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Ultraleicht Trekking

GR53 – Rund 350 km durch die Vogesen


doast

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Da der GR53 hier im Forum doch recht beliebt scheint und ich dank der Informationen hier im Forum auf ihn aufmerksam geworden bin, möchte ich einen kurzen Bericht teilen. Ich war Ende April/Anfang Mai 2024 eine Woche am GR53 unterwegs. Eigentlich hätten es 10 Tage sein sollen um ihn über die 430km komplett von Wissembourg bis Belfort zu erwandern. Aber lest selbst.

Disclaimer: Der Bericht entstammt ursprünglich meinem Blog: https://www.wegalsziel.at/gr53-ultraleicht/ und ich habe ihn zusätzlich hier ins Forum kopiert.

 

Weitwandernd durch die Vogesen in Frankreich. Ende April 2024 habe ich mit meinem ultraleichten 4,4 Kilogramm „schweren“ Rucksack eine Woche lang das Mittelgebirge in der französischen Region Grand Est entdeckt.

Die Vogesen und seine Wanderwege

Die Vogesen sind ein klassisches Mittelgebirge. Das französische Pendant zum Schwarzwald in Deutschland. Eben nur auf der westlichen Seite des Rheins. Die höchsten Erhebungen im Süden erreichen knapp die 1.400 Meter Marke.

Die Vogesen verfügen über ein dichtes Netz an Weitwanderwegen. Der GR53 und einige seiner alternativen Wegführungen verlaufen ebenso wie der GR5 und der recht neue (aber in der Thruhikerszene rasant an Bedeutung gewinnende) Hexatrek in Richtung Nord-Süd, längs über die Vogesen.

Der GR53

Der GR53 erstreckt sich offiziell über rund 430 Kilometer, 14.000 Höhenmeter im Anstieg und nochmals so viele im Abstieg. Im Norden bildet das Städtchen Wissembourg den Terminus, im Süden die Stadt Belfort.

Verlauf des GR53 lt. abfotografierter Infotafel

Verlauf des GR53 lt. abfotografierter Infotafel

Wer die Vogesen einmal längs durchquert erlebt dabei drei recht unterschiedliche Abschnitte dieses Gebirges.

Nordvogesen

In den Nordvogesen sind die Erhebungen bescheiden. Immer auf und ab mäandert der Weg durch ausgedehnte Wälder. Der Weg verläuft zu einem guten Teil auf Single Trails. Das ist ebenso erfreulich wie die Ruhe und Abgeschiedenheit die man hier vorfindet. Das ist zumindest in der Nebensaison der Fall. Generell ist der GR53 in der Nebensaison im Frühling oder Herbst zu empfehlen. In der Hauptsaison sind die Vogesen gut besucht. Der GR53 ist ein beliebter Weitwanderweg, die Vogesen sind ein Wanderhotspot.

Typische Szenerie in den Nordvogesen am GR53, Wald

Trotz seiner geringen Höhen macht man bereits in den Nordvogesen erstaunlich viele Höhenmeter. Auf meinen üblichen 40-50 Kilometer Tagesetappen kumulieren sich meist rund 1.600+ Höhenmeter pro Tag. Das ergibt rund 400 Höhenmeter pro 10 Kilometer die bewältigt werden wollen. Dafür belohnen die Anstiege bereits mit zahlreichen Burgen und Ruinen entlang des Weges. Wer regelmäßige, weite Fernsichten sucht wird allerdings enttäuscht sein.

Ruinen und Sandsteinformationen sind allgegenwärtig am GR53

Ruinen und Sandsteinformationensind allgegenwärtig am GR53

Meine Zeit in den Vogesen kam ungeplant

Ich selbst genieße den Einstieg in diesen Trail in den Nordvogesen. Von Wissembourg bis Saverne laufe ich mich gut ein. Dieser Abschnitt ist lediglich 100 Kilometer lang. Wer ultraleicht und schnell unterwegs ist, kann dieses Teilstück gut in unter drei Tagen absolvieren. Der GR53 ist meine erste Tour dieser Art seit August 2022 als ich in den USA in der Sierra Nevada und am Colorado Trail unterwegs war. Die erste längere Wanderung nach meiner Krebsdiagnose.

Eigentlich wäre ich jetzt gar nicht in den Vogesen unterwegs. Der Plan war, zu dieser Zeit die Grande Escursione Appenninica (GEA) in der italienischen Emilia-Romagna zu erkunden. In der Vorbereitung habe ich einige längere Tageswanderungen gemacht. Außerdem war ich für zwei Tage und 100 Kilometer im Schwarzwald entlang des Albsteigs Schwarzwald und Schluchtensteigs unterwegs. Während der Vorbereitung hatte ich leider einige gesundheitliche Probleme. Aufgrund meiner Vordiagnose und mangels Erfahrungen seither, fehlt mir noch ein wenig das Vertrauen in meinen eigenen Körper.

Der GR53 liegt sehr nahe zu Deutschland. Die An- und Abreise ist schnell und einfach machbar. Das bedeutet im Bedarfsfall eine schnelle und sichere Exit-Option. Der GR53 ist zivilisationsnäher als die GEA, die Verpflegungssituation ist großzügiger und erlaubt ein geringeres Rucksackgewicht.

Die Kombination vieler Faktoren hat mich also spontan auf den GR53 umschwenken lassen. Innerhalb von zwei Tagen gab es eine grobe Planung. Das ist auch einer der positiven Aspekte am GR53. Er Bedarf im Grunde keiner großen Planung.

In meinem Fall hieß das die GPS-Tracks beschaffen und auf meine Geräte (Smartphone und GPS-Uhr) spielen. Außerdem eine kurze Recherche der möglichen Versorgungspunkte (Öffnungszeiten und Standorte von Supermärkten via Google Maps) und die Ermittlung der Distanzen zwischen diesen. Schon konnte es los gehen.

Der GR53 ist nicht spektakulär aber gepflastert mit spannenden Klecksen

Obwohl der GR53 hauptsächlich durch bewaldete Gebiete führt, ist er selten langweilig. In der Vergangenheit habe ich viele meiner Wege nach dem Kriterium „möglichst Spektakulär“ gewählt. Groß war meine Sorge in den dichten, grünen Tunneln der Vogesen gelangweilt zu werden. Diese Sorge hat sich nicht bewahrheitet. Der GR53 führt durch viele ausgedehnte Wälder. Er bietet aber sehr viel Abwechslung. Einerseits durch die drei unterschiedlichen Abschnitte Nord-, Mittel- und Südvogesen. Andererseits durch kulturell und zivilisatorisch interessante Kleckse zwischendurch. Charmante kleine Dörfer, interessante Sandsteinformationen, zerfallene Ruinen und imposante Burgen, Weinberge und als Highlight die Hochebenen der südlichen Hochvogesen. Alle paar Kilometer warten Überraschungen auf jene die das Abenteuer GR53 eingehen.

Die Nordvogesen am GR53 sind nicht spektakulär aber niemals langweilig

Die Nordvogesen am GR53 sind nicht spektakulär aber niemals langweilig

Das Lager ist aufgeschlagen in den Nordvogesen am GR53

Das Lager ist aufgeschlagen in den Nordvogesen am GR53

Mittelvogesen

Südlich der Nordvogesen erheben sich die Gipfel höher. Die Mittelvogesen erheben sich entlang des GR53 bis auf knapp über 1.000 Meter. Das bedeutet längere und steilere Anstiege. Die Beschaffenheit der Wälder ändert sich langsam. Die dominanten Laubbäume werden von Nadelgehölzen abgelöst. Dafür ist dieser mittlere Abschnitt des GR53 zivilisationsnäher. In den Talsohlen warten regelmäßig kleinere oder größere Dörfer und Städtchen. Die touristisch gut besuchten Regionen des Elsass rücken näher. Das bedeutet aber auch das die Möglichkeit der Versorgung sehr gut wird.

In den mittleren Vogesen kommt man durch einige touristische Örtchen (hier Ribeauville)

In den mittleren Vogesen kommt man durch einige touristische Örtchen (hier Ribeauville)

Burgen und Ruinen sind weiterhin ständige Begleiter. Auch die düstere Geschichte der Weltkriege begleitet den Weg. Wer Zeit und Interesse hat, dem sei der Besuch einiger der Denkmäler entlang des Weges ans Herz gelegt. Ich durfte einige dieser Orte bereits in der Vergangenheit während eines konventionellen Urlaubs besuchen. Die Geschichten gehen unter die Haut. Der Weitwanderer von heute entscheidet sich aus freien Stücken für den Aufenthalt in diesen Bergen, im Idealfall genießt er jeden Moment in dieser Idylle. Noch vor einigen Jahrzehnten verbrachten Tausende von Menschen einen Teil ihres Lebens unfreiwillig und unter undenkbarem Leid genau an jenen Orten. Viele davon ließen ihr Leben in den Wäldern der Vogesen. Viele im Konzentrationslager von Struthof, wiederum andere in den schier endlosen Schützengräben und Bunkeranlagen deren Überreste noch immer an vielen Stellen in den Vogesen zu finden sind.

Burgen und Ruinen bleiben am GR53 ständige Begleiter. Egal ob nah oder am Horizont.

Burgen und Ruinen bleiben am GR53 ständige Begleiter. Egal ob nah oder am Horizont.

Gedenkstätte und ehemaliges Konzentrationslager Struthof am GR53

Gedenkstätte und ehemaliges Konzentrationslager Struthof am GR53

In den Mittelvogesen greife ich tief in die Trickkiste

Mein GR53 Erlebnis sollte eine Genuss werden. Schweiß, Tränen, Entbehrungen und Mühen kenne ich von vergangenen Weitwanderungen. Schöne Erinnerungen an die ich zukünftig auch wieder anknüpfen möchte. Jetzt ist aber (noch) nicht der Moment dafür. Genuss auf Wanderschaft bedeutet für mich mit möglichst wenig Sorgen und unter bestmöglichen Bedingungen unterwegs zu sein. Während ich zu Beginn meiner Tour ideales Wanderwetter hatte, versprach der Wetterbericht für die kommenden Tage kaltes und nasses Wetter. Strikt dem Nord-Süd-Verlauf folgend hätte das für mich bedeutet, dass ich die Hochebenen und Kämme der Hochvogesen während der ungemütlichsten Bedingungen erreicht hätte. Gefühlte Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt, Regen und nächtlicher Schneeregen sowie campieren auf Matsch und Schneematsch, die aufgrund der Schneereste der Schneefälle von Mitte April noch zahlreich vorhanden waren, wären die zu erwartenden Bedingungen gewesen. Bedingungen auf die ich mich nicht einlassen wollte. Bedingungen denen ich mich derzeit körperlich und mental einfach nicht gewappnet fühle.

Es musste also ein Plan her. Als erfahrener Weitwanderer Griff ich auf das Konzept eines Flip-Flops zurück. Bei einem Flip-Flop verlässt man an einem Punkt den Trail (die Umständen können dabei unterschiedlicher Natur sein) und springt an einen anderen Punkt, um von dort weiter zu wandern. Die dabei entstandene Lücke versucht man im Normallfall im Anschluss irgendwie zu schließen.

Einige der Orte und Städtchen entlang des GR53 sind gut an das Verkehrsnetz angeschlossen. Ideal für einen schnellen und reibungslosen Flip-Flop. Ich verlasse also in Urmatt den GR53 und springe Richtung Süden nach Thann. Von dort wandere ich dann Richtung Norden zurück bis Urmatt um die Lücke zu schließen. Dadurch kann ich die südlichen Hochvogesen, mit deren höchsten Erhebungen knapp über 1.400 Meter und die offenen Hochebenen und Kammlagen während gutem Wetter und bester Fernsicht entdecken.

Thann am GR53

Angekommen in Thann geht es nun Richtung Norden entlang des GR53, steil in die Hochvogesen.

Südvogesen

Die Südvogesen bilden, wie bereits beschrieben, die höchsten Abschnitte am GR53. Sie unterscheiden sich deutlich von den beiden Abschnitten im Norden. Stellenweise herrscht alpiner Charakter. Über der Baumgrenze werden die Bäume spärlich und karg, Almlandschaften und kleine Skigebiete sind zu finden. Gutes Wetter und klarer Himmel bedeutet grandiose 360° Aussichten.

Am Grand Ballon (1424m), dem höchsten Punkt der Vogesen angekommen. Hier wird es alpiner.

Am Grand Ballon (1424m), dem höchsten Punkt der Vogesen angekommen. Hier wird es alpiner.

Nun bin ich also in den Südvogesen

Die Südvogesen sind definitiv der spektakulärste Abschnitt des GR53. Mit ein Grund wieso ich ihn bei gutem Wetter besuchen wollte. Ich bereue meine Entscheidung nicht. Während zwei warmer und sonniger Tage überquere ich ab Thann das Gebirge bis Thannenkirch.

Schneereste in den Hochvogesen am GR53.

Schneereste in den Hochvogesen am GR53.

Ich komme langsamer vorwärts als gedacht. Ich habe den Restschnee unterschätzt. Eigentlich sind die Kämme und Hochebenen schneefrei. Allerdings wurde der Schnee in die Mulden der überwiegend tief erodierten Fußpfade verfrachtet und hat sich dort angesammelt. Entlang der Fußwege liegen also vielfach 10-30 Zentimeter Schneematsch und Matsch. An vielen anderen Stellen bilden die Wege Rinnsale voller Schmelzwasser. Abseits dieser Pfade verhindern struppige, alpine Büsche und Pflanzen ein einfacheres Vorwärtskommen. Teilweise fühle ich mich wie im skandinavischen Fjell während der Schneeschmelze. Einige Postholing-Erlebnisse und das dauernde Einsinken im Schneematsch versetzen mich gedanklich zurück in die Sierra Nevada entlang des Pacific Crest Trail. Natürlich alles en miniature. Aber trotzdem.

Fühlt sich ein bisschen nach Fjell an, hier am GR53.

Fühlt sich ein bisschen nach Fjell an, hier am GR53. Auch die riesigen, schweren Rucksäcke anderer Wanderer schreien fast „Skandinavien“.

Und wiederum bereue ich meine Entscheidung nicht. In vielen Abschnitten wüsste ich bei miesem Wetter nicht wirklich wo ich mein nächtliches Lager aufschlagen sollte. Das hier oben ein großes Naturschutzgebiet zu finden ist, macht die Sache nicht unbedingt leichter. Dank meinem Griff in die Trickkiste stellt sich diese Frage allerdings nicht. Die erste Nacht in den südlichen Vogesen verbringe ich neben einem Soldatenfriedhof französischer Soldaten aus dem 1. Weltkrieg. Was ist schauriger? Eine Nacht alleine im Wald oder eine Nacht alleine am Friedhof? Ich kombiniere beides für den maximalen Gruseleffekt. Wer regelmäßig draußen schläft, weiß das es im Grunde nichts zu fürchten gibt. Lieber im Wald und lieber am Friedhof als auf der Parkbank im Stadtzentrum. Meist spielt einem der Geist nur Streiche. Die scheinbar furchtbarsten Geräusche haben oft die harmloseste Ursache (wie z.B. ein Käfer der unter dem Zeltboden krabbelt). Es gab jedenfalls keinen nächtlichen Geisterbesuch. Trotzdem begleiten mich vor dem Einschlafen ein paar Gedanken an all die jungen Männer die hier, nur wenige Meter neben mir, ihr Leben gelassen haben. Egal wieviel ich diesen Abend nachdenke, ich verstehe Krieg einfach nicht. Ich verstehe die Menschheit nicht. Das wird auch mit ein Grund sein wieso ich lieber hier alleine im Wald liege, als das ich an einem freien Abend in einer Bar feiere.

Soldatenfriedhof am GR53

Soldatenfriedhof am GR53. Meine Nachbarschaft während einer Nacht im Zelt.

Alte Bunkeranlagen und Schützengräben am GR53.

Alte Bunkeranlagen und Schützengräben am GR53. Sie finden sich vielerorts.

Auf dem Weg die Lücke zu schließen

Ich bewege mich also weiter Richtung Norden. Zurück Richtung Urmatt wo ich vor kurzem den Trail Richtung Süden verlassen habe. Ich komme zurück in die mittleren Vogesen und gönne mir in Thannenkirch ausnahmsweise eine Nacht in einem Zimmer. Duschen und ein paar Stunden relaxen sind angesagt. Außerdem sind für die Nacht Gewitter und der prognostizierte Wetterumschwung vorhergesagt. Meine Ausrüstung bleibt also auch trocken. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Unterkunft am GR53 in Thannenkirch.

Meine Unterkunft am GR53 in Thannenkirch. Duschen und relaxen.

Der Wetterbericht hat nicht gelogen. Am Tag darauf ist es merkbar kälter und bedrohliche Wolken bedecken den Himmel. Ich entscheide mich dafür kurz vom Wegverlauf des GR53 abzuweichen und nehme die offizielle Routenführung des Hexatrek. Dadurch spare ich mir einen wenig geradlinigen Umweg inklusive An- und Abstieg auf den Ungersberg. Hier verläuft der Hexatrek talnah durch nette Weinberge. Eigentlich eine schöne Abwechslung zu den vielen Wäldern. Ich schaffe es bis nach Barr, besorge mir etwas Proviant und starte in den nächsten Aufstieg. Gerade als ich einen großzügigen Holzpavillion erreiche beginnt es zu regnen, dann zu schütten. Ich deute das als Zeichen und mache eine Pause. Es ist bereits später Nachmittag und es hört nicht mehr auf. Mir ist kalt und ich beschließe den Tag vor meinem angestrebten Pensum zu beenden. Zu verlockend ist der trockene, saubere und großzügige Pavillion.

Hexatrek Alternativroute

Auf meiner Alternativroute entlang des Hexatrek geht es vermehrt durch Weinberge.

Holzpavillion am GR53

Ein Holzpavillion am GR53 schützt mich vor dem Regen. Hier bleibe ich für die Nacht.

Die Lücke schließt sich nicht

Während der Nacht spüre ich meinen Rücken. Die Luft ist kalt und feucht, ich liege auf einer Isomatte am Betonboden. Nichts was ich nicht aus der Vergangenheit kenne. Früh morgens geht es weiter. Ein Ziehen im unteren Rücken begleitet mich. Die Bedingungen werden ungemütlicher. Es regnet und ist windig. Im Aufstieg schwitze ich, in der Ebene und dem Abstieg friere ich.

Ungemütliche Bedingungen am GR53

Ungemütliche Bedingungen am GR53. Es ist kalt, feucht und windig.

Dann geht es relativ schnell. Aus einem leichten Ziehen entsteht eine Blockade im unteren Lendenwirbelbereich. Ich kann kaum aufrecht stehen. Es zieht mich auf die rechte Seite, eine unsichtbare Kraft zieht mich in eine gekrümmte Haltung. Elektrisierender Schmerz schießt ein. „Mist, was nun?“… Ich habe keine Ahnung wie ich weiterkommen soll. 15 Kilometer sind es in die nächste Ortschaft. Eigentlich hätte ich noch rund 30 Kilometer für den Tag geplant. Nun frage ich mich wie ich den nächsten Kilometer schaffen soll. Ich hänge in meiner gebückten Haltung fest. Ohne lange nachzudenken weiß ich was die einzig vernünftige Sache ist. Den Ort erreichen und die Sache gut sein lassen. Ich spüre das diese Blockade keine Sache ist die nach einer Nacht mit gutem Schlaf geregelt ist. Ich zwinge meinen Körper in eine vertikale Position und beginne Schritte zu machen. Immer wieder entweicht ein leiser, qualvoller Schrei über meine Lippen. Ganz unkontrolliert. Ich schmeiße eine Schmerztablette ein. Mehr für den Kopf als für den Körper. Ibuprofen reicht hier nicht aus. Irgendwann bin ich wieder „eingelaufen“. Zumindest gehe ich relativ aufrecht und der Schmerz ist nicht mehr stechend. Ich erreiche Schirmeck. Dort gibt es einen Bahnhof und einen Supermarkt. Irgendwie möchte ich nicht aufgeben. Ich beschließe zuerst Proviant für den nächsten Tag zu kaufen. Dann schauen wir weiter, sage ich mir. In einem Anflug von Dummheit begebe ich mich nach dem Einkauf raus aus Schirmeck, weiter Richtung meinem Ziel. Nach zwei weiteren Kilometern sehe ich es ein. Das macht keinen Sinn. Eine weitere Nacht am Boden schaffe ich nicht, geschweige denn die weiteren 30 Kilometer Richtung Lückenschluss. Ich buche online ein kleines, ranziges Apartment in Schirmeck und quäle mich zurück in den Ort.

Als ich mich mit entblößtem Oberkörper im Badspiegel betrachte denke ich der Fußboden ist schräg. In Wirklichkeit zieht es meinen Körper um einige Grade nach rechts. Ich zücke das Handy und checke die Möglichkeiten für meine morgige Abreise.

Persönliches Fazit

30 Kilometer fehlen mir für den Lückenschluss von Wissembourg bis Thann. Die anschließenden finalen Kilometer von Thann bis Belfort kann ich dadurch leider auch nicht anschließen. Im Endeffekt bin ich also während 7 Wandertagen rund 340 Kilometer und knapp 12.000 Höhenmeter im Anstieg auf dem GR53 unterwegs.

Gerne hätte ich den GR53 komplett in einem Guss absolviert, trotzdem ist mir die Entscheidung angesichts der Umstände leicht gefallen. In Anbetracht der Geschehnisse der letzten eineinhalb Jahre bin ich von Herzen dankbar das ich am GR53 unterwegs sein durfte. Um das zu tun was ich liebe und vielleicht am besten kann (auch wenn es diesmal nicht zu 100% gereicht hat).

Gedanken zum GR53

Der GR53 stand lange auf meiner erweiterten Watch-List. Als Trail für zwischendurch mal. Wenn es mal eher schnell gehen soll. Kurze und einfache Anreise. Einfache Logistik und Versorgung. Ansprechendes Profil aber nicht zu anspruchsvoll. In gewisser Hinsicht habe ich dem GR53 also lange keine besondere Bedeutung zugesprochen. Ihn eher als nachrangigen Trail empfunden. Als Plan-B oder wenn mir einfach irgendwann die Ideen für spektakulärere Wege ausgehen. Damit habe ich dem GR53 in gewisser Weise unrecht getan. Klar gibt es spektakulärere, längere und anspruchsvollere Wege. Aber jeder Weg hat seine Berechtigung und seinen perfekten Moment. Für mich war das nun der Fall. Als spontaner Plan-B zur GEA in mein Tourenprofil gerutscht, als Möglichkeit meiner Rehabilitation in das Weitwanderleben.

GR53 in den Vogesen

Der GR53 ist vielleicht nicht der spektakulärste Weg in Europa aber sehr abwechslungsreich und ein kleines Juwel mit vielen Vorteilen.

Mittlerweile ist der GR53 mehr für mich. Er hat einen Platz in meinem Herzen gefunden. Er hat Erinnerungen und Momente geschaffen die einige spektakulärere Trails nicht erzeugen konnten. Er war da als ich ihn gebraucht habe und hat mich trotz meiner Vorurteile willkommen geheißen. Der GR53 hat Charm und Charisma. Vielleicht liegt das auch daran das ich in Bezug auf Wanderwege ein absoluter Frankreichfan bin.

Die Wälder der Nordvogesen haben mich beeindruckt.

Die Wälder der Nordvogesen haben mich positiv überrascht.

Vorteile des GR53

  • Abwechslungsreicher Weitwanderweg durch drei unterschiedliche Abschnitte der Vogesen.
  • Großteils nicht unbedingt spektakulär aber niemals langweilig.
  • Viel Kultur und Geschichte entlang des Weges. Unaufdringlich und für jene die daran Interesse haben.
  • Gut geeignet für Nebensaison im Frühling und Herbst. Einerseits weniger Menschen, andererseits sind Touren im Vergleich zu höheren Lagen (z.B. Alpen) bereits oder noch möglich.
  • Einfache und schnelle Anreise aus großen Teilen des deutschsprachigen Raums. Auch per öffentlicher Verkehrsmittel.
  • Aufgrund der guten Erreichbarkeit einiger Orte und Städtchen einfache Möglichkeit den GR53 zeitlich versetzt in Sektionen zu wandern.
  • In Frankreich, so auch in den Vogesen, herrscht ein recht lockerer Umgang mit den Regeln des Biwakierens.
  • Gut ausgeprägtes Netz an (kostenlosen Selbstversorger-)Hütten. Selbstversorgerhütten und andere Unterstände für die Nacht recht häufig, öffentlich zugänglich, kostenlos und basierend auf first-come, first-served Prinzip.
  • Wegenetz in top gepflegtem Zustand.
  • Großer Anteil an Single Trails und naturnahen Wegen. Anteil Asphalt und Forstwege verhältnismäßig gering.
  • Markierung nahezu lückenlos und Idiotensicher.
  • Wegenetz in den Vogesen sehr dicht. Erlaubt auch individuelle und alternative Wegeführung, Umwege, Abkürzungen, etc.
  • Gute Versorgungssituation in vielen Abschnitten. Insbesondere regelmäßige Supermärkte in den Mittelvogesen. Maximaler Food-Carry in meinem Fall ~100 Kilometer.
kleiner Supermarkt am GR53 in Urmatt

Die Versorgungssituation am GR53 ist ziemlich gut. Hier: kleiner Supermarkt am GR53 in Urmatt

Biwakieren am GR53 ist selten ein Problem.

Biwakieren am GR53 ist nur selten ein Problem.

Eine der zahlreichen Unterstände am GR53
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Wow, vielen Danke für den tollen Bericht. Hat richtig Spaß gemacht, ihn zu lesen, auch wenn es am Ende für dich doch eine ziemliche Quälerei war 🙈

Deine Beschreibungen und Bilder haben richtig Lust gemacht, den Weg mal zu gehen :)

Hoffe du hast dich gut erholt und das du den Trailer irgendwann zuende machst 🤗

 

Bearbeitet von Dimi
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vor einer Stunde schrieb Dimi:

Wow, vielen Danke für den Tollen Bericht. Hat richtig Spaß gemacht, ihn zu lesen, auch wenn es am Ende für dich doch eine ziemliche Quälerei war 🙈

Deine Beschreibungen und Bilder haben richtig Lust gemacht, den Weg mal zu gehen :)

Hoffe du hast dich gut erholt und das du den Trailer irgendwann zuende machst 🤗

 

Danke.

In Summe war es 1 Tag Qual  auf Trail wegen dem Rücken. Das ist zumindest überschaubar. Hab mich aber gefragt was würde ich jetzt auf nem langen Trail machen wenn der Rücken nicht mehr will.

Die nächsten 7 Tage daheim waren ebenso mühsam.

Mittlerweile geht wieder einfaches wandern.

Es hat sich schnell herausgestellt das es NICHT die Bandscheiben sind. Das war mir wichtig weil ich mal einen Vorfall in der HWS hatte und das waren fast 6 Monate Qual. Von dem her alles gut und ich bin schon an der Planung neuer Touren und Projekte.

Beinen und Ausdauer sind 12 Monate nach dem Krankenhaus wieder da, Oberkörper und Rücken aber eben noch nicht. Da habe ich leider nicht mehr aufgebaut mangels anderem Fokus und mangels Zeit. Deshalb vermutlich auch mit ein Grund für die Beschwerden.

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Vielen Dank für den tollen Bericht! Perfekt, weil ich ja im September auch durch die Vogesen schlendern will (allerdings auf der Hexatrek-Route, denn vielleicht wird ja im Lauf der Zeit ein Section-Thru draus), und bestätigt meine Erwartungen. Ich drücke die Daumen, dass der Rücken schnell wieder mitspielt. Bei mir war bei vergleichbaren Symptomen Wärme das beste Heilmittel.

Zur Frage was man auf einem langen Trail macht: Physio fragen, und wenn keine Dauerschäden zu erwarten sind, weiter laufen, Zähne zusammenbeißen und erst im Dunkeln heulen wenn es niemand sieht (war die 7 Monate vor dem PCT vom Arzt zur völligen Untätigkeit verdammt und hatte identische Probleme).

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Danke für das Mitnehmen.

Ich bin den GR53 in Teilen ge-sectionhiked (wow, grauenhaftes Denglish par excellence), von Ribeauvillé nach Thann als Hotel-Tour, dann ein paar Jahre später von Wissembourg nach Ingviller (geplant war bis Saverne, hab ich aber nicht ganz geschafft) mit dem Zelt und habe vor, entweder den Weg noch mal ganz am Stück zu gehen oder die Lücke zu schließen.

Ich kann alles, was Du als Vorteile beschreibst, voll und ganz unterschreiben. Die Ecke ist auch eine meiner liebsten Wandergegenden. Gerade auch im Vergleich zum nahen Schwarzwald. Ich bezeichne den Schwarzwald gerne als das etwas weniger attraktive Geschwister der Vogesen (ich darf das, behaupte ich mal, ich bin am Rande des Nordschwarzwalds geboren). Fast alles was der Schwarzwald kann können die Vogesen besser.

Ein weiterer Vorteil in den Nordvogesen ist noch, dass man da ganz gut mit Deutsch durchkommt.

Und das gute Essen sollte man noch erwähnen! Ein toller Mix aus gut bürgerlich deutsch mit etwas mehr französischer Finesse, finde ich. Immerhin stammt ja der inzwischen recht weit verbreitete Flammkuchen aus der Gegend und er schmeckt sonst nirgendwo so gut wie dort.

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Vielen Dank für den schönen Bericht. Ich habe einiges wiedererkannt und freue mich nun noch mehr auf weiteren Vogesentouren. Das vorzeitige Ende war sicherlich sehr bitter in dem Moment. 

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