Nucular Geschrieben 30. April 2016 Geschrieben 30. April 2016 (bearbeitet) Ich weiß, ich löse hier vermutlich eine Grundsatzdiskussion aus, die es in der ein oder anderen Form schon mal gab, aber die SuFu spuckt kein befriedigendes Ergebnis aus. Ich finde immer nur "Schuh XY oder Schuh YZ für Trail ABC, wo dann schnell über die spezifischen Unterschiede zw. den Herstellen usw. gefachsimpelt wird. Deshalb versuche ich mal, einen Thema zu eröffnen, das kommenden Fragestellern eindeutige, möglichst allgemeinegültige Antworten bietet. Also: Es heißt ja, mann soll sein Schuhwerk den jeweiligen Umständen anpassen... Dem würde ich, und die meisten anderen wahrscheinlich auch, in gewissem Maße zustimmen. Aber in wie weit? Dass Trailrunner oder Trekkingsandalen fürs Schnnegestöber und Bergstiefel für den Flachland-Pilgerweg recht suboptimal wären erschließt sich von selbst, aber... ...BRAUCHT man Bergstiefel fürs Bergwanden, Trailrunner zum Trail-runnen und Trekking- /Wander-/ Leichtwanderschuhe oder -stiefel in Low, Mid und High fürs Trekking, Wandern, Leichtwandern auf Kurzstrecken, Langstrecken, Mittelkurz-Flachland-Asphalt-mit-zwischenzeitlich-mal-Hügeln-und-Wald-Strecken usw.? Oder ist es reine Marketingstrategie? (EINSPRUCH!! SUGESTIVFRAGE!!) Letztendlich ist es ja so: Man betritt einen Outdoorladen, schildert kurz sein Vorhaben, und sobald der Begriff "Berg" fällt, zaubert der freundliche Fachverkäufer einige Paare der obligatorischen Meindl, Lowa, Hanwag etc. Bergstiefel hinter seinem Rücken hervor und beteuert, dass man ohne B/C-Klasse Schuhen auch gleich vom Felsen springen kann. Sobald man nach den Leichtwanderstiefeln, Trailrunnern usw. schielt erntet man ein augenrollenbegleitetes Seufzen. (Ausnahmen bestätigen die Regel) Die FAA´s (frequentlichst geantwortete Antworten ) diesbezüglich : "Hauptsache die passen und du fühlst dich wohl drinne." ... sowohl Bergstiefel, wie auch Flipflops können passen und ein Wohlgefühl erzeugen. Aber keiner will mit Bergstiefeln am Strand sitzen und mit Flipflops den Berg rauf. "Isch lauf alles mit Trailrunnern, war sogar auf dat Mount Everest und so damit, is alles gut gegangen immer, jo. Jeder der was anderes trägt ist ein medienverseuchtes Konsumkind, jo! Eigentlich is Barfuß am geilsten, aber da fehlen die duften Streifen anne Seite!" vs. "Ein Bekannter war mal umme Ecke spazieren, da is dem n Steinchen in den tiefen Schaft gefallen, jetzt isser tot. Seitdem tragich nurnoch Meindl Borneo. Aber die ohne GTX, Synthetik ist der Teufel! Ausser bei meinen Aktiv-Shirts und den Plastikflaschen, die sind jeil!" ... das berühmte Nebengebiete-Nazitum: "Einmal hatte ich Erfahrung X mit Person/ Artikel Y. Seitdem nie wieder! Wo ist meine Blitzkrieg-Kurzanleitung verdammt!!??" "Nasse Füße ist natürlich, jeder der keine nassen Füße haben kann ist der Natur unwürdig!" vs "Nasse Füße? Das verursacht alles Böse auf der Welt! Weisste wer NIEMALS nasse Füße hatte? JESUS!" ...selbsterklärend?! Also zu den (meines Erachtens) konkreten Fragepunkten bezüglich dieses Themas: Halt: Haben die Profile von Schuhart XY tatsächlich grundsätzlich mehr Halt als die von Schuhart YZ, oder ist nicht einfach nur das Profil der Sohle entscheidend? Steifigkeit: Ist die Sohle ab einem gewissen Steifigkeitsgrad nicht steif genug für 90% aller Unternehmungen? Entscheidet ab diesem Punkt nicht einfach die Balance und die persönliche Trittfertigkeit über diese Auswahl? Umknicken: Passiert das wirklich so oft, so vielen Leuten? Wäre ein gezieltes Bein- und Fußmuskulaturtraining keine bessere Präventionsaßnahme, als einfach nur einen hohen Schaft? Warum gibt es keine empirische Studie zum Umknickverhalten der Menschen) Vollleder, GTX etc.: Gibt es eindeutige Belege für die Typischen "Mythen"? Ich hab drei verschiedene Schuhe mit GTX, in den einen schwitze ich grundsätzlich nach einer halben Stunde, die anderen riechen nach nem Tag wie neu. Ich hab drei verschiedene Volllederschuhe, die einen sind ungewachst seit Ewigkeiten wasserfest und atmungsaktiv, die anderen nur gewachst wetterfest, die dritten kann man nur bei milden Klima und trockenem Wetter tragen, egal was man damit anstellt. Schuhwahl: Gilt auch hier das "Die Kette ist nur so stark wie das schwächste Glied"-Prinzip und man sollte den Schuh nach dem maximalen Gefahrenpotenzial der Tour auswählen? Wenn ja, hat man nicht beinahe auf jeder Tour hin und wieder mal anspruchsvollere Stellen, für die man sich dementsprechend beschuhen müsste? Spielt die ganze Schuhvielfaltsthematik nicht ab einem gewissen Punkt einfach nur mit der Urangst den "Boden unter den Füßen zu verlieren" und nicht mehr die uneingeschränkte Macht über unseren eigenen Körper zu haben? Ich meine dabei nicht die unteren und oberen Extrempunkte. Dass man mit schweren Schuhen im Flachland unnötig Kraft vergeudet und ordentliches Equipment fürs Bergsteigen braucht ist klar. Aber ist der Bereich dazwischen nicht einfach nur "Geschmackssache" ? Bearbeitet 30. April 2016 von Nucular nur so Wanderfrosch und nats reagierten darauf 2
Freierfall Geschrieben 30. April 2016 Geschrieben 30. April 2016 vor 1 Stunde schrieb Nucular: Halt: Haben die Profile von Schuhart XY tatsächlich grundsätzlich mehr Halt als die von Schuhart YZ, oder ist nicht einfach nur das Profil der Sohle entscheidend? Letzteres, die Sohle ist entscheidend. Steifigkeit: Ist die Sohle ab einem gewissen Steifigkeitsgrad nicht steif genug für 90% aller Unternehmungen? Entscheidet ab diesem Punkt nicht einfach die Balance und die persönliche Trittfertigkeit über diese Auswahl? Eine sehr Steife Sohle ist von Vorteil beim klettern (s. Kletterschuh, nur mit 1-2cm Fußspitze kann der Fuß komplett aufgestützt werden. Probier das mal mit Turnschuhen. Das ist aber bei Nassem Untergrund uU ein Nachteil, weil weniger der Sohle aufsetzt und man leichter wegrutscht. Und die Füße ermüden auch schneller. Umknicken: Passiert das wirklich so oft, so vielen Leuten? Wäre ein gezieltes Bein- und Fußmuskulaturtraining keine bessere Präventionsaßnahme, als einfach nur einen hohen Schaft? Warum gibt es keine empirische Studie zum Umknickverhalten der Menschen) Die gibt es. http://www.jbjs.org/cgi/pmidlookup?view=long&pmid=20926721 (nur auf die schnelle). Gibt viele Leute mit Bänderhyperlaxizität usw. die da Probleme mit haben, oder auch mit vorgeschädigten Bändern die da ebenfalls besondere Rücksicht drauf nehmen müssen. Zudem ist eine Sprunggelensdistorsion draußen auf 'ner Langen Tour ein potentiell lebensgefährliches Problem, wenn man bsp. seine Tagesziele nicht schafft und seinen Resupply nicht mehr erwischt. Vollleder, GTX etc.: Gibt es eindeutige Belege für die Typischen "Mythen"? Ich hab drei verschiedene Schuhe mit GTX, in den einen schwitze ich grundsätzlich nach einer halben Stunde, die anderen riechen nach nem Tag wie neu. Ich hab drei verschiedene Volllederschuhe, die einen sind ungewachst seit Ewigkeiten wasserfest und atmungsaktiv, die anderen nur gewachst wetterfest, die dritten kann man nur bei milden Klima und trockenem Wetter tragen, egal was man damit anstellt. Volleder ist so schwer das das hier kaum jemand nutzt beim Trekking. GTX *wird* irgendwann undicht, wann hängt aber vom Laufverhalen und vom einzelnen Schuh ab. Mehr schwitzen tut man immer, ist wie bei den Regenjacken. Schuhwahl: Gilt auch hier das "Die Kette ist nur so stark wie das schwächste Glied"-Prinzip und man sollte den Schuh nach dem maximalen Gefahrenpotenzial der Tour auswählen? Wenn ja, hat man nicht beinahe auf jeder Tour hin und wieder mal anspruchsvollere Stellen, für die man sich dementsprechend beschuhen müsste? Ja, genau das gilt im Grunde genommen. Allerdings haben die meisten hier eher "don't pack your fears" als Motto, und da packt man eher das, was 90% der Zeit optimal ist ein und wurstelt sich die restlichen 10% irgendwie zurecht. Höchstens da, wo es sonst wirklich nicht geht / lebensgefährlich wird (statt nur uU unangenehm) ist die Grenze. Da ich keine solche Touren mache, k.a. wo diese grenze ist. Vermutlich da wo man richtige Steigeisen braucht. Aber ist der Bereich dazwischen nicht einfach nur "Geschmackssache" ? jup
nats Geschrieben 1. Mai 2016 Geschrieben 1. Mai 2016 (bearbeitet) Ich hab' sportbedingt (Handball mehr als Rugby) böse lädierte Sprunggelenke und sehe mich auch deshalb qualifiziert und genötigt, einmal mehr mit dem Mythos aufzuräumen, hohe Lederstiefel seien insofern per se besser: Daran stimmt nämlich so ziemlich gar nix. Wenn man eine entsprechende Vorgeschichte hat, wird man sensibler und schlicht ängstlicher, denn niemand will solche Erfahrungen wiederholen. Genau in dieser Angst liegt aber das Problem: Oftmals neigt man dann dazu, möglichst alle Erfahrungen zu meiden, die nicht hundertprozentig "sicher" sind. Wenn man das konsequent tut, werden Muskeln, Sehnen und Bänder aber immer weniger gefordert – also auch immer schwächer. Man steigert also gerade die Gefahr, der man ausweichen wollte: Denn böse umknicken kann man auch auf ebenem Untergrund beim gemütlichen Traben. Tatsächlich kenne ich persönlich Leistungssportler, die sich genau auf diese Art so ziemlich alles gerissen haben, was bis zur Hüfte hoch überhaupt vorhanden ist, und für lange Zeiten komplett ausfielen. Die Lösung muß also anders aussehen. Meines Erachtens liegt sie in einer Kombination von Achtsamkeit (oder, wenn man's weniger neumodisch-buddhistisch formulieren will, dem bewußten Zusammenspiel von Augen, Füßen und Untergrund) sowie wirksamer Stabilisierung, wenn und soweit diese nötig ist. Für mich heißt das: zunächst einmal sowenig Schuh wie irgend möglich. Sohlen, die so dünn und flexibel sind, daß die Füße den Untergrund wirklich wahrnehmen können und darauf reagieren, sind die halbe Miete. Gleichzeitig sollen die Sohlen auf dem konkreten Untergrund nicht wegrutschen, sondern ausreichend "Grip" bieten – und das ohne sich überschnell abzulaufen. Diese Sohlen halten aber ja nicht von allein am Fuß (sie mit Sekundenkleber festzupappen habe ich ehrlich gesagt noch nicht ausprobiert; wäre auch wenig alltagstauglich). Was immer diese Sohlen am Fuß hält, Riemen, Schuh oder Stiefel mit Schaft, muß so beschaffen sein, daß sich Fuß und Sohle wirklich gemeinsam bewegen; daß die Sohle dort sitzt, wo sie hingehört, und dem Fuß ermöglicht, seinen Job zu machen. Der Fuß sollte also nicht drin/drauf rumrutschen, weder seitlich noch nach vorn oder hinten – jedenfalls nicht in einem Maß, das die Funktion gefährdet, und auch nicht in einer Art und Weise, daß dem armen Hirn ständig signalisiert wird: Ich weiß nicht, was hier abgeht und auf mich zukommt. Gleichzeitig müssen sich der Fuß als ganzes und die Zehen bewegen können. So würde ich denn auch "Halt" definieren: nicht den Fuß so einzubetonieren, daß er sich in sich und im Sprunggelenk möglichst gar nicht mehr bewegen kann; sondern so anzubinden, daß Fuß und Sohle sicher zusammenspielen. Das hängt meiner Erfahrung nach nicht von der Menge des Materials ab, sondern von dessen geschicktem Einsatz. Gut geschnittene Sandalenriemen, an den richtigen Punkten angesetzt (und zuverlässig befestigt selbstverständlich), bringen zum Beispiel sehr viel mehr als so einiges, was dicker, breiter oder schwerer ist. Ich hab' wirklich schon erlebt, daß mich andere Wanderer bei Begegnungen offensichtlich für wahnsinnig hielten, weil ich mit Sandalen unterwegs war – dabei hatten sie Stiefel an den Füßen, die so erkennbar mangelhaft saßen, daß ich mir wiederum Sorgen gemacht habe, ob die Träger denn heil auf den Berg und wieder runter kommen würden. Letztlich hilft nur: anziehen, wirklich auf die Probe stellen (dafür sind doch die Teststrecken in den Läden da), in alle Richtungen schieben und drücken und schauen, was mit dem Verhältnis von Fuß und Sohle passiert... Und vor allem: möglichst gut recherchieren, welche Bedingungen einen erwarten, und dann, UL-geschult, sich selbst fragen, was man genau sicherstellen muß; die genaue Funktion hinterfragen. Abstrakte Begriffe helfen da herzlich wenig (wie meist, das sehe ich auch in meinem Beruf immer wieder); möglichst in ganzen Sätzen mit echten Verben zu beschreiben, worum's eigentlich geht, bringt deutlich mehr. Das Ergebnis mögen dann manchmal tatsächlich schwere Bergstiefel sein, manchmal superminimale Huaraches oder auch gar nichts: Das kann jeder immer nur individuell für sich und den konkreten Einzelfall entscheiden. Das Sprunggelenk stabilisieren kann man aber auch und oftmals wirksamer als durch hohe Stiefel z. B. durch wirklich gekonntes Tapen (kann man lernen), das ist auch auf längeren Touren regelmäßig leichter, oder durch entsprechende Manschetten, die teils sogar Metallstäbe eingelegt haben und viel genauer an den Fuß angepaßt werden können. Gegebenenfalls einsehen, daß man die Dinge falsch eingeschätzt hat, und für die Zukunft daraus lernen, das ist auch noch unabdingbar, in beide Richtungen übrigens... Bearbeitet 2. Mai 2016 von nats Take what you need and leave the rest. wissenschaft-schreiben.de
kwolf Geschrieben 1. Mai 2016 Geschrieben 1. Mai 2016 Rutschen im Schuh: Das war für mich auch ein Lerneffekt. In meinen Roclite 318 GTX war immer etwas seitliches Spiel im Schuh. Meine Fehlinterpretation war, dass es an der mangelnden seitlichen Stütze fehlt, weshalb ich den Schuh, nach dem er durch war (und ich hab ihn trotz des leichten Rutschens geliebt), mit einen "etwas" festeren Schuh ersetzte habe (Merrell Capra). Und obwohl der Capra unter den Festeren der mit der weichsten Sohle war, hab ich mich schnell wie in zwei Fußsärgen gefühlt. Einige Monate später habe ich dann den Roclite 282 GTX probiert und siehe da: Kein Rutschen von links nach rechts. Lerneffekt: Es ist nicht das Stützsystem, es ist der Schnitt! Inov8 hatte hier nachgelegt (und obwohl der Schuh leichter geworden ist - was ja gar kein obwohl ist) und ich kann ihn mit der Schnürung dank des neuen Schnitts (Materials?) nun besser am Fuß anpassen. Im Nachhinein hochsimpel und klügere Zeitgenossen hätten das gleich gecheckt. Ich musste erst noch einmal eine falsche Richtung einschlagen. nats reagierte darauf 1
dani Geschrieben 2. Mai 2016 Geschrieben 2. Mai 2016 @TO wenn du grundsätzliches zu schuhwerk für UL-trekking erfahren willst, liest du dir am besten das kapitel "Footwear" in ray jardines "Beyond Backpacking" durch. da steht alles drin. habs gerade gestern abend nochmals durchgelesen. ist, obwohl es vor über 20 jahren geschrieben wurde, so aktuell wie wenns von heute wäre. ... und tschüss.
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