mich weiter bergauf. Da die Füße sowieso schon nass sind, gehe ich einfach im Wasserlauf entlang und versuche schon lange nicht mehr, dem Wasser auszuweichen.

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Die Pausen verbringe ich zusammengekauert unterm Regencape versteckt, eng an meinem Rucksack gekuschelt. Noch ist wenigstens kein Wind. So komme ich endlich nach viel zu langer Zeit über die Kuppe. Von Wolken umgeben, kann ich nur erahnen, dass sich vor mir ein grandioses Tal ausbreitet. Jetzt geht es wieder bergab und ich habe die Hoffnung, dass ich etwas Zeit aufholen kann. Von wegen. Der Weg bergab unterscheidet sich von dem bisherigen lediglich dadurch, dass das Wasser und ich jetzt dieselbe Richtung haben - meistens.

Ich bin viel zu langsam, es regnet immer noch und hier oben ist es auch noch windig. Irgendwann kann ich wenigstens wieder die Umgegend erkennen. Ein langes weites Tal, durch den sich ein Fluss schlängelte.

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Ich ahne noch nicht, dass ich mit diesem Fluss noch meinen Spaß haben werde.

Aus den Bergen rauschen die Wasserfälle herab. Immer wieder muss ich die daraus entstehenden Flüsse queren. Manchmal reichen zwei, drei große Schritte über Steine, manchmal muss ich furten. Das Wasser ist nicht wirklich kalt. Oder meine Füße haben schon jegliches Kälteempfinden ad acta gelegt.

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Es regnet immer noch. Das, was ich sehen kann, lässt mich vermuten, dass ich an einem atemberaubenden Platz bin. Und dann stehe ich auf einmal vor einem dieser Flüsse, die aus den Bergen kommen und sehe auf den ersten Blick keine Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen. Die Strömung ist an der Stelle, an der keine Steine mehr sind, zu stark. Der Pfad verliert sich im Gras, so dass ich ziemlich unsicher bin, wo ich weitergehen soll. Also muss mein Handy mir mal wieder den Weg weisen. Hey! Ich soll gar nicht über diesen Fluss! Ich soll nach rechts abbiegen und den breiten Fluss queren. Na toll! Also stehe ich an der Flussmündung und bin so schlau wie vorher.

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Zurück ist keine Option. Also lösungsorientiert denken. Unterhalb der Mündung fließt mehr Wasser als oberhalb. Kurz vor der Mündung scheint der einfließende Fluss einen Steinwall aufgeschwemmt zu haben. Das sieht flacher aus. Um an die Stelle zu kommen, muss ich aber doch erstmal den Nebenfluss überqueren. Also Augen auf und durch. Da die Hose sowieso schon komplett nass ist, krempele ich sie gar nicht mehr hoch. Mit meinen Stöcken vorsichtig tastend, immer drei von vier Stützen (2 Füße und 2 Stöcke) fest auf dem Grund, schiebe ich mich vorsichtig erst durch den kleinen, dann durch den breiten Fluss. Das Wasser reicht nur bis zu den Knien. Na, geht doch! Jetzt weitergehen, damit das meiste Wasser aus Schuhen, Strümpfen und Hose wieder rausläuft.

Nach der Furt windet sich der Weg auf leichter Höhe parallel zum Fluss, immer noch gemeinsam genutzt von mir und dem Wasser, das mir jetzt zur Abwechslung mal wieder entgegenkommt. Zwischen zwei großen Steinen, die mich etwas vor dem Wind schützen, mache ich noch mal eine Pause. Ein Kontrollblick auf das Handy zeigt mir, dass ich circa 10 m vorher rechts abbiegen sollte, um den nächsten Berg hinauf zu steigen. Also los. Irgendwann muss es ja auch wieder mal abwärts gehen.

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Blick zurück

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Blick vorwärts

Als ich fast oben bin, darf ich noch einen von mir vorher so bewunderten Wasserfall furten.

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Blick zurück ins Tal

Dann zieht sich der Pfad mit etwas auf und ab nahezu auf einer Höhe entlang. Ich bin wieder in den Wolken und es ist sehr windig geworden. Auf meiner Karte finde ich an dieser Stelle den Vermerk "Zeltplatz suchen". Der Weg bis hierher war also eigentlich für gestern geplant. Ich sehe mich um und muss lachen. Kein Stück ebene Fläche, alles voll im Wind und der Boden tendiert von komplett nass zu noch nasser. Na, das wäre ja eine schöne Zeltplatzsucherei geworden.

Also weiter. Dass ich mein Tagesziel heute nicht mehr erreichen würde, ist mir inzwischen klar. Und dass ich deshalb morgen Cluanie Inn als Ausstiegspunkt nehmen muss, ebenso. Laut Karte werden die restlichen geplanten 80 km in etwa das Gelände haben, durch das ich heute gegangen bin. Ich kann die Strecke nur schaffen, wenn ich die verlorene Zeit wieder aufhole. Die Wahrscheinlichkeit, dass das klappt, tendiert nach dem heutigen Tag gegen Null. Außerdem sind die Akkus meines Handys und meiner Powerbank fast leer, so dass ich sie im Cluanie Inn erstmal aufladen müsste, was auch wieder Zeit kostet.

Nachdem ich die Entscheidung für den morgigen Ausstieg gefällt habe, ist der Druck raus, aber das Wetter wird davon auch nicht besser.

Dann endlich sehe ich nach einer Kurve in der Ferne eine steinerne Brücke. Diese Brücke bedeutet mindestens Schotterstraße. Bis dahin ist es noch ein ganzes Stück, aber es geht nur noch bergab.

Etwas weiter rechts kann ich durch Regen und Wolken den Loch Loyne sehen.

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Eine Straße in der Ferne

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Blick auf den Loch Loyne (rechts im Dunst)

Leider werden Wind und Regen immer heftiger und ich bin inzwischen durchnässt, erschöpft und ziemlich demoralisiert. An der Straße angekommen, die sich wirklich als Schotterweg herausstellt, habe ich noch gute 6km bis zum Cluanie Inn vor mir. Die nächste Zeit verbringe ich mit der Überlegung, ob ich wohl im Cluanie Inn ein Zimmer bekommen würde. Ich meine mich aber zu erinnern, dass die Preise dort ziemlich heftig sind, obwohl meine diesbezügliche Schmerzgrenze mit jedem Schritt weiter sinkt. Falls es dort aber kein Zimmer für mich gibt, werde ich vor dem Problem stehen, im Dunkeln einen Platz zum Übernachten suchen zu müssen.

Ich entscheide mich für den Spatz in der Hand und beginne, eine Stelle für mein Zelt zu suchen. Das erweist sich mal wieder als schwierig. Neben der Straße ist circa 1/2 m Randstreifen und dann fängt das Bog an. Gerne hätte ich einen windgeschützten Platz, aber die Stellen im Windschatten von größeren Steinen oder Felsen lassen nässetechnisch nichts Gutes ahnen. Also weiter und weiter und weiter.

Irgendwann kommt eine Brücke, vor der links etwas mehr Platz neben dem Weg ist. Mein Platz! Ich lassen meinen Rucksack vom Rücken rutschen und sage zu ihm: "Tut mir leid, Kumpel. Einer von uns muss jetzt ohne Regencape auskommen. Und ich bin es nicht!". Und dann versuche ich, mein Zelt aufzustellen. Es regnet wie blöd, es stürmt und ich bekomme die Heringe nicht in den Boden, weil die Straße unter dem Gras zu weit in den Randbereich geschottert war. Keine Chance! Also ziehe ich mit dem Zelt auf die rechte Seite hinter der Brücke, wo es ein breiteres, mit Heide bewachsenes Stück gibt, das etwas höher liegt. Dort kann ich endlich mein Zelt aufstellen. Nicht optimal, die Seiten liegen auf den Heidebüschen und in der Mitte ist eine Vertiefung. Egal, ich will nur noch rein. Alles ist nass. Selbst der Rucksack ist inzwischen innen nass. Ich ziehe mich um, gönne mir zum Aufwärmen zwei Whiskies, krabbele in den klammen Schlafsack und will nur noch schlafen.

Und dann geht es richtig los. Bis in den frühen Morgen Sturm und prasselnder Regen. Die Abspannungen an den Seiten des Zeltes muss ich circa alle halbe Stunde nachziehen. Dazu muss ich zum Glück nur rechts und links durch die Türen des Innenzeltes greifen. Ich bekomme keine trockenen Hände, alles ist nass oder klamm. In meiner Zeltbodenvertiefung sammelt sich Wasser, ich werfe ein Tuch dazu, das das Wasser aufsaugen soll. Aber es gibt mehr Wasser als Tuch. Das Fußteil meines Schlafsacks fühlt sich auch inzwischen ziemlich schwer an und ich versuche zu verhindern, dass er beim Umdrehen in die Wasserpfütze hängt. Vermutlich völlig überflüssige Liebesmüh. Circa um 2 Uhr nachts hilft nichts mehr. Das Zelt hat nicht mehr genug Spannung, es schlägt zu weit nach innen und ich kann nicht ausweichen. Ich muss raus und alle Heringe prüfen, beziehungsweise nachsetzen und die Abspannleinen strammziehen. Dabei leere ich gleich noch den kleinen See in meinem Zelt aus. Meinen 650ml-Topf kann ich zweimal komplett füllen.

Danach verstecke ich mich wieder in meinem klammen Schlafsack. Seltsamerweise ist mir nicht kalt, es ist nur unangenehm. Und irgendwann schlafe ich dann wieder ein.

Bearbeitet von bri
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18.9.2018, 7 km

Als ich morgens aufwache, haben Sturm und Regen nachgelassen, aber zwischen den Bergen hängen die Wolken noch immer sehr tief.

Ich wringe die nassen Sachen vom Vortag aus, ziehe sie dann wieder an, packe zusammen und laufe los. Mein Ziel ist der Cluanie Inn. Spannend wird es, von dort wegzukommen. Nach meiner Recherche gibt es dort keine öffentlichen Verkehrsmittel. Aber bis jetzt hat sich noch immer eine Lösung aufgetan.

Irgendwann sehe ich den Loch Cluanie und eine halbe Stunde später auch den Cluanie Inn.

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Loch Cluanie

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Cluanie Inn

Nach lockeren eineinhalb Stunden bergab auf Schotterweg komme ich beim Cluanie Inn an. Schon von weitem kann ich sehen, dass auf der Straße reger Verkehr ist. Vielleicht ist trampen die Lösung. Aber zuerst will ich zum Cluanie Inn, um mir ein schönes Frühstück zu gönnen. Vor der Tür steht unter dem Dachüberstand eine Bank, auf der ich mich erst einmal niederlasse, mein Regencape ausziehe, und versuche, mich etwas zivilisierter herzurichten. Ich bin immer noch froh, dass das Zelt in der Nacht nicht zusammengebrochen ist.

Um Punkt 11 Uhr werden die Türen aufgeschlossen und ich gehe mit einigen anderen, die sich inzwischen vor dem Gasthaus gesammelt haben, hinein und bestelle mir einen heißen Cappuccino und ein leckeres Lachsbrötchen.

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Handy und Powerbank aufladen geht nicht. Mir wird mitgeteilt, dass leider keine Steckdose frei sei. In einem Hotel mit Gasthaus. Mit einem leeren Gastraum auf der anderen Seite des Flurs. Naja. Ich muss es nicht glauben, aber hinnehmen. Aber es hätte mich vor ein großes Problem gestellt, wenn ich nicht schon beschlossen hätte, hier auszusteigen.

Nachdem ich satt bin, überrede ich ein deutsches Ehepaar, mich Richtung Inverness mitzunehmen. Sie wollen noch Sightseeing machen, was für mich auch sehr nett ist, weil ich auf diese Weise Orte noch einmal wiedersehe, an denen ich vorbeigelaufen bin.

In Fort Augustus verabschiede ich mich von Ihnen. Ich will dort auf den Campingplatz. Aber erst mal endlich in die Bothy. Hier darf ich mein Handy aufladen und trinke ein Pint of Tennenth. Das tut gut! Dann gehe ich bei strahlendem Sonnenschein zum Campingplatz, einige mich mit den Kaninchen auf eine gerechte Platzverteilung, baue mein Zelt in strahlendem Sonnenschein auf einer wunderbar ebenen Fläche auf.

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Ohne Rucksack spaziere ich noch einmal den kurzen Weg ins Ortszentrum, kaufe etwas zum Abendbrot ein und verbringe eine wunderbare Nacht, zwar bei Regen, aber ohne Rutscherei!

 

Bearbeitet von bri
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19. - 23.9.2018

Der Rest des Urlaubs hat nichts mehr mit dem Trail zu tun, deshalb nur in aller Kürze: Den nächsten Tag bleibe ich auch noch auf dem Campingplatz, den ich wirklich wärmstens empfehlen kann. Die Leute sind sehr nett und die Sanitäranlagen warm und supersauber. Dann fahre ich mit dem Bus bei strahlendem Sonnenschein nach Inverness und miete mich für die restlichen Tage im Hostel direkt an der Fußgängerzone ein.  Auch sehr zu empfehlen. Den Rest des Tages lasse ich mich durch Inverness trieben, am nächsten Tag besichtige ich die Destillerie Glen Ord (nicht zu empfehlen) und am Samstag die Destillerie Tomatin (sehr zu empfehlen). Am Sonntag bringt mich die Bahn zurück nach Edinburgh (Busfahrt wäre billiger und nicht viel länger gewesen) und von dort geht's mit dem Flieger zurück nach Hamburg.

 

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Fazit des 2. Teils:

Es war eine ereignisreiche, unheimlich emotionale Zeit. Es war mein erster Wanderurlaub komplett allein. Ich habe es so sehr genossen, dass ich manchmal fast ein schlechtes Gewissen hatte.

Man liest oft so Sätze wie "Das Abenteuer beginnt am Ende der Komfortzone".

Während ich diesen Bericht geschrieben habe, ging mir manchmal durch den Kopf, wieso dieser Urlaub für mich so großartig war. Nasse Füße, Pausen zusammengekauert unterm Regencape, keine Dusche, das Wetter zu schlecht, um wenigstens mal in Seen oder Flüssen zu baden, ein Sturm, der einem das nasse Zelt um die Ohren haut: Will ich das wirklich? Ist das Urlaub? Nee, das will ich natürlich nicht. Das habe ich auch nicht so geplant. Aber es hat sich so ergeben und ich bin damit klargekommen. Und das ist ein tolles Gefühl. Der Fokus liegt auf einer neuen Sichtweise auf Dinge, die ich mein Leben lang als selbstverständlich hingenommen habe: Sonne im Gesicht, auf einem Stuhl oder einer Bank sitzen, eine warme Dusche, abends mit trockenen Füßen schlafen gehen, morgens in trockene Strümpfe und Schuhe steigen…  Ach, Ihr kennt das ja. Sucht Euch selbst was aus!

Zusammenfassung meines Schottland-Urlaubs:
-    Erwarte nichts und rechne mit allem.
-    Beschäftige Dich erst mit einem Problem, wenn es genau vor Dir liegt.
-    Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Manchmal ist sie mit nassen Füßen verbunden.

Schottland, wir sind noch nicht fertig miteinander. Ich komme wieder!

Bearbeitet von bri
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Und wieder ein paar Gedanken zu meiner Packliste:

Rucksack Hyberg Attila Cuben
Den hatte ich im Sommer - auch hier im Forum - gebraucht gekauft. Ich mag ihn, er trägt sich für mich gut. Allerdings hätten meiner Meinung nach die Nähte halten müssen. Ich hatte maximal 10 bis 11 kg drin. Es ist sehr unangenehm, wenn man unterwegs nicht sicher sein kann, ob die Schultergurte halten. Ich habe ihn an Hyberg geschickt. Sie haben es in Ordnung gebracht.

Isomatte EXPED Synmat HL M
Noch bevor ich im Sommer wusste, was mit meiner NeoAir Xtherm geschehen würde, ist mir die EXPED hier im Forum zugelaufen. Einfach supergut. Für mich sehr bequem. es macht für mich keinen Unterschied, ob ich auf Querkammern (NeoAir) oder auf Längskammern (EXPED) schlafe. Das Rutschproblem auf unebenen Flächen muss ich noch lösen.

Schlafsack Cumulus 300
Nachdem ich ihn in diesem Urlaub jeden Abend sorgsam aufgeschüttelt habe, sind wir besser miteinander klargekommen. Mit den entsprechenden Schlafklamotten ist er für mich für Schottland ausreichend. Danke für die Schüttelanweisung, @Andreas K..

Trailrunner Salomon XA Enduro Running Unisex Laufschuhe
Die Nachfolger meiner Merrells. Etwas schwerer, aber auch mit dem Gamascheneinsatz. Zuerst kamen sie mir durch die hochgezogenen Plastikstreifen etwas zu steif vor und ich war mir nicht sicher, ob sie richtig für mich sind. Nach dem Einlaufen zuhause habe ich aber beschlossen, sie mitzunehmen. Und ich bin sehr zufrieden mit ihnen. Die Schnürung ist sehr praktisch, wenn man klamme, kalte Finger hat und die Feinmotorik zu wünschen lässt. Sie haben mit meinen Füßen zusammen einen Superjob gemacht.

Wanderhose Myogg
Nach der schmerzhaften Erfahrung im Mai und dem Frust, dass mir meine schöne bequeme Schöffel nicht mehr passt, beschloss ich im Sommer, mir eine Hose zu nähen. Wobei mir mehrere Forumseinträge Mut gemacht haben. Also habe ich bei Extremtextil günstigen Stoff zum Üben bestellt, ein Schnittmuster dazu, das ich nicht verwendet habe, und hatte eine Woche keine Zeit, Unsinn zu machen, weil ich mit Nähen beschäftigt war. Auf alles, was schwierig war, habe ich verzichtet, also kein Knopf, keinen Reißverschluss, einfach oben ein Bündchen mit breitem Gummiband darin. Da der Stoff elastisch ist, war das kein Problem beim Anziehen. Auf das Bein habe ich mir noch eine Tasche für das Handy genäht. Das finde ich beid er Schöffel ziemlich genial. Am Tag, bevor es losging, war ich noch am Überlegen, ob es klug ist, mit der ersten selbstgenähten Hose als einzige loszuziehen. Aber irgendwie gab es keine Alternative. Die Decathlon-Hose wollte ich nicht noch einmal und die Schöffel war immer noch nicht weiter geworden. Und was soll ich sagen? Ich habe mich mehrmals am Tag über diese bequeme Hose gefreut. Jedes Mal, wenn ich sie hoch- oder runterziehen musste, war ich froh, mich nicht mit Knopf und Reißverschluss rumplagen zu müssen. Wie gesagt: Kalte, klamme Hände und die Feinmotorik … Der Stoff trocknet schnell, so dass ich teilweise die Hose beim Furten gar nicht hochgekrempelt habe. Lediglich die Handytasche hat nicht so funktioniert wie geplant. Der Stoff ist so leicht, dass das Handy mit der Zeit die Hose runterzieht. Aber für klein zusammengefaltete Kartenabschnitte und das Tempotaschentuch funktioniert die Tasche gut - solange es nicht regnet. Über kleine und große handwerkliche Mängel habe ich großzügig hinweggesehen, die Funktion wurde nicht beeinträchtigt.

Nylonstrumpfhose
Bei starkem Gegenwind war der Stoff meiner Wanderhose manchmal zu dünn, so dass es unangenehm kalt am Unterleib war. An diesen Tagen habe ich einfach die Nylonstrumpfhose untergezogen. Trägt nicht auf, hat kaum Gewicht, trocknet schnell und wärmt erstaunlicherweise ausreichend. Hat sich einen Stammplatz in meiner Packliste verdient.

Merino-Shirts
Das kurzärmlige T-Shirt hatte ich tagsüber an, nachts durfte es mit in den Schlafsack, weil es meist nur leicht feucht war. War sehr angenehm zu tragen, aber am Ende des Urlaubs von den Schultergurten nahezu zerfetzt und ist jetzt im T-Shirt-Himmel. Ein langärmliges mit Rollkragen von Odlo hatte ich nachts an. Das war schön warm, besonders der lange Rollkragen hat mir gut gefallen. Hat leider auch schon Löcher, ich werde es aber zum Schlafen noch weiter benutzen.

Regencape (3F UL GEAR)
Tja. Ist ein Cape für Schottland geeignet? Ja und nein. Es weht natürlich und kostet dadurch sicherlich zusätzlich Kraft. Vorne hatte ich die Seiten zusammengeschlagen und die Ringe und Haken, die an den Seiten sind, miteinander verbunden. Dadurch wehte es vorne nicht hoch und ich konnte sehen, wohin ich trat. Praktisch finde ich auch, dass es über den Rucksack geht und kein Wasser am Rücken herunterläuft. Allerdings kann man, wenn man z. B. das Zelt aufbaut, nur entweder sich selbst oder den Rucksack schützen. Leichter als Regenhose und Regenjacke ist es auch. Also, eigentlich nicht schlecht, aber man muss einige Nachteile in Kauf nehmen. Ich denke seit dem Urlaub über die eierlegende Wollmilchsau nach, bin aber noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen.

Buff
Ja, immer wieder. Den habe ich tagsüber immer getragen. Wenn es sehr windig war, doppelt gelegt. Er sitzt schön eng und verrutscht nicht.

Küche
Der Kocher Stormin Stove mit Cone und dem Toaks Topf sind einfach zu handhaben. Allerdings habe ich festgestellt, dass ich kaum koche und viel weniger esse, als vermutet. Dadurch habe ich natürlich viel zu viel Essen und Spiritus zu lange mitgeschleppt. Die beiden werden auch weiterhin meine mobile Küche bleiben, aber ich werde vor Touren überlegen, ob ich sie mitnehme.

Wasseraufbereiter Katadyn BeeFree
Damit komme ich gut klar. Besonders gefällt mir daran, dass ich nach dem Wasserschöpfen sofort trinken kann. Ich kann ihn auch in leerem Zustand unter meinen Hüftgurt klemmen und unterwegs schnell aus einem Bach trinken. Meine Trinkflaschen bekomme ich zwar aus den Seitenfächern des Rucksacks heraus, aber nicht wieder hinein, ohne den Rucksack abzunehmen.

Feuerzeug
In diesem Jahr habe ich ein Feuerzeug mit Jetflamme benutzt. Etwas schwerer als die Bics, aber sehr praktisch, wenn man es beim Anzünden nach unten halten muss, z. B. um den Kocher anzuzünden, und natürlich bei Wind.

Rettungsfolie
Habe ich in der Sturmnacht über mich gelegt, um etwas mehr Schutz gegen Nässe und Wind zu haben. Würde ich auch immer wieder mitnehmen.

Powerbank und Solarpanel
Ist sicher eine gute Idee, wenn man nicht mehrere Tage im Regencape rumläuft. Hier muss ich für die nächste Tour nochmal intensiv nachdenken. Eine Lösung zum Aufladen brauche ich auf jeden Fall.

GARMIN InReach SE+ 2017
Wenn man auf Strecken unterwegs ist, auf denen man mehrere Tage keinen Menschen sieht, gibt es Sicherheit für den Notfall. Zuhause hat man dann auch präzise Angaben über die Stellen, von denen man OK-Messages abgesetzt hat, bei mir waren das de Übernachtungsplätze. Leider kann ich keine Mehrfachfunktion feststellen, z. B. für die Navigation. Haben wir das falsche Gerät gekauft?

Kopfnetz und Hut
Habe ich nicht einmal benötigt. Lag sicher an der Jahreszeit und am Wetter. Würde ich mir auch beim nächsten Mal genau überlegen, ob ich es mitnehme.

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Planung Teil 3

Den dritten Abschnitt will ich im kommenden Mai ablaufen. Diesmal ist es spannend, die Anreise zum Startpunkt Cluanie Inn zu planen.

Oops, es gibt einen Bus, der vor dem Cluanie Inn hält? Wenn ich das im September gewusst hätte, hätte ich mir beim Ausstieg einige Sorgen weniger machen können.

Ich kann also ziemlich zügig vom Flughafen bis zum Cluanie Inn kommen.  Das Buchen der Strecke von zuhause aus verpaddel ich allerdings um einen Tag, so dass der Bus auf einer Teilstrecke schon ausgebucht ist. Ich finde aber noch Einzelstrecken, über die ich irgendwann im geplanten Bus zum Cluanie Inn landen kann. Das bedeutet jedoch mehr Umstiege und damit mehr Zeit. Also will ich so schnell wie möglich aus dem Flughafen raus und investiere noch in eine Platzreservierung. Letzte Reihe am Gang mit vorheriger Überprüfung des Flugzeugtyps auf Hintertür.

Allerdings habe ich während auf der Tour nirgends lange genug Aufenthalt, um zu irgendeiner Post zu gehen und vorausgeschickte Heringe abzuholen. Im Cluanie Inn anrufen und fragen, ob ich ein Päckchen dorthin schicken kann? Ach, die waren schon mit einer freien Steckdose überfordert. Trotzdem will ich meinen Rucksack wieder als Handgepäck durchbekommen. Also poker ich, packe meine Heringe in den Rucksack, nehme aber zur Sicherheit noch welche aus Plastik mit. Und das Messer? Naja, dann ist es eben weg. Ein Messer werde ich wohl in Schottland kaufen können.

Die Essensplanung reduziere ich massiv und nehme lediglich die von mir geliebten Powerriegel mit. Schokolade, Kekse, Käse, Wurst, etc. will ich mir auf der Tour nach Bedarf und Appetit kaufen.

Meine Kilometerliste erstelle ich auch wieder, um nachsehen zu können, wann und wo ich Geschäfte zum Einkaufen habe.

Die ausgedruckten Karten der Strecke reduziere ich darauf, dass ich nur noch die Abzweige abbilde. So passen acht Abzweige auf ein Blatt, was die Menge des Papiers wesentlich verringert.

Und dann sind der Rucksack gepackt, das Auto vollgetankt und der Wecker gestellt.

Auf geht's.

Bearbeitet von bri
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Scottish National Trail Part III

04.05.2019, 13 km

Genau wie im September: Aufgeregtes Nicht-Einschlafen mit steigender Angst vorm Verschlafen, wie immer trotzdem rechtzeitig wach, Frühstück, nach Norderstedt zum gebuchten Park & Fly fahren, die mich zum Flughafen bringen und ab geht die Post. Der einzige Unterschied zum letzten Mal ist ein unfreundlicher Blitzer, in dessen Folge ich nach meinem Urlaub die Gemeinde Norderstedt mit 20 € subventionieren werde.

Die Alu-Heringe gehen kommentarlos durch, nur mein schönes Jet-Feuerzeug wird mir abgenommen. Beim letzten Mal war es im Rucksack nicht aufgefallen, diesmal hatte ich es in der Hosentasche. Jedenfalls bis zur Security-Kontrolle in Hamburg.

Die Planung mit der Platzreservierung klappt wie am Schnürchen. Nach der Landung stehe ich als erste auf, nehme meinen Rucksack aus dem Gepäckfach und mache den anderen Platz, indem ich mich schon mal in den schmalen Gang zum hinteren Ausgang stelle. Den beiden Jungs, die neben mir saßen und deren Gespräch über die geplante Tour auf Skye ich unweigerlich mitbekommen hatte, wünsche ich eine schöne Wanderung, woraufhin prompt die Frage kommt, was ich denn vorhätte.

"14 Tage Highlands."
Mit skeptischem Blick und Fingerzeig auf meinen Rucksack fragt der eine: "Aber das ist nicht das ganze Gepäck?"
"Doch."
"Respekt! Soweit bin ich noch nicht."
"Kommt noch."

Dann wird die Tür geöffnet und ich steige als erste aus, gehe als erste durch die Security, am Gepäckband vorbei, bin als erste am Geldautomaten und aus dem Flughafen raus. Boah ey. Was für ein Urlaubsanfang. Ich suche den Bus nach Glasgow, kaufe eine Fahrkarte und habe sogar noch Zeit, vor der Abfahrt mit dem Busfahrer eine zu rauchen.

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In Glasgow kaufe ich eine Fahrkarte zum Cluanie Inn, nachdem ich die Dame hinter dem Schalter davon überzeugt habe, dass in dem gewünschten Bus ab Target wieder Platz für mich ist und dass ich bis dorthin einen anderen Bus nehmen kann. In Target habe ich etwas Zeit, gönne mir einen Kaffee, den ich mit Blick auf den Loch Lomond genieße und suche dann die Bushaltestelle. Es ist kühl und windig und die Haltestelle bietet nur wenig Schutz.

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Target, Loch Lomond

Endlich kommt der Bus und hat wie geplant Platz für mich. Bei einem längeren Stopp an einem Supermarkt kaufe ich mir zwei Sandwiches und eine Packung Kekse. Soll ich auch gleich Käse und Wurst und Brot…? Nee, das ist jetzt unpraktisch. Mein Rucksack ist unten im Bus und ich habe nur einen kleinen Beutel mit. Einkaufen werde ich in dem kleinen Laden beim Cluanie Inn. Dann kann ich das auch gleich alles richtig im Rucksack verpacken.

Weiter geht's mit dem Bus. Schlaf- und Guckbedürfnis fechten einen harten Kampf in mir. Mal gewinnt das eine, mal das andere. Dann hält der Bus an und der Busfahrer sagt etwas zu mir. Ich schaue ihn fragend an und er wiederholt: "Cluanie Inn". Kurz vor halb vier. Perfekt. Ich steige aus, gehe um die nächste Kurve und erstarre. Vor mir - eine Baustelle. Das Hotel wird offensichtlich komplett renoviert (hoffentlich bauen sie genügend Steckdosen ein) und der kleine Laden auch. Keine Wurst, kein Käse, nur Zement und Dreck. Auf einem Schild steht etwas von Wiedereröffnung im Frühjahr 2019. OK. Mai ist wohl noch nicht Frühjahr.

Ich schaue noch etwas auf die Berge, aus denen ich auf der letzten Tour gekommen bin und mache mich dann auf den Weg zum Einstieg in meine diesjährige Wanderung.

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Mein Einstieg

Um vier Uhr starte ich Richtung Morvich. Es geht leicht bergauf, der Weg wird schmaler und graugrüne Hügel prägen die Umgebung. Ja, genau das wollte ich sehen. Es ist kalt, aber weitgehend trocken, nur ab und zu ein Regen- oder Hagelschauer. Allerdings macht sich so langsam der lange Tag bemerkbar und ich bin mir nicht sicher, ob ich heute wie geplant bis zur Bothy komme. Egal, dann suche ich mir eben vorher einen Platz. Andrerseits - schon am ersten Tag das gesteckte Ziel nicht zu erreichen … Hmmm. Ich hadere mit mir.

Und dann sehe ich auf einmal am gegenüberliegenden Hang ein rotes Dach. Klasse. Da ist es. Das schaffe ich noch. Der Weg macht einen Rechtsschwenk, führt über eine Brücke, um dann wieder nach links zur Bothy abzubiegen. Muss ich diese Kurve gehen? Das müsste ich doch abkürzen können. OK, davor ist ein Fluss, aber er ist ja nicht der erste, den ich in Schottland auch ohne Brücke überwunden habe. Alle Wasserläufe sahen bis jetzt nach Niedrigwasser aus. Also probiere ich es und gehe direkt auf die Bothy zu. Ja, der Fluss ist furtbar, aber am Ufer läuft ein ca. 1,80 m hoher Wildzaun entlang, der an der unteren Kante im Gras eingewachsen ist. Ich laufe durch unwegsames Gelände am Zaun entlang Richtung Brücke und finden keine Möglichkeit, den Zaun zu überwinden. An der Stelle, an der der Zaun den Weg kreuzt, ist ein Tor. Die Strecke hätte ich einfacher haben können, wenn ich auf dem Weg geblieben wäre. Hinter dem Tor kann ich mit hochgekrempelten Hosen den Fluss furten. Nasse Füße? Egal. Ich bin ja gleich an der Bothy. Zunächst kommt aber noch einmal unwegsames Gelände, weil der Weg am Fluss endete. Ich überwinde tiefe trockene Wasserläufe, in die ich regelrecht hinein- und hinausklettern muss. Und die Bothy kann ich auch nicht mehr sehen. Mit Hilfe des Handy-Navis finde ich die richtige Richtung, bis ich wieder auf einem schmalen Schotterweg bin. Die Bothy versteckt sich immer noch vor mir. Aber dann sehe ich das rote Dach wieder. Leider ist das gar nicht die Bothy, sondern gut gepflegter Schuppen mit neuem Dach. Puh, wozu ein Zaun doch manchmal gut ist. Jetzt noch zweieinhalb Kilometer auf dem Pfad entlang. Ich setzte meine Füße nur noch mechanisch voreinander, konzentriere mich darauf, nicht über Unebenheiten zu stolpern und erreiche endlich kurz vor neun die Bothy.

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Drei Wanderer haben sich schon ausgebreitet. Ich habe nasse Füße, mir ist kalt und ich bin ziemlich erschöpft. Seit 20 Stunden bin ich jetzt unterwegs. Die Bothy ist düster und kalt. Die Herren haben kein Feuer angemacht. Ich unterhalte mich noch etwas mit ihnen und beschließe dann, im Zelt zu übernachten. Gegenüber finde ich einen Platz, baue das Zelt nicht sehr perfekt auf, was auch dem heftigen Wind geschuldet ist, der durch das Tal fährt. Bevor ich einschlafe, sehe ich noch eine Herde Wild in unmittelbarer Nähe vorbeiziehen. Die erste Nacht dieses Urlaubs ist rutschig und saukalt. Trotzdem schlafe ich bis 8 Uhr.

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05.05.2019, 16 km

Gegen 10 Uhr habe ich alles gepackt, mache ein Tages-Start-Foto und ziehe mit einem Sandwich im Magen los.

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OT: Zu diesem Zeitpunkt, an dem ich diese Erinnerungen aufschreibe und die Strecken mit ihren Höhenmetern ermittele, sind mir meine Aufzeichnungen etwas peinlich. Trotzdem werde ich so berichten, wie ich es damals empfunden habe.

Das Wetter ist bedeckt, aber weitgehend trocken. Es geht auf einem Fußpfad bergauf und bergab. Die Bergauf-Strecken sind für mich sehr anstrengend. Flachlandheidjer ohne regelmäßigen Sport - das rächt sich jetzt. Schon mittags habe ich den Eindruck, dass ich mein geplantes Tagespensum nicht schaffen werde. Der Weg ist mühsam und ich komme nur langsam voran. Aber die Landschaft ist so schön. Ich genieße sie und die Einsamkeit, wenn ich nicht gerade mit mir und meiner Geschwindigkeit hadere.

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Blick zurück

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Blick vorwärts

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Schließlich geht der Weg in eine Schotterpiste über, auf der ich gut Zeit aufholen kann.

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Dort zwischen den Bergen bin ich herausgekommen

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Nach einem Stück Teerstraße biege ich rechts auf den Fußpfad Richtung Falls of Glomach ab. Der Weg führt bald durch einen schönen Wald, in dem ich neben einem Glockenblumenfeld einen Bach überquere. Der Platz ist so idyllisch, dass ich beschließe, hier eine Pause zu machen.

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Mein Pausenplatz

Ich schaue nochmal auf die Karte und hege die Hoffnung, dass ich mein Tagesziel doch noch erreichen kann. Weiter geht es auf dem Pfad bergauf. Gegen halb sechs komme ich an einem geeigneten Übernachtungsplatz mit einer wunderschönen Aussicht vorbei. Laut Karte kann ich so einen ebenen Platz bis zu den Falls nicht mehr erwarten. Weitergehen oder dieses Geschenk annehmen? Fragen über Fragen. Auf der Strecke sind viele Wanderer unterwegs, die um diese Tageszeit bereits auf dem Rückweg von den Falls of Glomach sind. Von diesen bekomme ich die Information, dass es bei den Falls sehr windig und sehr kalt sei. Einer spricht von Schnee. Da die letzte Nacht schon sehr kalt war, beschließe ich, mir die letzten vier Kilometer für morgen aufzuheben und mein Zelt genau jetzt und genau hier aufzustellen.

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Nachdem ich mich häuslich eingerichtet habe, lege ich mich lang, um meinen Rücken zu entspannen und decke mich meinen Schlafsack locker über meine kalten Füße. Heute bin ich von Kopf bis Fuß trocken geblieben, aber kalt ist es trotzdem. Gegen 6 Uhr abends wache ich dann auf, weil ich am Oberkörper friere. Also pelle ich mich endlich aus meinen Tagesklamotten, ziehe meine warmen Merino-Nacht-Pullis an und bekomme prompt Schüttelfrost. Ich krabbel ganz tief in meinen Schlafsack, schaffe es nicht mehr, etwas zu essen, meine Hose zu wechseln oder Zähne zu putzen. Nicht mal meinen Gute-Nacht-Whisky habe ich getrunken.

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06.05.2019, 16,5 km

Um 6 Uhr bin ich hellwach. Kein Wunder nach 12 Stunden komatösem Schlaf. Beim Blick aus dem Zelt werde ich von einem freundlichen Himmel, schneebedeckten Bergspitzen und aus dem Wald aufsteigendem Nebel begrüßt. Was für ein Ausblick!

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Eine halbe Stunde später krabbelt die Sonne über die Berge und vergoldet die gegenüberliegenden Hügelkuppen.

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Nach der morgendlichen Routine bin ich gegen 8 Uhr startklar. Und es geht bergauf. Und bergauf. An den Hängen sehe ich Herden von Wild entlangziehen. Und immer wieder genieße ich den Blick zurück auf die weitgehend sonnenbeschienene Landschaft.

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Blick zurück

Hatte ich schon erwähnt, dass es bergauf geht? Um kurz nach zehn bin ich offensichtlich am Ende des Tals, der Weg hält sich jetzt mehr auf einer Ebene. Und vor mir sehe ich imposante weiße Hügelspitzen. Und dann entdecke ich das Schild, das auf die Falls of Glomach hinweist.

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Ja, hier sind auch gute, ebene Übernachtungsstellen. Aber es ist wirklich sehr windig. Die Falls sind sehr beeindruckend, weil man zunächst den so schön harmlos aussehenden Zulauf und später den idyllisch sich windenden Ablauf sehen kann. Und dazwischen tobt das Wasser.

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Ich laufe etwas herum, mache eine Pause und suche dann den Einstieg in den weiteren Weg. Das ist nicht so einfach, weil es viele Trampelpfade gibt und der richtige nicht offensichtlich zu erkennen ist.

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Blick zurück auf die Falls of Glomach

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Tief eingeschnitten der Ablauf

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Noch einmal ein Blick zurück

Der Weg, für den ich mich schließlich entscheide, führt am Berghang entlang und teilweise über nackten Fels, bei dem Klettern angesagt ist. Hatte ich Abenteuer bestellt? Vermutlich. Zumindest wird geliefert.

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Das Tal wird langsam weiter und der Weg schlängelt sich abwärts. An einer besonders schönen Stelle mache ich Pause, liege windgeschützt in der Sonne und würde am liebsten hierbleiben. Schweren Herzens raffe ich mich aber doch wieder auf und gehe weiter. Schließlich warten heute noch ein paar Bergauf-Strecken auf mich. Irgendwann überquere ich den River Elchaig, laufe am Loch na Leitreach entlang und habe noch einmal einen wunderschönen Blick auf das Tal, aus dem ich gekommen bin.

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Hinter diesen Bergen liegen die Falls of Glomach. Dort komme ich her.

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Entspannt am Loch na Leitreach entlang

Am Ende des Sees wandern in aller Ruhe zwei Rehe / Dammwildkühe (?) über eine Weide.

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Ein Schotterweg, der mit der Zeit schmaler und ruppiger wird, führt mich an einem Flüsschen zwischen dem Faochaig und dem Aonach Buidhe hindurch, an der höchsten Stelle begrüßt mich ein Steinhaufen. Ich lege einen Stein dazu und weiß, dass es jetzt wieder abwärts geht.

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Ein Stück vor der Bothy Maol Bhuide suche ich mir ein schönes Fleckchen mit fließend Wasser und baue mein Zelt auf. Heute absolviere ich mein Abendprogramm in aller Ruhe. Nach ein paar Hagelschauern im Laufe des Tages scheint jetzt wieder die Sonne. Ich habe heute mit zwei Menschen gesprochen und drei von weitem gesehen. Das Leben ist schön!

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07.05.2019, 20,4 km

Bei strahlendem Sonnenschein wache ich auf. Die Nacht war frostig und ich bin mehrmals aufgewacht, weil mir kalt war. Ich wische das Eis von den Innenseiten meines Zeltes, vernichte ein kleines Frühstück und packe in Ruhe meine Sachen.

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Um 20 nach 8 trabe ich glücklich bei strahlendem Sonnenschein los. Der Weg geht ganz leicht abwärts, verliert sich dann in der Nähe der Bothy und ich stapfe durch Ried und hohes Gras, bis ich am River Ling ankomme und diesen überquere.

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Dieser Weg löst sich bald auf. Links vom See geht's querfeldein. Vor dem Loch Cruoshie ist die Bothy Maol Bhuide zu erkennen.

Dann geht es offroad über die Flanke des Bein Dronaig. Bergauf und immer wieder mit dem Navi die Richtung korrigieren. Der Blick auf den Loch Cruoshie begleitet mich.

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Ich brauche sehr viel Zeit, weil mir in hohem wilden Gras ein ständiges auf und ab abverlangt wird. Und dann liegen auch noch diese tief in den Boden geschnittenen Wasserläufe (?) im Weg, bei denen jeder Schritt gut überlegt werden muss und man heftige Schlangenlinien läuft.

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Gegen 11 Uhr habe ich es geschafft und treffe auf den angepeilten Zickzack-Weg, der mich abwärts Richtung Loch Calavie führt. In der Ferne sehe ich die Seenkette mit dem Lochan Gobhlach, Loch an Tachdaidh und An Gead Loch.

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Am Loch Calavie angekommen geht's zunächst über eine Brücke, um den Allt Loch Calavie zu überqueren. Man hat den Eindruck, als ob man eine Insel betritt. Der Weg führt direkt Ufer des Loch Calavie entlang. An dem kleinen Strand denke ich trotz des Sonnenscheins nur einen winzigen Moment über ein Bad nach, setze dann aber zügig meinen Weg fort.

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Am See entlang muss ich nahezu keine Höhenmeter überwinden und genieße den Ausblick, der jedem Werbekatalog für Schottland zur Ehre gereicht hätte.

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Nachdem ich das Ende des Sees erreicht habe, geht es mit einem moderaten Anstieg zwischen dem Beinn Drinaig und dem Sail Riabach hindurch, bevor ich in einiger Entfernung links die Bendronaig Lodge Bothy entdecke. Bei dieser Bothy wollte ich eigentlich schon gestern angekommen sein. Da es Mittagszeit ist - zu spät für gestern, zu früh für heute -, lasse ich sie links liegen, biege an der Brücke nach rechts ab und wandere langsam bergauf am Loch an Laoigh vorbei und dann in einiger Entfernung am Abhainn Bhearnas entlang. Der Schotterweg ist inzwischen wieder in einen schmalen Fußpfad übergegangen und ich habe einen schönen Blick über das Tal.

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In meinem Kopf fängt es wieder an zu rechnen. Vor diesen fünf Kilometern Aufstieg hatte ich Respekt, aber es geht besser als erwartet. Vielleicht schaffe ich es ja heute trotz meines Rückstands zum Plan noch bis Graig's Hostel. Ich träume und rechne so vor mich hin, als ich auf einmal aus nächster Nähe von hinten angesprochen werde. Zu Tode erschreckt springe ich vom Weg. Müssen Wanderer eigentlich vor dem Überholen klingeln? Ich weiß es nicht, ich überhole ja nie jemanden. Nach einem kurzen, netten Gespräch rennt der junge Mann mit seinem leuchtend grünen Osprey-Regenüberzug voraus. Ich sehe ihn noch mehrmals in der Ferne vor mir auftauchen und wieder hinter der nächsten Kurve verschwinden.

Irgendwann ist der Weg zu Ende und vor mir liegen ein paar Kilometer Offroad-Strecke durch hohes Gras und über mehrere kleine Hügel. Auf der Suche nach dem einfachsten Weg verliere ich immer mehr meine Richtung, was dazu führt, dass ich mehr Hügel überwinden muss als eigentlich nötig. Dadurch verliere ich natürlich wieder unendlich Zeit und langsam auch die Motivation. Ich werde nie aus diesen Hügeln herauskommen! Hinter jedem taucht ein neuer auf.

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Blick zurück

Und dann bricht auch noch ein Schneeschauer über mich herein. Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch nicht begriffen, dass Hagel- und Schneeschauer auf meiner Strecke meistens am höchsten Punkt auftreten und dass ich daraus schließen kann, dass es demnächst wieder bergab gehen wird.  Und endlich finde ich wieder einen Pfad. Aber schneller bin ich dadurch auch nicht. Der Pfad ist steinig, nass und glitschig, so dass ich auf jeden Schritt achten muss. Inzwischen bin ich zehn Stunden unterwegs, es wird langsam Abend und ich will nur noch so weit wie möglich nach unten kommen, um dem eisigen Wind zu entgehen. Wie war das mit Graig's Hostel? Vergiss es!

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Nach einem ziemlich steilen Abstieg, aber immerhin auf einem Schotterweg, komme ich am Allt a´ Chaonais an und kann in der Ferne eine Straße erkennen. Klasse! Geschafft! Der Fluss hat auf der anderen Seite wunderschöne flache Grasflächen, die zum Übernachten einladen. Leider steht dort schon ein Hilleberg, dass am unteren Rand rundum mit Steinen beschwert ist. Oje, muss ich mir Gedanken über Sturm machen? Später. Ich vermute, dass in diesem Zelt u. a. ein Osprey liegt.

Bevor ich mir aber über einen Übernachtungsplatz Gedanken mache, muss ich erstmal über den Fluss kommen. Dazu ist an dieser Stelle eine wunderbare Hilfe gebaut worden. Nein, keine Brücke, obwohl auf dem Schild diese Bezeichnung benutzt wird.

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OK, genug Bilder davon hatte ich gesehen. Auch mit Menschen mit Rucksäcken, die noch nicht im Wasser lagen. Es muss also funktionieren. Vorsichtig setze ich einen Fuß nach dem anderen auf das untere Seil und halte mich am oberen fest. Ich bin kurz über dem Wasser, als das Seil mit meinen Füßen nach vorne schwingt, mein Rucksack sich mit der Erdanziehungskraft gemein macht und ich fürchterlich ins Trudeln komme. Meine Gegenbewegungen, um das Seil für die Füße zu beruhigen, sind nicht zielführend und ich drohe, mit dem Rücken zuerst ins Wasser zu fallen. Nichts wie runter hier. Ich werfe mich Richtung Ufer, lande mit dem Hintern immerhin auf dem Gras, rappel mich hoch und springe erstmal zwei Schritte vom Wasser weg. Puh. Das sollte man vielleicht nicht unbedingt am Ende eines anstrengenden Tages zum ersten Mal ausprobieren. Ich jedenfalls nicht. Die Entscheidung für nasse Füße fällt mir jetzt leicht und ich furte einfach den Fluss.

Da ich dem Hilleberg und seinem Bewohner die Ruhe gönne, laufe ich weiter, um mir einen entfernteren Schlafplatz zu suchen. Nachdem die Straße mich etwas vom Fluss weggeführt hat, biege ich nach ca. 20 Minuten auf eine Weide ab, in der Hoffnung, wieder an den Fluss zu kommen und auch so ein schönes Stück Wiese zu finden. Das klappt nicht ganz, aber ein ebenes, windgeschütztes Fleckchen oberhalb eines Wasserfalls bietet gerade ausreichend Platz für mein Zelt. Und dann spielt die Abendsonne noch einmal mit den Bergen und dem Himmel. Was für ein grandioser Tag!

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08.05.2019, 22km

Nach einer ziemlich guten Nacht an diesem geschützten Ort frühstücke ich meine beiden letzten Kekse. Hatte ich schon geschrieben, dass meine Nahrungsvorräte nicht ganz der Planung entsprachen? Meine Sandwiches hatte ich an den ersten zwei Tagen verputzt und lebte seitdem von Keksen und Powerriegeln. Seltsamerweise habe ich nichts vermisst. Wenn mein Magen mir tagsüber signalisierte, dass es Zeit zum Auffüllen wäre, besänftigte ich ihn mit einem halben Powerriegel. Morgens ein paar Kekse und abends die andere Hälfte des Powerriegels und noch einen Keks zum Nachtisch. Aber heute würden ich bei Graig's Hostel meine Vorräte auffüllen können.

Die Berge sind noch verborgen, die Wolken hängen tief, wirken aber nicht bedrohlich.

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Als ich gegen 9 Uhr die Weide überquere, um wieder auf die Straße zu gelangen, sehe ich dort einen quietschgrünen Osprey vorüberziehen. Wir rufen uns ein kurzes "Guten Morgen" zu, bevor er sich mit langen Schritten davon macht. Locker flockig marschiere ich den Schotterweg bergab, mal nahe am  Allt a' Chaonais entlang, mal in einiger Entfernung des Flusses. An einigen Stellen sind alte Bäume zu Holz-Kunstwerken verwittert.

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Allmählich ändert sich die Vegetation, die ersten ernstzunehmenden Bäume tauchen auf und schließlich gelange ich in einen Wald. Hier stoße ich auf Waldarbeiten. Die Seilwinde, mit der drei gefällte Stämme gleichzeitig vom gegenüberliegenden Hang zum Verladeplatz gezogen werden, sind beeindruckend, aber auf dem Foto leider nicht zu erkennen. Deutlicher ist der Abstand des Klohäuschens zum aktuellen Arbeitsplatz der Waldarbeiter. Hieraus möge jeder selbst seine Schlüsse ziehen.

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Mobile Klohäuschen sind auch in Schottland blau

Und dann fängt der Himmel an zu zaubern. So etwas habe ich noch nie gesehen. Vermutlich, weil uns in der norddeutschen Tiefebene einfach die passenden bewaldeten Hügel fehlen.

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Völlig verzaubert laufe ich weiter, bevor mich eine dreiviertel Stunde später dieses unsittliche Angebot trifft. Wer, bitte schön, stellt einem Wanderer mit nahezu leeren Essensvorräten mitten im Nirgendwo so etwas in den Weg?

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Ich ignoriere diese Zumutung und werde fünf Minuten später mit dem Anblick von Graig's Hostel belohnt.

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"OPEN ALL YEAR". Klasse. Aber leider nicht am 8. Mai 2019 um 11 Uhr! Ich gehe über das Grundstück, um das Haus herum und sehe - keine Menschenseele. Alle Türen zu. Ich setze mich auf eine Bank und denke nach. OK. 11 Uhr. Vermutlich sind alle, die die letzte Nacht hier verbracht haben, wieder unterwegs. Neue Gäste sind frühestens am Nachmittag zu erwarten. Wahrscheinlich ist gerade die beste Zeit, um einzukaufen. Ich bleibe noch 10 Minuten sitzen und ziehe dann weiter. Essen wird völlig überbewertet. Zumindest ist mein Rucksack jetzt nicht schwerer geworden. Ist doch was Positives.

Ich gehe ein Stück an der Straße entlang und biege dann nach rechts auf den "Public Path to Torridon by the Coulin Pass", kurz "Old Pony Track" ab.

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Der Weg führt zunächst durch einen Wald und dann durch niedrigeren Bewuchs den Berg hinauf. Inzwischen zeigt sich die Sonne immer öfter und es wird sehr warm. Je höher ich komme, desto schöner wird die Aussicht auf den Loch Dùghaill.

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Nach ca. 1 km erreiche ich einen breiten, festen Schotterweg und es geht sanfter aufwärts. Mit zunehmender Höhe wird es wieder kälter und feuchter. Der jetzt beginnende Regen wird mich den Rest des Tages begleiten. In der Ferne kann ich bald schon Loch Coulin entdecken.

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Dann zieht sich der Weg sanft am Hügel wieder nach unten bis zum River Coulin, über den eine schöne, solide Steinbrücke führt.

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Weiter geht es am River Coulin entlang und irgendwann über eine weitere Brücke wieder auf die andere Seite. Laut Karte soll ich hinter ein paar verstreut liegenden Häusern einen Wald erreichen. Von diesem ist aber inzwischen ein großer Teil abgeholzt, die Reste ragen noch aus dem Boden und bieten irgendwie einen trostlosen Anblick. Ja, ich weiß - die Holzwirtschaft. Ist auch keine Kritik, sondern nur das, was ich beim Vorbeiwandern empfinde.

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Blick zurück

Der Weg lässt sich so gut gehen, dass ich prompt einen Abzweig verpasse. Zum Zurückgehen habe ich auch dieses Mal keine Lust, so dass ich mich durch die Reste des geschlagenen Waldes kämpfen muss, um den richtigen Weg wiederzufinden. Blöde Idee. Irgendwann bin ich wieder am richtigen Weg. Warum ich diesen breiten Schotterweg übersehen habe, erschließt sich mir nicht.

Die nächsten vier Kilometer verlaufen ereignislos über den einen Hügel, bis ich auf einen Querweg stoße. Da ich nicht sicher bin, ob ich links oder rechts abbiegen muss, schaue ich erstmal auf meine Karte und stelle fest, dass ich schon wieder einen Abzweig verpasst habe. Ich entscheide mich, nach rechts zu gehen, in der Hoffnung, dass die Karte sich irrt und ich wieder auf meinen Weg komme. Der Weg ist wunderschön von blühendem Ginster und kleinen Birken gesäumt. Und er endet zum Glück nicht wie auf der Karte eingezeichnet ist, sondern stößt auf den Pfad, auf dem ich eigentlich schon längst sein soll. Doch wehe, wenn Wünsche in Erfüllung gehen.

Dieser Pfad hat es in sich. Ein Trampelpfad durch hohes Heidekraut und Matsch, mehrmals über einen namenlosen Bach rüber - oder doch nicht? Es ist nicht immer zu erkennen, wo der Pfad entlang geht. Mal gibt es mehrere oder auch mal gar keinen mehr. Der dichte Bewuchs sorgt dafür, dass ich jetzt nicht nur von oben nass werde, sondern von allen Seiten.

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Suchbild: Mein Weg.

Irgendwie schlage ich mich durch und erreiche endlich ziemlich erschöpft Kinlochewe, gehe ins Restaurant des Hotels, setze mich an die Theke und bestelle mir erst mal ein schönes Bier.

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Es war mir bisher nicht bewusst, welche wunderbaren Gefühle das Wort "OPEN" in Verbindung mit einer offenen Tür in mir auslösen kann.

Und auf einmal spricht mich ein Mann an, den ich nicht kenne. Ich schaue ihn fragend an und er erklärt mir, dass wir uns schon zum dritten Mal begegnen. Wie soll man auch darauf kommen, dass diese saubere Person zu dem grünen Osprey-Rücken gehört, den ich mehrmals und meist nur kurz von hinten gesehen hatte. Er hat sich ein Zimmer im Hotel genommen, schon geduscht und saubere Klamotten an. Hmm, Zimmer nehmen? Warm? Dusche? Klingt nicht schlecht, aber ich entscheide mich dagegen. Zu einem weiteren Gespräch kommt es nicht, weil sein Essen schon auf dem Tisch steht und ich erstmal mein Zelt aufstellen will.

Gegenüber vom Hotel gibt es öffentliche Toiletten, Sitzgelegenheiten und ein kleines Stück Rasen. Dort baue ich mein Zelt auf, wasche mich und gehe dann wieder ins Restaurant.

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Ein zweites Bier, Hühnchen mit Haggis, Möhren, Kartoffelbrei, eine Extraportion Chips und vor allem die Heizung im Rücken wecken meine Lebensgeister wieder. Sehr lecker, sehr gemütlich, sehr glücklich. Gegen zehn Uhr krabbel ich mit der nötigen Bettschwere in mein Zelt, das inzwischen nicht mehr allein auf dem Platz steht.

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Hühnchen mit Haggis, Möhren, Kartoffelbrei

Bearbeitet von bri
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