Kay Geschrieben 15. November Teilen Geschrieben 15. November Anreise: mit einer MFG nach Karlsruhe, dann per Zug mit einmal Umsteigen nach Wissembourg. Ankunft 13:30 Uhr. Am Gehsteig vor dem Bahnhof in Wissembourg entdecke ich gleich einen Informationstafel mit Wanderkarte der Umgebung und Tourenvorschlägen. Ich werde den nächsten Tagen dem GR 53 folgen, markiert mit einem roten Rechteck. Der Weg ist ab dem Bahnhof markiert, tolle Sache! Der Plan ist, in den Tag hinein zu leben und bis Donnerstag Mittag in Niederbronn anzukommen. Ist schließlich Urlaub. Kurz überlege ich, die schöne Altstadt (laut Rother Wanderführer) zu besuchen oder mich spaßeshalber am Startpunkt des Hexatreks als section hiker einzutragen (das wären 1,5 km außerhalb der Stadt an der Landesgrenze). Angesichts der Uhrzeit und der geringen Tageslichtdauer entscheide ich mich, gleich Richtung Vogesen aufzubrechen. Noch im Ort beginnt es zu nieseln, kurze Zeit später regnet es - und hört bis zum Ende der Tour nur 2-3 mal für ein paar Minuten auf. Ein Kollege subsumierte meinen Urlaubsbericht mit “ Es regnete also nur einmal.” Schon nach kurzer Zeit verließ der Wanderweg den Ortsbereich und ich stromerte entlang Obst- und Weinberge. Bei guter Sicht sieht man laut Erklärschild den Straßburger Münster und die Karlsruher Schornsteine. Jedem Ort seine Sehenswürdigkeiten, gelle. Ich konnte immerhin den Schwarzwald erahnen. Der Wind war garstig kalt und ich zog rasch weiter. Die Landschaft zog mich sofort in den Bann und der Alltag war vergessen. Es gab so viel Neues zu entdecken. Mit großer Freude bewunderte ich die herbstlich verfärbten Rebstöcke, die Hügelzüge mit hineingetupften Ortschaften und sah zum ersten Mal Esskastanien-Bäume und ihre Früchte, die zahlreich den Boden bedeckten. Kenn ich ja nur vom Maronistand in der Fußgängerzone. Der Anstieg zum Col du Pigeonnier war angenehm gleichmäßig gradiert. Ich lernte von einem Schild über die Lauterlinie, einem Verteidigungssystem des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714, wer das auch schon vergessen hat). Die Lauterlinie sollte die Lauter mit 28 Dämmen aufstauen, das Tal fluten und in ein Hindernis für feindliche Armeen verwandeln. Immer wieder bin ich erstaunt, wie wenig die Heimat von Menschen zählt, wenn es um militärische “Geniestreiche” geht. Auf dem Bild kann man noch die topologischen Überreste einer der Befestigungen entlang Lauterlinie erkennen. Eine zweckdienlichere Wendung nahm der frühere Signalturm (1708), der im März 45 von den deutschen Truppen gesprengt wurde und aus dessen Steinen die Schutzhütte Abri di Col du Pigeonnier gebaut wurde. In der Schutzhütte befindet sich ein Tisch und eine umlaufende Bank. Genau der richtige Ort für eine kurze Pause. Es ist leider zu früh zum Übernachten am/im Abri. Hier oben gibt es übrigens kein Wasser, sondern erst 5 Minuten weiter unten an der gleichnamigen Refuge. Dort gibt es auch einen Unterstand mit Sitzgelegenheit. Das Refuge selber war geschlossen. Weiter geht es durch wunderschöne Wälder und ausgestorben wirkende Dörfer. Dorfläden, Gasthäuser, alles hatte geschlossen und sah größtenteils so aus, als hätte es nicht mal im Sommer offen gehabt. An zwei Gelegenheiten konnte ich in diesen neu gestalteten Rastplätzen in Form eines roten Häusleins kurz innehalten, die sehr schön gestalteten Informationstafeln studieren und begann einen Plan für die Nacht schmieden. Nur leider hielt sich das Wetter nicht an meinen Plan. Es fing viel früher als gedacht an zu schütten. Im engen Heimbach-Tal nordwestlich von Petit-Wingen war es auf einmal stockduster, der anvisierte Zeltplatz war vollkommen durchtränkt. Ich entschied mich zum Abri am Col du Litschhof zu marschieren, dort würde ich wenigstens meinen Rucksack im Trockenen entpacken können. Zu meiner großen Freude war das Abri sehr groß und zwei Bänke ließen sich zu einer ausreichend großen Fläche zusammenschieben. Eine Ecke voller leerer Bier- und Sektflaschen ließ den tatsächlichen Hauptnutzungszweck erahnen. Ich war jedoch zuversichtlich, dass an einem Montag Abend bei dem Sauwetter niemand hier Party machen möchte. Auf der nahen Parkplatzfläche stand ein kleiner, von innen beleuchteter Campervan. Das wirkte sehr heimelig auf mich. Die Nacht war etwas unruhig, da ich den ganzen Tag schon mit Durchfall zu kämpfen hatte, der mich auch in der Nacht nicht in Ruhe lässt. In dieser Nacht verdiente sich mein last minute eingesteckter UH-Poncho seine MVP-Medaille. Man hat halt seine persönliche Kack-Kabine dabei, in der man auch nachts bei strömenden Regen austreten kann und dabei trocken bleibt. Mit meinem Schlafsetup war ich sehr zufrieden. Nichts zu viel und nichts zu wenig. In den Tagen vor der Abreise hat die Wettervorhersage immer mehr Regen und Kälte vorhergesagt. Stück für Stück wurde meine Packliste immer umfangreicher und zu irgendeinem Zeitpunkt war ich sehr verunsichert, ob ich meine “fears” einpacke oder doch nur die “bare necessities”. Zusammenfassung: Montag 23.10.23 von Wissembourg Bahnhof bis zum Abri du Col du Litschhof 16,7 km; Aufstieg: +746 m; Abstieg: -574 m; 4h:56min fatrat, Schlurfer, trekkingBär und 17 Weitere reagierten darauf 20 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
RaulDuke Geschrieben 16. November Teilen Geschrieben 16. November Super schöner Start! Freue mich auf Dienstag und Mittwoch! Die Gegend auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze fand ich im Frühsommer sehr schön, die französische wird dieses Jahr folgen… Kay reagierte darauf 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
schoguen Geschrieben 17. November Teilen Geschrieben 17. November Ich bin den Weg auch vor Jahren gegangen. Und die letzten drei Tage waren auch im Dauerregen, ehhm es hat auch nur einmal geregnet. Schön, daß du durchgehalten hast. Kay reagierte darauf 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Kay Geschrieben 17. November Autor Teilen Geschrieben 17. November Vielen Dank für eure Kommentare @RaulDuke @schoguen Den Pfälzer Wald hatte ich auch in Erwägung gezogen, aber ich wollte mal wieder etwas Fremdheit erleben. Andere Kultur, andere Regeln, andere Sprache. Die drei Tage boten mir genug mentale Herausforderungen, das war klasse. Der Bericht für Tag 2 steht schon in den Startlöchern. Zum Ende der Woche ist mein Kopf am Feierabend leider etwas hirnleer ... Und morgen muss ich unbedingt den Schnee auskosten, der endlich auch hier in den unteren Höhenlagen angekommen ist. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Kay Geschrieben 20. November Autor Teilen Geschrieben 20. November Am Morgen bemerkte ich, dass ich Abends einen Fehler gemacht hatte. Ich hatte den Daunenquilt während des Aufloftens mit dem Außenzelt abgedeckt, da die Luftfeuchtigkeit sehr hoch war. Leider hatte ich in der Nacht die Abdeckung in der Dunkelheit nicht vollständig entfernt. Nun war mein Quilt von den Füßen bis zu den Knien von Kondensation durchfeuchtet. Nach einem Tag im Rucksack ist die Nässe dann überall gleich verteilt im Quilt. Na, prima. Ich wollte ja was lernen auf diesem Trip um wieder in Übung zu kommen was Mehrtagestouren angeht. Ich habe am Vorabend schon gelernt, dass man einen Wasserbeutel im Halbdunkeln nicht einfach schnell mit etwas mehr Kraft als gewöhnlich "verschließt". An irgendeinem späteren Zeitpunkt ist man dann außen sehr viel nasser und innen sehr viel durstiger. Man kann die Spuren meiner ungeplanten Dusche noch auf dem Boden des Abris im Foto im ersten Beitrag erkennen. Als ich im Morgengrauen aus dem Abri heraus trat, öffnete sich zeitgleich die Tür des über Nacht geparkten Campervan und es stieg eine sich gemütlich streckende Frau aus. Anscheinend hatte sie am Abend zuvor nicht den Schein meiner Stirnlampe in der nach vorne offenen Schutzhütte wahrgenommen. Denn mein Gruß erschreckte sie ziemlich. Als ich auf der anderen Seite des Parkplatzes wieder im nebligen Wald verschwand, überlegte ich amüsiert, wie ich als roter Poncho-Wichtel aus dem nebligen Wald kommend wohl auf die Frau gewirkt habe. Um die ersten Burgen anzusehen, verließ ich den GR 53 für einen Umweg und wanderte weiter bergauf zur Burg Loewenstein und Hohenbourg. Allerdings stürmte dort oben der Regen waagrecht durch die Luft. Trotz des wärmenden Anstiegs war mir fröstelig kalt und ich verzichtete auf eine ausführliche Besichtigung und verkrümelte mich wieder in den Wald in Richtung GR 53. Am Kaiser Wilhelm Stein, direkt an der Landesgrenze, fand ich Unterschlupf in einem überdachten Unterstand und überlegte meine Optionen. Die 24h Durchfall und die mehrfach unterbrochene Nachtruhe hatten mich merklich ausgelaugt, die Halsschmerzen der gerade auskurierten Erkältung machten sich wieder bemerkbar. Wie war das Motto dieser Tour nochmal? Genau, ist schließlich Urlaub! Also flugs eine Unterkunft buchen, anstatt im klammen Quilt zu nächtigen. Leichter gesagt als getan. Am Anfang der Woche hat fast alles was am Wegesrand liegt zu, ist nicht zu erreichen, schickt Absagen… schwierig. Ich tröste mich damit, dass mein Zelt und die Schlafkleidung trocken sind und ich genügend Gas für eine Wärmflasche zum Quilt antrocknen habe. Nachdem ich meine Gedanken geordnet hatte, kann ich wieder die wunderschönen Herbstwälder und die Burgen des Parc Régional des Vosges du Nord in vollen Zügen genießen. Die Wegführung des GR 53 ist ein Traum! Top markiert und auf Asphalt eigentlich nur in den Orten. Es gibt sogar Pfade, die wurden extra parallel zur Straße angelegt, etwas getrennt durch Hecken oder Bäume, so dass man nie länger als ein paar Meter auf einer Landstraße gehen muss. Ein echtes Wanderparadies! Ich steige viele Höhenmeter bergab, auch hier wieder angenehm gradiert und erreiche das Chateau de Fleckenstein. Auf einmal Menschen, viele Menschen, das kam unerwartet. Es sind mehrere Kindergruppen unterwegs und ein frisch geöffneter Köhlerhaufen qualmt das halbe Areal voll. Mich überfordert das in diesem Moment. Ich beschleunige meinen Schritt und lasse diese Burg unbesichtigt. Das ist übrigens die einzige Burg auf meinem Weg, deren Besichtigung Geld kostet. Es gibt dafür auch ein kleines Besucherzentrum mit Andenkenladen, ein (zu dem Zeitpunkt geschlossenes) Café, überdachte Picknickstellen in einer Streuobstwiese und im Sommer sicherlich jede Menge Trubel. Ich steige ins Tal der Sauer ab. Dort könnte ich am Fluss Wasser fassen. Tue es aber nicht. Und bereue es später. Der Gegenanstieg wird brutal. Ich muss mehrmals stehen bleiben und verschnaufen, der Puls schießt in ungewohnte Höhen. Anmerkung: ich bin jedes Wochenende in den Alpen unterwegs und mein Körper kennt steile Anstiege. Das hier fühlt sich nicht mehr gesund an. Ich mache mir Sorgen und gehe die Unterkunftssuche nochmals an. Weiterhin schwierig, der Empfang ist hier sehr lückenhaft. Am Chateau de Froensbourg schüttet und weht es weiter. Ich bin inzwischen etwas genervt von meiner Situation. Alles ist sehr anstrengend, ich finde keinen geschützten Platz für eine Pause, mich fröstelt es immer wieder. Weiter geht's! Um 14:30 Uhr schaffe ich es endlich, mir eine Unterkunft zu sichern. Ich bin sehr erleichtert und zur großen Freude hört der Regen am Chateau du Wasigenstein auf. Ich unterhalte mich kurz mit einem deutschen Paar auf einem Spaziergang, mehr Menschen werde ich heute unterwegs nicht treffen. Diese Einsamkeit gefällt mir sehr gut. Ein Kontrast zu meinen üblichen Wochenendtouren. Auf der Ruine stehend, sehe ich sogar kurz die Sonne. Also wirklich kurz, nach wenigen Minuten regnet es wieder, ach was, es schüttet. Bei den Burgruinen existieren minimale Sicherungsanlagen wie Geländer oder Leitern und man kann auf eigene Faust die faszinierenden Bauten erkunden. Diese Eigenverantwortung finde ich ganz wunderbar. Schade, dass das Wetter nicht an allen Burgen mitgespielt hat, aber so “muss” ich den Weg einfach nochmal bei besserem Wetter und Gesundheitszustand wandern. Der kleine 99g Schirm ist der zweite MVP dieser Tour. Die Windböen steckt der Schirm richtig gut weg. Ich höre dem “dröppeln” auf meinem Regenschirm sehr gerne zu und meine Brille bleibt immer trocken. Ist das UL? Nein, der Poncho hat eine Kapuze und ich trage ein Cap zum wärmen. Jedoch mag ich das Rascheln der Kapuze und die Reibung am Kopf nicht. Und es wird früher und später immer am Kragen oder am RV (dort wo der RV sich durch die Brüste wölbt) durchsiffen. Vor allem bei Wind. Und im Anstieg wird es zu warm unter einer wind-und regendicht festgezurrten Kapuze. Regen finde ich einfach besser zu ertragen mit Schirm. #TeamSchirm Da ich noch etwas Zeit habe, bis ich in meine Unterkunft kann, gehe ich in Obersteinberg den Künstlerinnenweg entlang. Von 1896 bis 1918 richtete der Kunstmaler Franz Hein in Obersteinbach eine Sommer-Malschule für junge Damen aus. Den Rundweg zieren auf 10 (?) Stationen Schilder mit Bildern der Kunstschülerinnen und einer zeitgeschichtlichen Einordnung der Motive. Ein sehr kurzweiliger und informativer Wanderweg, der einmal um und durch den Ort und auch an der Petit Arnsburg entlang führt. Noch eine Burg, die auf mich wartet. Diesmal lockt die Unterkunft. Ich verzichte wegen etwaiger Bildrechts-Problematiken hier meine Fotos der Aufsteller des Künstlerinnenwegs zu posten. Wer einen Einblick möchte: https://www.komoot.de/highlight/4577914 Zusammenfassung: Dienstag 24.10.23 vom Abri du Col du Litschhof bis nach Obersteinbach 16,9 km; Aufstieg: +684 m; Abstieg: -779 m; 7h:38min Habe noch was gelernt: Trotz des vielen Regens von oben, gab es nicht ausreichend Trinkwasser auf der Strecke. Alle kleinen Bäche waren ausgetrocknet, natürliche Quellen waren entweder trocken oder nur noch eine Schlammsuhle der Wildschweine. Das erste Wasser hätte es wahrscheinlich an der Burg Fleckenstein in den Toilettenanlagen gegeben, dort flüchtete ich jedoch vor dem Trubel, ohne groß nachzudenken. Die nächste Gelegenheit war die Überquerung der Sauer. Dort war mir das Ufer zu steil, alles zu nass und zugewachsen und ich wollte nicht nach einer geeigneten Stelle suchen. Das war ein großer Fehler, denn es gab dann gar kein Wasser bis kurz vor Obersteinbach. Dort kreuzt man ein Bächlein, das so aussieht, als ob es auch schnell wieder trocken fällt. Beim Wassermanagement muss ich als “Vieltrinker” echt mehr aufpassen. Ich war so dehydriert, dass ich in meiner Unterkunft abends 3 Liter Tee trinken konnte, ohne in der Nacht einmal austreten zu müssen. momper, RaulDuke, Patirou und 4 Weitere reagierten darauf 7 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
adventurer_from_bgh Geschrieben 22. November Teilen Geschrieben 22. November Die Burgen hören sich "spannend" an, da kann das Erkunden Spass machen. Und 3L trinken ohne raus zu müssen, das ist echt eine Hausnummer. Kay reagierte darauf 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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