Ich verfolge diesen Thread sehr interessiert, eben weil mich "Trailrunner vs. Wander-/Bergstiefel" sehr interessiert. Zwar mehr in Sachen Kälte und Nässe, weil ich nur im Mittelgebirge und im Fjäll unterwegs bin und bisher gar nicht alpin.
Dennoch bin ich erstaunt, dass auch nach Jahren der Koexistenz beider "Systeme" bisweilen noch so harte Fronten vorherrschen. In gewisser Hinsicht kann ich das verstehen. Denn:
1. Ist es eine Sache, ob man für sich DEN Weg gefunden hat, und eine ganz andere Sache, diesen Weg einem Einsteiger bzw. Neuinteressierten 1 zu 1 zu empfehlen, der diesen Weg nicht gegangen ist und einfach vom funktionierenden Ende profitieren soll/möchte. Das funktioniert imho nicht bzw. nur bedingt. Die "richtige" Ausrüstung ist für anspruchsvolle Unternehmungen ein Resultat von (Lehr-)Geld, Zeit, Try & Error und ganz viel Schweiß.
Beim Schuhwerk ist der sinnvolle Einstieg nun mal mit Wanderstiefeln, weil eben das für die meisten Einsteiger für die ersten Erfahrungen gut funktioniert - als adäquater Kompromiss in Sachen Komfort, Sicherheit und Allroundfähigkeit. Aus meiner Ladenzeit kann ich sagen, waren die Leute, die mit ihrem einzigen Wanderstiefelpaar jahrelang einfach zufrieden waren, denen, die es unbedingt leichter wollten, zahlenmäßig sehr überlegen. Und letztere kamen eher wegen YT-Videos und Foren-Meinungen und nicht aus eigener Erfahrung. Der Klassiker waren die Camino-Wanderer, die vorher sonst nie gewandert sind, aber natürlich genau wussten, was sie brauchen und was auch nur für sie funktioniert. Hauptsache leicht.
2. Kenne ich selbst die Empfindlichkeit, die sich aufbauen kann, wenn man jahre- oder gar jahrzehntelang an seiner Ausrüstung feilt und andere Menschen mit komplett anderen Setups (vielleicht gar sogar völlig unprofessionellen) das gleiche bewerkstelligen.
Eine Anekdote: eines schönen Winter-Wochenendes bin ich mit meiner damaligen Madame ins Elbi für ein paar Tage gefahren. Ich habe natürlich meine Caminos eingepackt, weil das gehört sich so in mittelgebirgiger winterlicher Umgebung und sie - weil noch ohne große Outdoor-Erfahrung und -Ausrüstung - kam mit Puma Winterboots daher. Grad mal profilierte und weiche Sohle, hoher Schaft nur mit Isolation und in meinen Augen der absolute Supergau.
Und was soll ich sagen? Sie war in den Teilen total glücklich. Ich hab das ziemlich persönlich genommen und kam darauf gar nicht klar. Dann bin ich über meinen Schatten gesprungen und hab probeweise meine Mojitos getestet - und siehe da, ging auch.
Am Ende hat sie wenigstens eine Blase bekommen und meine "Ehre" war dann doch ein bisschen "gerettet".
Das Ende der Geschichte ist, später bekam sie dann doch für unsere richtigen Touren Wanderstiefel, aber sie wählte deutlich leichtere als ich und hat den Höga Kustenleden auch ohne Blessur überlebt.
Das Fazit ist - und da bin ich natürlich nicht der Erste, der das sagt -, jeder hat seinen Weg, der zu respektieren ist, aber man sollte sich hüten, seine Offenheit leichtfertig über Bord zu schmeißen. Ebenso ist es in meinen Augen nicht günstig, Unerfahrenen zu sagen, geht alles, muss man nur machen.